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Politik und Religion
Religion ist immer politisch
Die Debatte um die politische Rolle der Religion wurde jüngst durch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner neu entfacht. Sie kritisierte die Kirchen für ihr Engagement in tagespolitischen Fragen und forderte eine Rückbesinnung auf Seelsorge und spirituelle Aufgaben. Dem entgegneten Politiker*innen aus ihrer eigenen Partei, dass das Christentum immer politisch gewesen sei, mit Verweis auf soziale Gerechtigkeit, Nächstenliebe und den Einsatz für Benachteiligte.
Diese Auseinandersetzung offenbart einen grundlegenden Konflikt: Soll Religion primär spirituell oder auch gesellschaftlich wirksam sein? Beim Islam scheint die Antwort vielen klar: Religion ja, Politik nein. Doch dieser Reflex ist stark geprägt durch die Auseinandersetzung mit dem Islamismus, einer Ideologie, die Staat und Gesellschaft nach religiösen Normen zu formen sucht. "Der Islam ist Dawla wa Din" (Staat und Religion) lautete das Credo islamistischer Bewegungen.
In Europa erleben wir heute subtilere Formen des politischen Islams: keine offenen Umsturzpläne, aber Versuche, Gesellschaftsteile oder Institutionen im Sinne bestimmter religiöser Vorstellungen zu beeinflussen – Vorstellungen, die teils im Widerspruch zu Demokratie, Menschenrechten und individueller Freiheit stehen. Hier beginnt der problematische politische Islam.
Doch es braucht Differenzierung: Ein gesellschaftliches Engagement von Muslim*innen, das sich an demokratischen Werten orientiert und für Umweltschutz, Frauenrechte oder soziale Gerechtigkeit eintritt, ist nicht nur legitim, sondern bereichernd. Politische Partizipation aus religiöser Motivation ist nur dann problematisch, wenn sie gegen die Grundwerte einer freien Gesellschaft gerichtet ist.