Power-Frau will positiven Wandel gestalten

Danielle Dokman von der Evangelisch-Lutherische Kirche in Suriname
© Christiane Ehrengruber/EMW
Danielle Dokmanwar von der Evangelisch-Lutherische Kirche in Suriname
Porträt zum Welttag der Frauen
Power-Frau will positiven Wandel gestalten
Sie war eins der jüngsten Ratsmitglieder, die der Lutherische Weltbund (LWB) je hatte. Mit nur 22 Jahren wurde Danielle Dokman berufen und gestaltete sieben Jahre die Themen des LWB aktiv mit. In dieser Zeit reifte sie zu einer beeindruckenden Power-Frau und Pastorin und muss dennoch immer wieder Vorbehalte wegen ihres Alters überwinden.

Lichter tanzen auf ihren Brillengläsern, wenn sie spricht. Beinahe wie ein Spiegel der unbändigen Energie, die in Danielle Dokman lodert. Sie strahlt sie mit jedem Wort, jedem Blick, jeder Geste aus und dennoch in Balance mit großer Besonnenheit. Und das um gerade mal 7 Uhr morgens. "Der Tag fängt hier früh an. Zwei Hausarbeiten muss ich dieses Semester noch schreiben. Ich muss mich ranhalten, wenn ich meinen PhD-Abschluss in vier Jahren schaffen will", berichtet die 34-Jährige lachend.

Derzeit studiert die bereits ordinierte Pastorin nämlich in Minnesota, USA, um ihren geisteswissenschaftlichen Doktortitel (im anglo-amerikanischen Sprachraum PhD genannt) in Theologie zu machen. Thematisch hat es ihr hierbei besonders das Alte Testament mit seinen Propheten angetan. Denn das könnte etwas sein, das auch für ihre Arbeit als Pfarrerin und Theologin in Suriname, ihrem Heimatland, Relevanz hat, begeistert sich Dokman.

In Suriname sind beinahe 50 Prozent der Bevölkerung Christ:innen. Diese Zahl spaltet sich jedoch zu ungleichen Teilen in unterschiedliche Denominationen auf. Die Pfingst- und charismatischen Kirchen bilden den größten Teil, gefolgt von der Römisch-katholischen Kirche und der Moravian Church (Herrenhuter Brüdergemeine). Bereits mit großem Abstand schließen sich die Reformierte Kirche und die Lutherische Kirche an, zu der Danielle Dokman selbst gehört. Schließlich folgen mit noch geringeren Anteilen die Baptistische, die Anglikanische und die Methodistische Kirche.

Religiös noch diverser wird es, bezieht man die nicht christlichen Glaubensrichtungen mit ein. Hindus sind nach den Christ:innen die größte religiöse Gruppe, gefolgt von Muslim:innen und den Anhänger:innen des Winti, eine synkretistische Religion afrikanischen Ursprungs. Die Besonderheit von Winti ist zudem, dass es historisch tief in der surinamischen Kultur verwurzelt ist. Denn viele der heutigen Surinamer:innen leiten ihre Herkunft von früheren afrikanischen Sklav:innen ab. Sie brachten Winti bei ihrer Verschleppung nach Suriname durch die damalige niederländische Kolonialmacht mit.

Mitwirken und sich einbringen

Bis heute ist es daher so, dass viele Anhänger:innen anderer Religionen parallel auch Winti sind. In dieser Religion spielt das Übernatürliche und Prophetie durch spirituelle Geistwesen eine große Rolle. Nach Danielle Dokmans Einschätzung könnte dies einer der Gründe sein, warum in Suriname viele der ärmeren Menschen besonders für die Verkündigungen eines sogenannten Wohlstandsevangeliums einiger christlicher Freikirchen empfänglich sind. Gleichwohl vermutet sie auch, dass die traditionellen Kirchen in Bezug auf prophetischen Dienst zu wenig tun, um die Menschen ihrerseits abzuholen.

Mit ihrer PhD-Arbeit, die sich eben mit der biblischen Prophetie des Alten Testaments beschäftigen könnte, würde sie diesen gesellschaftlichen Strömungen, die sie in Teilen als bedenklich einschätzt, gern etwas entgegensetzen – wenn sie dieses Thema bei der Prüfungskommission durchbekommt. Denn noch ist sie ganz am Anfang ihrer Promotionsphase. Doch wie engagiert Dokman über dieses Thema spricht, zeigt wie sehr ihr ihr Land und die Menschen, die darin leben, am Herzen liegen – und man spürt, wie sehr sie sich wünscht, an positiven Veränderungen in Suriname mitzuwirken und sich einzubringen.

Suriname blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück: Von 1651 bis 1667 war es britische und anschließend bis 1954 niederländische Kolonie. Ab 1954 verwaltete es sich als Teil des Niederländischen Königreiches selbst. Seine endgültige Unabhängigkeit erhielt Suriname schließlich am 25. November 1975. Das Land wird als Demokratie regiert.

Als Danielle Dokman am 17. August 1988 in Paramaribo geboren wird, ist ein weiteres Kapitel Surinames bewegter Geschichte gerade abgeschlossen. Denn 1980 stürzt ein Putsch das Land bis 1987 in eine Militärdiktatur und große Instabilität. Morde an Oppositionellen, ein Guerilla-Krieg im Dschungel mit vielen Todesopfern und großer Zerstörung wurden zu Mitteln des Machterhalts. In der Folge verließen viele ausgebildete und begabte Menschen das Land, gingen ins Ausland und kehrten nicht zurück.

