Komponisten "verfemter" Musik bekannt machen

Volker Ahmels und Friederike Haufe am Klavier
© Oliver Borchert
Volker Ahmels und Friederike Haufe spielen Werke ein von Komponisten, die von den Nationalsozialisten verfolgt oder ermordet worden sind. Die Stücke waren damals verboten. Die neue CD heißt: "d.k.stolen melodies – Dick Kattenburg Piano Works".
Holocaust Gedenktag
Komponisten "verfemter" Musik bekannt machen
Das Zentrum für "Verfemte Musik" an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater will die Komponist:innen, die Opfer der Gewaltherrschaft des NS-Regimes wurden, bekannt machen und ihre in Vergessenheit geratenen Werke aufführen lassen.

Das Zentrum für "Verfemte Musik" an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater (HMT) feiert am Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar) sein 15-jähriges Bestehen. Der Leiter des Zentrums, Volker Ahmels (61), informierte im Gespräch mit dem epd auch darüber, was die Einrichtung bislang erreichte und welche Pläne es gibt.

epd: Welche Beweggründe gab es für die Gründung des Zentrums?

Volker Ahmels: Die Komponistinnen und Komponisten der sogenannten Klassischen Moderne, die Opfer der Gewaltherrschaft des NS-Regimes wurden, sollen in der Öffentlichkeit wieder bekannt gemacht und ihre in Vergessenheit geratenen Werke wiederentdeckt und aufgeführt werden. Dafür soll das Zentrum den HMT-Studierenden geregelt künstlerische und pädagogische Angebote machen.

Welche Angebote sind das konkret?

Ahmels: Beispielsweise haben wir Konzertreisen und Exkursionen mit Studierenden organisiert. Es gab regelmäßige wissenschaftliche Ringvorlesungen und Seminare. In den ersten Jahren waren noch viele persönliche Begegnungen mit Zeitzeugen möglich. Diese Begegnungen haben mich immer sehr beeindruckt. Teilweise konnten junge Studierende ihre Karriere mit Musik von verfolgten Komponisten ausbauen.

Mit HMT-Studierenden, die aus der Ukraine geflüchtet sind, habe ich im vergangenen Semester eine Veranstaltung mit Musik des jüdischen Komponisten Ignace Lilien (1897-1964) organisiert. Der aus Lemberg (heute: Lwiw/Ukraine) stammende Komponist emigrierte im Ersten Weltkrieg nach Holland, konnte dann nicht wieder zurückkehren und überlebte dann von den Nazis verfolgt den Zweiten Weltkrieg.

Kommt denn jeder HMT-Studierende mit dem Zentrum für "Verfemte Musik" in Kontakt?

Ahmels: Das ist nicht verpflichtend. Wir machen Angebote. Doch die Studierenden sind sehr aufgeschlossen. So haben beispielsweise Sängerinnen und Sänger großes Interesse an Liedern aus dieser Zeit.

Aber ein großer Teil Ihrer Tätigkeit ist die Forschung?

Ahmels: Das würde ich nicht sagen. Ich bin ja auch Pianist. Mit Friederike Haufe habe ich die erste Ausgabe der Klavierwerk-Noten für Klavierduo des niederländisch-jüdischen Komponisten Dick Kattenburg (1919-1944) völlig überarbeitet. Das gesamte Klavierwerk für vier Hände wurde in der Corona-Zeit in der Hochschule eingespielt und als CD und im Internet veröffentlicht. Der 1944 in Auschwitz ermordete Komponist Dick Kattenburg wurde nur 25 Jahre alt. Seine Musik verdient auch zukünftig weiter große Beachtung.

Das Selbstportrait des jüdischen Komponisten von Dick Kattenburg  stammt von 1937.  Seine Klavierstücke wurden vom Zentrum für "Verfemte Musik" neu eingespielt und werden endlich wieder gehört.

Ahmels: Wir haben darüber hinaus ein künstlerisch wissenschaftliches Team gebildet und nach zweijähriger Arbeit das Rondo für Klavier von Ingolf Dahl (1912-1970) fertiggestellt. Das im Jahr 1938 komponierte Rondo blieb in der ersten Version unvollendet und wurde dann 2017 in der neuen Version uraufgeführt. Also das war eine wissenschaftliche Arbeit, die dann als kritische Ausgabe veröffentlicht wurde.

Welche neuen Projekte gibt es?

Ahmels: Ich habe im vergangenen Jahr mit Partnern aus Luxemburg eine Kooperation begonnen. In Cinqfontaine wurde im Auftrag des Staates Luxemburg ein Erinnerungszentrum gegründet an der Stelle, wohin die luxemburgischen Juden deportiert wurden. Dort dürfen HMT-Studierende im Rahmen von Workshops in einem Preisträgerkonzert mitwirken. Weitere Kooperationen mit der HMT sind geplant.

Wir haben insbesondere auch mit der Wiener Musikuniversität ganz regelmäßige Austauschprojekte. Auch mit den Niederlanden gibt es gemeinsame Vorhaben. Außerdem bereiten wir zum Thema "Filmmusik" ein Symposium vor, das im Oktober 2023 im Rahmen des Schweriner Festivals für verfemte Musik stattfinden soll.

Welche Aufgaben sehen Sie für die Zukunft?

Ahmels: Es gibt noch einiges zu tun, damit junge, angehende Profi-Künstler Musik von in der NS-Zeit verfemten Komponisten ganz homogen in ihr Repertoire aufnehmen. Die Offenheit an der HMT für diese Musik ist aber ganz klar gegeben.

Wie sieht es beispielsweise mit den Lehrplänen für den schulischen Musikunterricht aus?

Ahmels: Ich wurde zur Mitwirkung bei einem Schulbuchprojekt zum Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) eingeladen, dabei zu sein. Das wird ein umfangreiches Buch, was hoffentlich bald erscheinen wird.
Außerdem erreichen mich regelmäßig Anfragen, Unterstützung für die Gestaltung von Konzertprogrammen zu geben. Als allgemeines Konzertveranstaltungszentrum können wir allerdings nicht agieren. Aber bei der Ideenfindung oder der Vernetzung helfe ich gern.