Pfarrer zu Copy and Paste

Pfarrer zu Copy and Paste

Verteidigungsminister zu Guttenberg hat also abgeschrieben in seiner Doktorarbeit. Für mich ist das alles andere als ein Kavaliersdelikt, das möchte ich hier schon mal vorausschicken. Ich persönlich halte die bisherigen Konsequenzen für kaum ausreichend, aber darum soll es heute gar nicht gehen.

Ich habe mich in diesem Zusammenhang allerdings gefragt: Wie halte ich es eigentlich selbst mit dem Kopieren und Abschreiben? Sind meine Predigten alle von mir selbst? Mache ich das kenntlich, wenn ich auf der Kanzel stehe und die Gedanken eines anderen zum besten gebe? 

Nun ja - natürlich nicht. Kommt irgendwie blöd, wenn man bei der gesprochenen Predigt irgendwelche Quellenangaben verliest. Das würde ich im Gegenzug auch nicht erwarten, wenn jemand Teile meiner Predigt übernehmen würde. Aber wie ist das mit der schriftlichen Version, die ich ja auch oft im Internet veröffentliche? Da zumindest müsste ich ja die Quellen offenlegen. Nur leider: Beim Erstellen habe ich in Gedanken nur den Vortrag vor mir. Daran, dass ich den Text später vielleicht auch veröffentlichen könnte, denke ich in diesem Moment gar nicht. Und so verzichte ich gelegentlich darauf, übernommene Texte als Zitat zu kennzeichnen. Manchmal, wenn ich meine eigene Predigt nach Jahren wieder lese, fällt mit dann selbst ein Abschnitt, eine Formulierung oder ein Gedankengang auf, von dem ich meine: Das stammt aber nicht von mir. Von wem dann? Ich habe natürlich keine Ahnung mehr. 

Nun ist eine Predigt keine wissenschaftliche Doktorarbeit, an die besondere Anforderungen im Hinblick auf die Kenntlichmachung der Quellen gestellt werden. Im Gegenteil: Ich sehe mich eher als einen Teil einer Gemeinschaft, die versucht - ich kann das jetzt nur so “fromm“ formulieren - das Wort Gottes zu verkündigen, und zwar mit den besten zur Verfügung stehenden Mitteln. Für mich kann und darf die Originalität dahinter zurückstecken. Es geht ja nicht darum, dass mein Name verkündet wird, sondern der Name Jesu. Wenn jemand anders dafür eine meiner Ideen verwenden kann - nur zu. Das ist einer der Gründe, warum ich meine Predigten meistens ins Netz stelle: Vielleicht helfen sie einem Kollegen, einer Kollegin bei der oft harten Arbeit, die es bedeutet, eine ansprechende Predigt zu verfassen. Wenn ich umgekehrt eine Idee von jemand anderem übernehme, dann hoffe ich, dass er oder sie die gleiche Einstellung dazu hat wie ich. Und wenn ich richtig viel zitiere - in großen Ausnahmefällen auch mal eine ganze Predigt - dann schreibe ich dem Verfasser auch eine Mail und bedanke mich für den tollen Text. Ich glaube, das kam in 14 Jahren bisher zweimal vor. 

Predigt: Das ist eben einfach etwas anderes als eine Doktorarbeit. Predigt: Das ist Verkündung. Und wie jeder weiß, der schon mal eine Synopse in der Hand hielt: Beim Predigen ist Abschreiben eine alte Tradition. Schon Matthäus. Markus, Lukas und Johannes haben das ausführlich getan. Und keiner hat ihnen meines Wissens deswegen den Evangelisten-Titel aberkannt. Dann werde ich das doch auch dürfen.

Das einzige wirkliche Problem, das ich beim Abschreiben habe, liegt sowieso ganz woanders: Wenn mir selbst zu einem Predigttext nichts einfällt, dann scheint das auch den anderen so zu gehen. Habe ich keine eigene Idee zu einem Text, findet sich auch in den diversen Predigtsammlungen selten etwas, was mich wirklich anspricht. Letztlich beschränkt sich das Kopieren daher oft auf einen einzigen Autor: mich selbst. Ja, ich gestehe freimütig ein, dass ich aus alten Predigten aus meinem Archiv hemmungslos ganze Abschnitte kopiere, wenn sie in den neuen Zusammenhang passen und in der Gemeinde noch unbekannt sind. Ganz ohne Quellenangabe und ganz ohne schlechtes Gewissen. 

Mir ging es allerdings noch nie so wie einem älteren Kollegen, der nun schon lange im verdienten Ruhestand ist: Dem fiel einmal zu einen Predigttext wirklich gar nichts ein. Entnervt zog er schließlich eine alte gedruckte Predigtsammlung aus dem Schrank (ja, so etwas gab es damals noch, das Internet war gerade erst erfunden). Doch was er da las, konnte ihn erst recht nicht überzeugen. Wer hatte nur diesen Schwachsinn verfasst? Er blätterte um, um nach dem Autor zu sehen. Und fand dort - seinen eigenen Namen. 

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