Dies hinterließ zum Teil große Lücken in der Gesellschaft Surinames. 1987 wurde auf internationalen Druck die Demokratie wiederhergestellt. Doch viele Militärs von damals behielten auch weiterhin politischen Einfluss. Beides, die Talentabwanderung und die fortbestehende politische Macht der Militärs, beeinflusst lange die Gesellschaft Surinames – teilweise bis heute.

Mit Talent und Tatkraft

Während Danielle Dokman heranwächst, zur Schule geht und in die lutherische Kirche, der zunächst ihr Vater und schließlich auch ihre Mutter angehört, hineinwächst, merkt sie davon wenig. Doch als sie mehr und mehr Verantwortung in der Kirche übernimmt und schließlich 2010, mit erst 22 Jahren, zum Ratsmitglied im Lutherischen Weltbund (LWB) für die Region Lateinamerika und die Karibik ernannt wird, ist sie vielen eigentlich noch zu jung. Doch sie hat Talent und Tatkraft und ist schließlich bereit, die Lücke zu füllen, die auch in ihrer Kirche entstanden ist.

Diese Entscheidung hat sie sich jedoch nicht leicht gemacht. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits Studentin – allerdings der Soziologie. Denn obwohl Dokman sich von Gott in die Kirche gezogen fühlt, hadert sie mit der Frage, Pastorin zu werden. Sie überlegt sogar, ob sie Teil dieser Kirche bleiben will, die zu dieser Zeit eine schwierige Phase mit internen Kämpfen durchmacht.

Danielle Dokman von der Evangelisch-Lutherische Kirche in Suriname (Archivbild von 2017).

Innere Kämpfe hat auch Danielle Dokman auszufechten: "Bin ich gut genug? Habe ich etwas zu sagen? Bin ich berufen, nicht nur den Menschen Surinames, sondern einer viel größeren Region zu dienen?" Sie entscheidet sich, wenn auch zögernd, für das Amt und das Abenteuer im Lutherischen Weltbund. Eine Entscheidung, die sie als die bisher "großartigste Entscheidung" ihres Lebens bezeichnet.

Es ist die Arbeit im Rat des Weltbundes, die etwas mit ihr macht und ihr die nötige Gewissheit gibt, Pastorin zu werden, so dass sie 2012, parallel zum Engagement als Ratsmitglied und dem Soziologie-Studium in Suriname, beginnt, in Jamaika angewandte Theologie und Gemeindepädagogik zu studieren. "Es war in einer Ratssitzung, als mir plötzlich klar wurde", erklärt Dokman, "Gott ruft mich, Pastorin zu werden". Diesem Ruf folgt sie direkt noch während ihres Studiums: Als Studierenden-Pastorin übernimmt sie in Jamaika zunächst in der Anglikanischen Kirche und dann in der Methodistischen Kirche während ihrer gesamten Studienzeit regelmäßig Gottesdienste.

Wie lang ist frau eigentlich zu jung?

Sieben Jahre lang ist Danielle Dokman Ratsmitglied im LWB. Sie übernimmt von 2014 bis 2016 sogar den Vorsitz der Unterkommission für Mission und Entwicklung und schließt während dieser Zeit nicht nur ihr Soziologie-Studium (Bachelor 2014), sondern auch ihr Studium in Angewandter Theologie (Master 2016) und Gemeindepädagogik (Diplom 2016) ab. Als sie direkt im Anschluss 2016 mit nur 28 Jahren ordiniert wird, ist sie vielen, trotz ihrer umfangreichen Erfahrung, erneut zu jung.

"Das war wirklich sehr merkwürdig. Im LWB wurde mir vermittelt, dass ich eine wichtige und wertvolle Person bin. Mir wurden alle möglichen Rollen übertragen und meine Stimme wurde geschätzt. Und zurück in Suriname bekomme ich trotz meiner umfangreichen Erfahrung, die ich gesammelt habe, wegen meines jungen Alters meine Fähigkeiten abgesprochen. Gerade in meiner Anfangszeit im Pfarrberuf ging das nicht ohne Kämpfe ab."

Inzwischen ist Dokman ruhiger, aber nicht weniger umtriebig geworden. Bevor sie ihr PhD-Studium in Minnesota begann, betreute sie in Suriname zwei Gemeinden als Pastorin und lehrte am Theologischen Seminar der Herrenhuter Systematische Theologie, Griechisch, Exegese und Homiletik. Wenn sie aus Minnesota zurück ist, wird sie vieles davon wieder aufnehmen.

Sie hofft, dass noch viele weitere spannende Aufgaben vor ihr liegen und sie ihre im Umbruch befindliche Heimat positiv mitgestalten kann. Und wenn man ihr zuhört und dabei die Lichter auf ihrer Brille tanzen, ist man sich sicher: Danielle Dokman wird noch viel erreichen, ihr Alter spielt keine Rolle.

evangelisch.de dankt der Evangelischen Mission Weltweit für die inhaltliche Kooperation.