Wie finden queere Menschen Halt im Glauben?

Regenbogen Socken in Turnschuhen
© Birgit Arndt / fundus-medien.de
Fünf junge, queere Menschen berichten auf evangelisch.de über ihren Weg mit dem christlichen Glauben und der Kirche.
Trotz negativer Erfahrungen
Wie finden queere Menschen Halt im Glauben?
Jung, queer und gläubig? Für viele Menschen scheint das ein Widerspruch zu sein. Doch queer sein und an Gott glauben muss sich überhaupt nicht ausschließen - die Evangelische Kirche in Deutschland heißt alle Menschen gleichermaßen willkommen. Leider machen manche queere Menschen immer noch schlechte Erfahrungen, wenn sie mit anderen Christ:innen über Gott sprechen. Kann also der Glaube die Resilienz queerer Menschen festigen? So dass der Glaube die eigene Identität und Sexualität stärkt und nicht in Frage stellt? Fünf junge Menschen geben darauf eine Antwort.

Anna (19): Ich wurde religiös erzogen und glaube auch an Gott. Ich habe aber immer mehr das Bedürfnis mich von Kirche zu distanzieren, weil es viele Dinge gibt, die nicht gut laufen. Dabei wurde ich bisher von allen Personen in meinem Umfeld akzeptiert und hatte nie ein Problem zu mir zu stehen. Mein Glaube ist mein Rückzugsort, wenn ich mal nicht mehr weiterweiß. Glauben und queer sein sind keine Widersprüche, egal was andere Leute sagen. Gott liebt uns so, wie wir sind.

Jini (17): Mein Glaube spielt in meinem Leben eine sehr große Rolle. Er begleitet mich täglich und ist elementar für mein Handeln und mein Umgang mit anderen. Ich habe mich selbst für Gott und meinen Glauben entschieden. Als queerer Mensch habe ich sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit Kirche gemacht. Ich habe schon von anderen Christ:innen Lektüren zu Konversionstherapien bekommen und von Menschen gehört, dass Gott mich so nicht liebt. Ich hatte Religionslehrer:innen, die gesagt haben, dass sie es ekelhaft finden, wenn Pfarrer Männer und Pfarrerinnen Frauen heiraten. Es gab aber auch Kontexte, wie in der Evangelischen Jugend oder meiner eigenen Gemeinde, wo es nie ein Problem war. Wo man das Gefühl hat, die Menschen haben sich mit dem Thema beschäftigt und man ist willkommen. Das ist gut, denn ich hatte lange Angst, dass alle Recht haben und ich niemals von Gott geliebt werden und in den Himmel kommen kann. Inzwischen glaube ich, dass Gott mich liebt, no matter what. Und weil ich glaube, dass wir nach Gottes Ebenbild geschaffen sind, glaube ich auch das Gott selbst queer ist. Queer sein und Glaube sind dabei keine Widersprüche, auch wenn das viele Menschen immer noch so sehen und es zu wenige sichere Orte in Kirche für queere Menschen gibt. Denn Menschen respektvoll nach ihren Pronomen zu fragen, kann auch schon Nächstenliebe sein.

Karo: Ich verstehe mich als Atheist:in. Ich fahre aber hin und wieder nach Taizé und setze mich in diesem Kontext mit meinem individuellen Glauben auseinander. Die Institution Kirche und alles, was damit im Zusammenhang steht, spielt keine große Rolle in meinem Leben. Ich habe viel Konfrontation und Zurückweisung von glaubenden Menschen erlebt. Die waren aber heteronormativ und konservativ sozialisiert. Mein Glaube und meine queere Identität hängen für mich auch nicht zusammen, trotzdem kann ich in manchen Momenten im Glaube Kraft und Ruhe finden.

Stella (25): Mein Glaube gibt mir Halt und Haltung. Er begleitet mich in ganz verschiedenen Lebenslagen. Im persönlichen, als Teil meines Hobbys und Berufs und er prägt mein Miteinander mit anderen Menschen und meinen Blick auf die Welt. Ich glaube, dass jeder Mensch unterschiedlich und von Gott geliebt ist. Weil ich selbst queer bin, kenne ich die Angst davor, ausgeschlossen zu sein und diskriminiert zu werden. Dabei prägen sowohl das queer sein als auch das Christin-Sein, meine offene Haltung sehr. Ich fühlte mich von Gott immer in meiner queeren Identität angenommen und konnte im Glauben Halt finden und mich ungeoutet weniger allein fühlen. Dabei kenne ich kein Umfeld mit so vielen Queers und so viel Mut, Offenheit auszudrücken und Vielfalt zu feiern, wie die Evangelische Jugend. Ich wurde zum Glück immer angenommen, wie ich bin. Sehe aber oft, dass das nicht immer so läuft. Ich erlebe stärkende Momente in Ritualen rund um den Glauben und vor allem in der Gemeinschaft, die mit meinem Glauben zusammenhängt. Coole Gottesdienste, Jugendgruppen, Austausch in Kirche und viel mehr geben mir Stärke und Zuversicht. Ich wünsche mir mehr Zuhören und Offenheit sowohl von Christ:innen queeren Menschen gegenüber als auch von Queers der Kirche gegenüber. Es tut sich viel und ich glaube es könnte sich noch mehr tun, wenn jeder Schritt gesehen wird. Es gibt queere Menschen in der Kirche und somit ist Kirche queer. 

Lars (26): Der "Glaube", im klassischen Sinne, spielt eine eher geringe Rolle in meinem Leben. Das, was ich für und mit der evangelischen Jugend tue, mache ich für und mit den Menschen. Ich finde die Grundsätze des Glaubens sehr wichtig für einen zwischenmenschlichen Umgang, aber der Mensch sollte im Zentrum stehen. Für mich hängen mein Glaube und mein queer sein nicht unbedingt zusammen, aber ich finde es wichtig, dass wir als evangelische Jugend Queerness als politisches Thema ganz vorne anstellen. Am wichtigsten ist mir, dass Menschen wissen, dass sie super sind. Jede Vorliebe, jede sexuelle Identität und alles andere gehören dazu. Liebe(n) und sein, wie man ist, ist das Schönste, was wir haben.

Die Namen der Interviewpartner:innen sind der Redaktion bekannt. Sie möchten jedoch anonym bleiben.