Nimm hin und iss, für dich gestreamt

Nimm hin und iss, für dich gestreamt

Sag niemals nie. Ich sollte es doch wissen. Im Frühjahr hatte ich noch in meinem Text für www.e-social-media.de geschrieben: „Abendmahl, Taufen, Trauungen, Beerdigungen online wird es wohl nie geben.“ Schon ist das alles Geschichte: Letzten Freitag feierte Ralf Friedrich, Prädikant in der evangelischen Kirchengemeinde Eppertshausen im Odenwald, das vermutlich erste Online-Abendmahl überhaupt.

Wie soll das denn gehen, bitteschön? Na ja, eigentlich ganz einfach: Brot und Wein bzw. Saft musste man natürlich zu Hause bereitstellen. Die Einsetzungsworte kamen dann per Videostream übers Netz. Warum auch nicht Gottes Geist zutrauen, dass er auch über die Distanz wirken kann? Beim Segen beispielsweise sehen wir darin ja auch kein Problem.

####LINKS####Doch, für mich ist das ein Problem. Muss wirklich alles getan werden, was theoretisch getan werden kann? Müssen wir wirklich alles ausprobieren? Ich habe wahrlich schon oft in diesem Blog übers Abendmahl geschrieben, über Pannen und Menschlichkeiten, über Seltsames und Skurriles, was dabei so geschehen kann. Aber ich habe dabei immer versucht, die Achtung vor diesem großen Mysterium zu bewahren. Ja, manche meinten auch da, ich sei bei dem einen oder anderen Artikel oder Link zu weit gegangen. Nun sage ich: Das geht mir zu weit.

Dabei habe ich, das muss ich gestehen, keine wirklich haltbaren theologischen Gründe vorzuweisen. Außer dem, dass man sich Brot und Wein nach Möglichkeit nicht selbst reichen sollte. Das könnten die streamend Mitfeiernden allerdings auch umgehen, indem sie mindestens zu zweit an der Feier teilnehmen.

Ja, in irgend einer Notsituation, wenn es gar keine andere Möglichkeit gäbe: Da würde ich das vielleicht auch tun. Auch, wenn mir gerade keine einfällt. Vielleicht, wenn es eines Tages so wenige Christen in Deutschland gibt, dass es ihnen unmöglich ist, zu einem gemeinsamen Gottesdienst zusammenzukommen.

Ich habe selbst Online-Andachten und Twittergottesdienste mitgefeiert, auch selbst geleitet. Ich weiß, wie intensiv manche die Atmosphäre empfinden können, die dabei entsteht. Vielleicht bin ich rückständig, aber an unsere Sakramente möchte ich in diesem Zusammenhang trotzdem nicht rühren.

Der Bericht über den Gottesdienst greift außerdem noch einen zweiten Kritikpunkt auf – beziehungsweise beschreibt ein Problem und muss es nicht einmal extra benennen: Wie lassen wir uns in der Übertragung unserer Andachten ein auf die kommerziellen Anbieter? Kann es sein, dass ich mich zur Teilnahme an einem Gottesdienst bei einem Anbieter registrieren muss, der mir gleich seine Produkte schmackhaft machen will? Kann es sein, dass ich mir erst ein Youtube-Werbefilmchen mit einer offenbar eher leicht bekleideten Dame ansehen muss, bevor ich den Kirchenraum „betreten“ darf? Ach, das ist nochmal einen eigenen Blogeintrag wert.

Nun bin ich gespannt, wann wir die erste online-Taufe erleben dürfen. Obwohl – das wäre eigentlich die Lösung: Erst gestern wurde ich von jemandem gefragt, ob ich nicht die 150 Kilometer entfernte Enkelin taufen könne. Im Zuge des Umweltschutzes sollten wir mal darüber nachdenken, statt gleich durch die Gegend zu düsen: Taufstein hier, Taufstein dort. Übertragung via Skype oder so. Die Frage ist nur, ob ich das Taufwasser dann über die Kamera oder über den Monitor gießen müsste. Und ob die empfindliche Elektronik das aushält.

Sag niemals nie, schrieb ich eingangs. Doch, hier sage ich es: Das werdet ihr von mir nie erleben. Nein, mit Gottes Hilfe. Amen.

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