"Die Leute wollen ja createn!"

"Die Leute wollen ja createn!"
Die ziemlich gute Medien-Satire "Labaule & Erben" lädt dazu ein, sich eine Meinung über sie zu bilden – noch fast ein halbes Jahr lang. Die öffentlich-rechtlichen Mediatheken sind auch für Netflix-Nutzer inzwischen kein "Horrortrip" mehr – aber entlarvend.

Gerade läuft eine recht lustige deutsche Serie übers Mediengeschäft. Uwe Ochsenknecht spielt den unbedarften Sohn eines verunglückten südwestdeutschen Verlegers, der sich ohne jeden Schimmer in viele Widrigkeiten im und ums Zeitungsgeschäft verstrickt. "Wenn man noch irgendetwas für das sinkende Schiff bekommen möchte, sollte man es tunlichst schnell verkaufen", sagt seine Mutter (gespielt von der Fassbinder- und Loriot-Schauspielerin Irm Hermann) über den Journalismus.

  Gewiss schießen viele Gags so übers Ziel hinaus wie die Segway-Fahrgeräte gleich in der ersten Szene. Aber mit auf unterschiedlichen Niveaus übers Ziel hinausschießenden Gags zu arbeiten und außer der Medien-Welt auch noch anderes zu persiflieren, ist legitim. Gewiss ist das allermeiste nicht 1:1 realistisch, doch flott verschlungen. Große Kunst wäre es, die Fäden am Ende so furios zu verknüpfen, dass auch der Wunsch nach einer zweiten Staffel entsteht. Das gelingt "Labaule & Erben" nicht. Ich fand die letzte der sechs Folgen eher doof, habe aber vorher überdurchschnittlich oft gelacht, auch wegen der Bezüge zum Mediengeschäft. Es wird gerne geredet und wenig zugehört und hagelt Anglizismen à la "Die Leute wollen ja createn!". Die Vorstellungsrunde im "Creativelab" des Zeitungsverlags trifft die Digital-Zukunfts-Bemühungen der um geschäftliche Perspektiven kämpfenden Presseverlage ziemlich perfekt: "Das isr Tammy, die macht Lifestyle, Hannah Fashion, Ariel und Malte machen Food, Pina und Sarah Körper und Sex ... und ich, ich mach' Geschichte, Kultur, Politik und Wirtschaft".

Was alle loben, ist weniger interessant

Für ihren Sendetermin, werktags um 22.00 Uhr in einem der verwechselbaren Dritten Programme, bekam die vom  Autorenteam Richard Kropf, Bob Konrad, Hanno Hackfort, Anneke Janssen, Elena Senft geschriebene Serie vergleichsweise viel Kritiker-Aufmerksamkeit – weil in ihrem Vorspann steht: "nach einer Idee von Harald Schmidt". Der weit im Fernsehen herumgekommene Veteran, der nun zwischen Spiegel Onlines kostenpflichtigem Bereich und "Traumschiff" seinen alten Ruhm auskostet, wird ja gerne interviewt. Die Kritiker äußerten ziemlich unterschiedliche Meinungen. Wilfried Urbe erfreute sich in der "taz" an den vielen "Anknüpfungspunkten an reale, bekannte Verlegerfamilien, etwa Burda, Springer oder Holtzbrinck" und ganz besonders die Neven Dumonts, die ihre einst unter Alfred Neven Dumont besonders großen überregionalen Ambitionen besonders stark herunterschraubten. Hans Hoff schimpfte bei dwdl.de sehr (und gab Kostproben eigener Gags wie den von der "Klinik für betreutes Erbrechen" ...). Andererseits, wer würde in "eine aus dem Ruder gelaufene Harald-Martenstein-Kolumne" nicht gerne mal reinlesen.

Es gibt die Faustregel, dass kontrovers besprochene Inhalte interessanter sind als die, die alle loben. Sie schreien sozusagen danach, sich eine eigene Meinung zu bilden, und das geht bei "Labaule ..." besonders gut. Die sechs mal 45-minütige Serie wurde längst nicht allein für eine Spätschiene im SWR-Fernsehen produziert. Sie steht noch bis Ende Juni in den Mediatheken.

Allerdings nicht in der der prominentesten ARD-Marke (mediathek.daserste.de: "Ihre Suche nach 'labaule' ergab keine Treffer").  Ardmediathek.de zeigt bei derselben Suche zwar "Keine Inhalte vorhanden" an, aber doch zugleich die sechs Folgen, bloß mit dem Deutsche Bahn-Problem der umgekehrten Reihung, also von links nach rechts und oben nach unten mit Folge 6/6, Folge 6/6 mit AD (Audiodeskription), Folge 5, Folge 5 mit AD undsoweiter. Allerdings gibt es überdies die Abteilung ardmediathek.de/swr, in der "Labaule ..." derzeit ganz oben und richtig rum, mit Folge 1 als erster, erscheint.

