Die deutschen Leitmedien berichten viel häufiger über Gewaltdelikte von Ausländern, als es mit Blick auf Polizeistatistiken angemessen wäre. Zu diesem Ergebnis kommt eine Expertise des Journalismusprofessors Thomas Hestermann von der Hamburger Hochschule Macromedia, die der Berliner Mediendienst Integration am Freitag bei einem Pressegespräch vorgestellt hat.
Noch 2014 habe die Herkunft von Tatverdächtigen in den Medien "fast keine Rolle" gespielt, sagte Hestermann, der die Studie seit 2007 betreut. Die aktuelle Auswertung aus dem ersten Quartal 2025 zeige mit Blick auf die tatsächlichen Zahlen eine "so drastische Verzerrung wie noch nie". Laut Untersuchung nennt ein Viertel der Fernsehbeiträge, die über Gewalttaten berichten, die Herkunft der Tatverdächtigen. In 94,6 Prozent dieser Beiträge handle es sich dabei um ausländische Personen. Das Bundeskriminalamt weise jedoch in seiner Statistik für 2024 bei Gewaltverbrechen nur 34,4 Prozent der Tatverdächtigen als nichtdeutsch aus.
"Ausländische Tatverdächtige sind damit in den Medien etwa dreifach überrepräsentiert", so die Schlussfolgerung der Studie. Ein ähnliches Bild zeige sich bei den Printmedien: Ein Drittel der Beiträge lege die Herkunft der Tatverdächtigen offen, in 90,8 Prozent seien diese nichtdeutscher Herkunft.
Die Professorin für Kriminologie an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, Gina Wollinger, verwies auf die absoluten Zahlen: Von rund 12 Millionen in Deutschland lebenden Ausländern erfasse die Kriminalstatistik für 2024 etwa 700.000 Tatverdächtige ohne deutschen Pass. "Das bewegt sich im einstelligen Prozentbereich", betonte die Soziologin. Über 94 Prozent der Ausländer in Deutschland werde nicht straffällig. Der Forderung, durch die Begrenzung von Zuwanderung auch die Kriminalitätsrate zu senken, fehle somit die Grundlage. Sie sei außerdem abwegig: "Niemand käme auf die Idee, Geburtenraten senken zu wollen, weil die Jugendkriminalität so hoch ist", sagte Wollinger.
Die seit 1. Oktober geltende Anordnung des Bayerischen Innenministeriums, in Pressemitteilungen der bayerischen Polizei grundsätzlich die Herkunft der Tatverdächtigen zu nennen, betrachtete der Journalist und Sprecher des Deutschen Presserats, Manfred Protze, kritisch. Neben den Qualitätsmedien, die sich per Pressekodex auf ethische Grundlagen verpflichteten, würden Polizeimeldungen von verschiedensten Gruppen auch auf den "ethikfreien" Sozialen Medien genutzt, "die kein Problem mit Sippenhaft haben". Das setze die klassische Presse unter Druck, die sich dann gegen den Vorwurf wehren müsse, Fakten zu verschweigen.
Außer in Bayern sind auch die Polizeibehörden in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein verpflichtet, die Herkunft von Tatverdächtigen in ihrer Pressearbeit zu nennen. Damit wolle man für Transparenz sorgen, heißt es aus den jeweiligen Innenministerien auf Anfrage des Evangelischen Pressediensts (epd). In Nordrhein-Westfalen hat Innenminister Herbert Reul (CDU) laut Sprecherauskunft "die grundsätzliche Nennung der Staatsangehörigkeit" im November 2024 begrüßt. Wie sich das im seit 2011 geltenden Medienerlass widerspiegeln soll, werde derzeit noch geprüft.