TV-Tipp: "Der Flensburg-Krimi: Der Tote am Strand"

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Donnerstag, 25. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Flensburg-Krimi: Der Tote am Strand"

Neue Reihen müssen Impulse setzen, die sie von anderen unterscheiden. Bei den Donnerstagskrimis im „Ersten“ ist das vor allem der Schauplatz, der bis auf „Nord bei Nordwest“ stets auch den auch den Titel prägt: Zürich, Barcelona, Kroatien, Usedom; und nun Flensburg. Die ungleich größere Herausforderung besteht jedoch in der Suche nach einem zentralen Duo, das nicht dem Muster „Alter weißer Mann plus junge Frau mit Migrationshintergrund“ entspricht. Trotzdem soll die Paarung natürlich divers sein, das ist mittlerweile quasi Voraussetzung. Für ihren gemeinsamen „Flensburg-Krimi“ kombinieren der NDR und die ARD-Tochter Degeto daher eine lesbische weiße Frau und einen etwa gleichaltrigen schwarzen Kollegen.

Was zunächst nach Reißbrett klingt, entpuppt sich in der Umsetzung als reizvoll und unterhaltsam, weil gerade Eugene Boateng, ohnehin in erster Linie durch (Tragi-)Komödien wie „Annie – kopfüber ins Leben“ oder „Werkstatthelden mit Herz“ bekannt, seine Rolle cool und lässig verkörpert: Antoine Haller hat ein Problem mit Hierarchien und tut sich schwer damit, die ranghöhere Svenja Rasmussen als Vorgesetzte zu akzeptieren. Dass sie eine Frau ist, hat damit nichts zu tun; sagt er. Katharina Schlothauers Rolle wiederum lebt vor allem von zwei Vorgeschichten: Bei ihrem letzten Einsatz als Hamburger Kripokommissarin hat sich ein Raubmörder vor ihren Augen erschossen. Sie lässt sich nach Flensburg in ihr früheres Revier versetzen, weil Vater Morten (Uwe Rohde) erhebliche psychische Probleme hat, seit sich sein Sohn ebenfalls das Leben genommen hat: Svenjas Bruder war ebenfalls Polizist, hatte jedoch Schulden und hat daher mit beschlagnahmtem Rauschgift gehandelt. Selbstverständlich wird die Kommissarin gegen Ende erneut mit dem traumatischen Erlebnis vom Anfang konfrontiert.

Gemessen an diesen Rahmenbedingungen ist der eigentliche Fall auf den ersten Blick eine gewöhnliche Krimistory (Drehbuch: Stephan Wuschansky): Der titelgebende Tote am Strand entpuppt sich als dänischer Staatsbürger. Christian Rommedahl hat mit einem Freund und Kollegen eine Schiffswerkstaat betrieben und mit gebrauchten Ersatzteilen gehandelt. Gemäß der üblichen Routine („Wo waren Sie…?“) befragen Rasmussen und Haller zunächst die Ehefrau und den Partner, bis sich schließlich rausstellt, dass Rommedahl aus einem ganz anderen Grund in Flensburg war. Die Spur führt zu einem verwitweten Familienvater, Philipp Schaaf (Max von Pufendorf); aber warum hatte der Däne auf seinem Smartphone Fotos von Schaafs halbwüchsiger Tochter? Die Antwort auf diese Frage ist gleichzeitig auch die Lösung für ein Verbrechen, das viele Jahre zurückliegt und nie aufgeklärt worden ist.

Die Umsetzung des Drehbuchs haben die Verantwortlichen Janis Rebecca Rattenni anvertraut. Die Inszenierung ihres Fernsehfilmdebüts nach diversen Serienfolgen zeichnet sich neben der guten Arbeit mit dem Ensemble vor allem durch die Vielfalt der atmosphärischen Vorzeichen aus. Der Prolog, als Rasmussen den Raubmörder stellt, ist auch dank der Action-Musik (Michael Klubertanz) fesselnd  wie ein Thriller. Die Szenen mit dem zentralen Duo haben dagegen wegen der unterschwelligen Dissonanzen einen heiteren Tonfall, für den in erster Linie Boateng zuständig ist. Der in Düsseldorf geborene Sohn ghanaischer Einwanderer ist auch als Tänzer erfolgreich und kürzlich als Hauptdarsteller des aktuellen Kinofilms „Borga“ mit dem Deutschen Schauspielpreis ausgezeichnet worden. Schlothauer, trotz ihrer bemerkenswerten Leistung als Titeldarstellerin des ZDF-Zweiteilers „Dina Foxx – Tödliches Spiel“ (2014) meist nur als Gastschauspielerin in Reihen und Serien verpflichtet, verkörpert ihre Rolle dagegen betont kühl; das „Du“ des Kollegen lehnt die Hauptkommissarin ebenso dankend ab wie seine regelmäßigen Wettangebote. Ähnlich distanziert begegnet sie ihrer früheren Freundin (Iris Becher); dass sich Streifenpolizistin Ina über ihre Rückkehr freut, nimmt sie allenfalls zur Kenntnis. Immerhin stellt Kollege Haller anerkennend fest, dass sie den gleichen Frauengeschmack haben.

Sehr berührend sind dagegen die Auftritte von Rasmussen senior. Der alte Morten hat in seinem Haus sämtliche Glühbirnen entfernt. Das Kerzenlicht verleiht den Bildern zwar eine heimelige Behaglichkeit, aber es gibt immer wieder irritierende Momente. Außerdem sorgt der pensionierte Polizist für einen Schluss, der neue Fragen zum Tod seines Sohnes aufwirft. Ob aus dem „Flensburg-Krimi“ tatsächlich eine Reihe wird, hängt jedoch davon ab, wie gut der Film beim Publikum ankommt.