Ein Lied, das bis heute vereint

Marlene Dietrich
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Ende der 70er-Jahre entdeckten Friedensbewegte den Pete Seegers Friedens-Klassiker für sich, nachdem Marlene Dietrich "Sag mir, wo die Blumen sind" 1962 auf Deutsch sang.
Songs des Friedens: Marlene Dietrich
Ein Lied, das bis heute vereint
Der Krieg reißt Löcher ins Leben - der Alltag wirkt grau, trist und karg. Dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit transportiert Marlene Dietrich in dem Stück "Sag mir, wo die Blumen sind". Uwe Birnstein sieht sich den Klassiker genauer an.

Der Song "Sag mir, wo die Blumen sind" aus dem Jahr 1955 vereint bis heute die Friedensstifter und Friedenssehnsüchtigen dieser Welt.

"When will we ever learn?" – Anfang 2022 zeigte sich, dass auch die Menschen im einst schon kriegsgeschüttelten Europa noch immer nicht gelernt haben, den Krieg zu vermeiden. Daran konnte auch Pete Seegers Friedens-Klassiker "Where have all the Flowers gone" nichts ändern, der die ständige Wiederkehr des Krieges in einfachen Bildern volksliedartig vor Augen führt. 

Aber immerhin: Der Song aus dem Jahr 1955 vereint bis heute die Friedensstifter und Friedenssehnsüchtigen dieser Welt. Auch in Deutschland: Hier wurde das Lied 1962 bekannt, Marlene Dietrich sang es mit wehmütiger Stimme. 17 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren all seine Schrecken noch präsent und die Kuba-Krise zeigte, dass es zwischen den Machtblöcken in Ost und West jederzeit erneut zum Krieg kommen konnte. "Wann wird man je versteh’n?", sang "die Dietrich" da und vielen war bewusst, dass die Gefahr des Krieges noch längst nicht gebannt war. 

In gewisser Weise ist das Lied ein Exportschlager aus den USA. Dort hatte es der politisch engagierte Folksänger Pete Seeger geschrieben. Inspiriert hatte ihn der russische Roman "Der stille Don". Darin war er auf das Donkosakenlied "Koloda Duda" gestoßen, das so naiv wie tiefsinnig eine Kette von Geschehnissen schilderte: "Wo sind die Gänse? Sie liefen ins Schilf. Wo ist das Schilf? Das wurde von Mädchen gemäht." Die sind verheiratet, deren Männer sind nun im Krieg. 

Der Krieg reißt Löcher mitten in das Alltagsleben, so die Botschaft des Ketten-Liedes: Jede Strophe nimmt die vorherige in freier Assoziation auf, die letzte führt zum Anfang zurück. Pete Seeger unterlegte den Text mit einer alten amerikanischen Melodie, der Folk-Sänger Joe Hickerson reicherte das Lied mit zwei Strophen an – Where have all the Flowers gone war entstanden. Durch die Versionen von Peter, Paul and Mary und des Kingston Trios wurde es zum Hit. 

Auch Max Colpet war beeindruckt von dem Lied – es erinnerte ihn an das deutsche Volkslied "Sagt, wo sind die Veilchen hin" aus dem Jahr 1782. Der aus Deutschland stammende jüdische Liedtexter war mit Marlene Dietrich befreundet. Sie fand Gefallen an seiner deutschsprachigen Version und nahm sie 1962 auf. Die Deutschen waren begeistert von dem nachdenklichen Lied mit Volkslied-Flair, gesungen von der aus Berlin stammenden Hollywood-Schauspielerin und Sängerin. 

Sogar Pete Seeger zeigte sich entzückt: "Max Colpet schrieb eine deutschsprachige Version, die sich besser singen lässt als meine englische. Es klingt im Deutschen wirklich noch beeindruckender: ‚Sag mir, wo die Blumen sind.‘" 

Viele deutsche Musikerinnen und Musiker nahmen das Lied in ihre Repertoires auf. Ende der 70er-Jahren entdeckten Friedensbewegte es für sich; es wurde nun auf Demonstrationen, bei Sitzblockaden und an Lagerfeuern gesungen. Ein Grund für die Beliebtheit des Liedes könnte sein, dass es die richtigen Fragen stellt, ohne Antworten zu liefern. Und bei der letzten Frage bleibt sogar offen, wonach genau gefragt wird, was den Eindruck der Sinnlosigkeit dieses nicht enden wollenden Kreislaufs noch verstärkt: "Wann wird man je versteh’n?"  

Mehr Hintergrundinfos in Uwe Birnsteins Buch "Hits from Heaven . Wie die Songs des Friedens unsere Hoffnung nähren", Verlag Neue Stadt 2022, ISBN 978-3-7346-1285-5.