Die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen sind ein Kapitel für sich, durch das immer mal wieder Kritiker streifen. "Die Mediatheken von ARD und ZDF: ein Horrortrip" hieß ein gründliches uebermedien.de-Stück Ende 2017. Seither hat sich einiges getan. Kürzlich suchte Tilman Baumgärtel ("taz") online nach der US-amerikanischen 1970er-Jahre-Serie "Holocaust", die einige Dritte Programme wiederholten. Er fand sie zwar nicht in den Mediatheken von SWR und NDR, aber in der des WDR – zwar Mitte Januar nur "bis Ende Januar", doch aktuell ist die Serie doch noch bis zum 2.2.2019, 16.00 Uhr, zu haben, weil auch noch "One", der unbekannteste lineare Sender aus dem Reich  der ARD, sie zeigte. Diese immer anderen, stets seltsamen Fristen sind ein Unterkapitel für sich. In diesem Fall dürften sie vor allem mit Lizenzgebühren zu tun haben. Diese "Veröffentlichung auf Raten", die mit ebenfalls sukzessiver Depublikation, also Ent-öfflichung einhergeht, sei jungen Zuschauern nicht mehr zu vermitteln, meint Baumgärtel: Sie "entspricht nicht dem durch die Streamingdienste antrainierten Rezeptionsverhalten."

Serien-90minüter-Missverhältnis

Bei "Labaule" ist das anders. Die Auftragsproduktion wurde offenkundig vor allem für Mediatheken produziert. Dass die Serie in der Mediathek "halbe Million knackte", verkündete der SWR schon vor drei Wochen gerne. Und die ARD-Mediathek ist vom Erscheinungsbild gar nicht mehr übel. Man kann sich darin horizontal und vertikal gut bewegen. Sie zeigt gut, was es alles gibt und wieviel davon. In der weit oben platzierten Rubrik "Krimis & Tatort" sind es derzeit 18 oder 19 Filme, und zwar nur Neunzigminüter. Serien mit kürzeren Krimi-Folgen folgen weiter unten. Es ist geradezu entlarvend. Wie viele neue Filme mit ähnlichen Titeln und ähnlichen Szenenfotos um Aufmerksamkeit buhlen, zeigt sich umso besser, wenn alles übersichtlich neben- und untereinander steht. Umgekehrt zeigt sich indirekt auch , wovon es weniger gibt, etwa weiter unten auf der Startseite in der Rubrik "Komplette Staffeln". Da stehen am heutigen Donnerstag noch "Holocaust" und "Labaule ..." nebeneinander und neben "Die Rentnercops". Dabei ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Menschen die dieser Werberahmen-Krimi interessiert, auch "Holocaust" oder "Labaule ..." interessiert. Auch sehr offensichtlich ist, was für ein krasses Missverhältnis zwischen Serienstaffeln und 90-minütigen Filmen, besonders Krimis und solchen "fürs Herz" besteht.

"Je mehr sich Streaming durchsetzt, umso wichtiger ist es, dass ARD und ZDF ein überzeugendes Online-Angebot haben. Anfangen könnte man mit einer Mediathek, in der alles gesammelt ist, was mit Rundfunkmitteln finanziert ist und im Internet gezeigt werden kann. Wenn das unter einer einzigen Adresse zu finden ist, erhalten die Beitragszahler einen Überblick darüber, wofür ihre Gebühren eigentlich ausgegeben werden – was möglicherweise auch die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags wieder erhöht",

schreibt die "taz" im oben verlinkten Artikel mit Recht. ARD und ZDF senden oft noch so, als seien ihre allerwichtigsten Wettbewerber ZDF und ARD. Dabei sind es tatsächlich doch die kostenpflichtigen und (wenn man vom Datenfluss absieht) kostenlosen, nicht sendende, sondern streamende US-amerikanischen Plattformen. Statt vieler kleiner, einer fürs "Erste" und einer für die ganze ARD etwa, wären wenige größere, ohne unnötige Datensammlung personalisierbare Plattformen sinnvoll. Sowieso mit dem ZDF, auch mit anderen europäischen Sendern (wie es der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm ohne sehr viel Resonanz in Deutschland vorschlägt) und gerne auch gemeinsam mit Angeboten privater Sender und Presseverlage. Die ringen auf ihren Baustellen ja auch, bloß ohne die sicheren Einnahmen, die die Öffentlich-Rechtlichen haben, um Digital-Zukunfts-Bemühungen  – wie "Labaule & Erben" schön zeigt.

weitere Blogs

Symbol Frau und Sternchen
Geschlechtsneutrale oder geschlechtssensible Sprache erhitzt seit Jahren die Gemüter. Nun hat die Bayrische Landesregierung das Gendern verboten. Die Hessische Landesregierung will das Verbot ebenfalls einführen.
Eine Ordensschwester im Kongo wurde wieder freigelassen – weil der Bandenchef keinen Ärger wollte.
Ein spätes, unerwartetes Ostererlebnis der besonderen Art