Das Lied, das die Waffen zum Schweigen brachte

Schwarz-Weiß-Portrait von Lale Andersen
© epd-bild/akg-images/Horst Maack
Vor 50 Jahren am 29. August starb Lale Andersen in Wien und wurde auf der Nordseeinsel Langeoog beigesetzt.
Vor 50 Jahren starb Lale Andersen
Das Lied, das die Waffen zum Schweigen brachte
Egal ob Berlin, Paris oder London - überall sind die Strophen bekannt, die zu einem der berühmtesten Lieder des vergangenen Jahrhunderts gehören: Mit "Lili Marleen" avancierte Lale Andersen zum Weltstar und rührte überall Menschen zu Tränen.

Die Liedzeile ist unvergessen: "Vor der Kaserne, vor dem großen Tor, stand eine Laterne und steht sie noch davor." Mit ihrer unverwechselbaren Altstimme singt die gebürtige Bremerhavenerin Lale Andersen 1941 über den Äther des deutschen Soldatensenders in Belgrad das Lied von Lili Marleen. Das war der Durchbruch für die kühle blonde Chanson-Sängerin aus dem Norden, die mit den Strophen von Abschied und Sehnsucht ein Weltstar wurde. Vor 50 Jahren, am 29. August 1972, starb Lale Andersen in Wien.

Unter dem Namen Liese-Lotte Bunnenberg wird Lale Andersen am 23. März 1905 in Bremerhaven als Tochter eines Schiffsstewards geboren. Im Alter von 17 Jahren heiratet sie den Maler Paul Ernst Wilke, mit dem sie drei Kinder bekommt. Doch das Familienleben ist nichts für sie, die junge Mutter zieht es auf die Bühne.

Sie nimmt Schauspiel- und Gesangsunterricht, verlässt schließlich ihre Familie und geht nach Berlin. Dort, im "Groschen Keller", einer Schankwirtschaft mit durchaus schillerndem Ruf, tritt sie 1931 erstmals auf. Bald legt sie sich den Künstlernamen Lale Andersen zu und nimmt 1939 in den Berliner Electrola-Studios "Lili Marleen" auf, das "Lied eines jungen Wachtpostens".

Ursprung ist ein sentimentales Gedicht des Gardefüsiliers Hans Leip (1893-1983), den im April 1915 auf Wachtposten in der Berliner Maikäferkaserne eine dumpfe Todesahnung beschleicht, weil er an die Front soll. Er hatte sich schon von der dunkelhaarigen Lili verabschiedet, dann von der blonden Marleen. Beide verschmelzen in seinen Versen zu einer Figur, als er nach seiner Ablösung aufschreibt, was er fühlt: "Vor der Kaserne, vor dem großen Tor…"

In der Vertonung von Norbert Schultze (1911-2002) und in der Interpretation von Lale Andersen wird das Lied zu einem Welthit, das Soldaten verbindet. Allabendlich, zum Sendeschluss des Wehrmachtsenders in Belgrad, verbreiten sich Melodie und Text schnell über ganz Europa, rühren Soldaten grenzübergreifend zu Tränen. "Sie konnte den Text so interpretieren, dass da eine Riesensehnsucht dahintersteckte, die die Menschen verstanden haben", erinnert sich Fan und Sammler Bernd Lühring 2007 in einer ARD-Dokumentation über Lale Andersen.

Obwohl das NS-Regime das Lied wegen seiner "morbiden und depressiven" Strophen vorübergehend verbietet und Lale Andersen zeitweise wegen ihrer Kontakte zu Schweizer Juden nicht auftreten darf, geht die Erfolgsgeschichte von "Lili Marleen" weiter. "Es war einfach ein schönes, liebliches Lied für Menschen, die im Krieg waren", erinnert sich in dem Dokumentarfilm Trevor Hill, Musikredakteur der British Forces Network (BFN).

Eine Ikone der Völkerverständigung

Aber nicht nur das, denn offensichtlich verbinden die Strophen, mittlerweile vielfach übersetzt, Soldaten nationenübergreifend in ihren Ängsten und Sehnsüchten. Regelrecht zum Mythos werden das Lied und seine Sängerin an der Front in Nordafrika, wo die Soldaten des deutschen Afrikakorps und der 8. Britischen Armee gegeneinander kämpfen. "Der Krieg hörte auf für die Zeit, in der sie Lili Marleen sangen", berichtet der englische Veteran Stan Scott in der Dokumentation.

Nach dem Krieg wird die Sängerin mit ihrem herben Timbre endgültig zu einer Ikone der Völkerverständigung: In Düsseldorf stimmt sie 1956 vor 16.000 Veteranen des Afrikakrieges unterschiedlicher Nationen "Lili Marleen" an - und alle ehemaligen Soldaten singen in ihrer Sprache mit.

Da gehört das Lied schon zu ihr wie ein Schatten. Lale Andersen erhält waschkörbeweise Fanpost aus der ganzen Welt, adressiert an Lili Marleen. Es wird die erste deutsche Schallplatte, die im Verkauf die Millionengrenze überschreitet. Und auch später nach dem Krieg ist die Sängerin mit weiteren Chansons und Seemannsliedern wie "Ein Schiff wird kommen" erfolgreich.
1949 heiratet sie den Schweizer Komponisten Arthur Beul und bleibt ihm bis zuletzt verbunden. Schon vorher entdeckt sie für sich die Nordseeinsel Langeoog als Rückzugsort und zweite Heimat. Bis zu ihrem Tod verbringt sie den wärmeren Teil des Jahres auf ihrem "Sonnenhof", auf dem Inselfriedhof ist sie begraben.

Langeoog hat ihr ein Denkmal gesetzt. Es zeigt Lili Marleen, mit dem Rücken an eine Laterne gelehnt.