TV-Tipp: "Geliefert"

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27. August, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Geliefert"
Der Paketbote aus "Geliefert" ist ein Durchschnittstyp: Volker (Bjarne Mädel) gehört zu den vielen Menschen, die sich Tag für Tag im Hamsterrad ihres Jobs abstrampeln und doch nicht von der Stelle kommen.

Um sich und seinen 16-jährigen Sohn Benny (Nick Julius Schuck) zu ernähren, schuftet der frühere Fußballtrainer zwölf Stunden am Tag für einen Hungerlohn als Zusteller bei einem Regensburger Paketdienst. Abends darf er sich dann auch noch die Gemeinheiten seines unsympathischen Chefs (Stefan Merki) anhören.

Die muntere Musik (Arash Safaian) signalisiert Komödie, aber was die Bilder zeigen, ist nicht lustig. Jan Fehse (Buch und Regie) macht zwar kein Drama draus, doch wer sieht, wie Volker schwere Pakete in oberste Stockwerke schleppt (und oft genug auch wieder runter), wird sich beim nächsten Mal vielleicht überlegen, ob Einkaufen im Einzelhandel nicht doch die bessere Alternative ist. Einige Szenen sind so absurd, dass sie vermutlich wahr sind: Ein Mann kauft seinen Wein nicht in der Weinhandlung im Erdgeschoss, sondern bestellt die Ware zum selben Preis online, damit er nicht die Kisten schleppen muss; da platzt selbst dem gutmütigen Volker der Kragen.

Es ist keine große Geschichte, die Fehse erzählt, aber gerade das macht den Film sehenswert, zumal Bjarne Mädel seine Rolle wie stets mit viel Empathie verkörpert. Weil das Geld hinten und vorne nicht reicht – Gemüse besorgt Volker im Supermarktcontainer –, genügt eine zusätzliche Herausforderung, um die Dinge auf die Spitze zu treiben. Da Bennys Abschluss gefährdet ist, macht Volker ihm einen Vorschlag: Wenn der Sohn die Prüfungen besteht, treibt der Vater irgendwie das Geld für die Klassenfahrt nach Mallorca auf. Das ist gewissermaßen der Anfang vom Ende seiner moralischen Integrität: Erst lässt er sich auf einen Nebenjob ein, den er während der Arbeitszeit erledigt, dann klaut er Geld bei einer verstorbenen alten Frau, und als wolle ihn das Schicksal bestrafen, geht nun alles schief: Führerschein weg, Sprunggelenk kaputt, fristlos gekündigt.

Der frühere Kameramann Jan Fehse hat die letzten vier Episoden der Krimireihe "München Mord" und zuvor einen nicht minder guten Beitrag zum "Spreewald-Krimi" (alle ZDF) gedreht. Abgesehen von der klamaukigen Kinokomödie "Unter deutschen Betten" mit Veronica Ferres waren seine Regiearbeiten bislang durchgehend mindestens sehenswert, allen voran das Fernsehfilmdebüt "Storno - Todsicher versichert" (2015), eine herrlich schräge Heimatgroteske über die haarsträubenden Erlebnisse eines Versicherungsvertreters. In diesem Stil hätte Fehse auch "Geliefert" inszenieren können, zumal in vielen Situationen ein anderer Tonfall genügt hätte, um aus Volkers Alltag eine Realsatire zu machen. Dass sich Fehse dennoch fürs Drama entschieden hat, lässt den Film zu einem Denkmal für die Mühseligen und – in diesem Fall buchstäblich – Beladenen werden.

Filmisch ist "Geliefert" über weite Strecken unauffällig, weshalb Szenen wie jene, als Volker aus dem Krankenhaus heimkommt und der Kamera scheinbar ohne Schnitt immer einen Schritt voraus ist, umso mehr aus dem Rahmen fallen. Deutlich aufwändiger ist dagegen der Handlungsreichtum: Die Geschichte mag überschaubar sein, aber der Paketbote klingelt an sehr, sehr vielen Türen, und was er dabei erlebt, ist oft ulkig oder rührend: mal öffnet ihm Prinzessin Lillifee, die von Fremden aber nichts annehmen darf, mal sorgt er dafür, dass eine einsame alte Dame wieder Licht im Bad hat. Volker ist ohne jede Frage ein guter Mensch, der sich ein einziges Mal als Trainer nicht unter Kontrolle hatte; das war das Ende seiner Karriere. Dieses Ereignis handelt Fehse jedoch eher beiläufig ab. Sein Drehbuch kommt ohnehin oft bloß mit Andeutungen aus, die jedoch völlig genügen, um zum Beispiel von Volkers Freundschaft zu einer Polizistin (Anne Schäfer) zu erzählen; Lena, die Frau seines verstorbenen besten Freundes, ist der einzige Lichtblick in seinem Leben. "Bleib’, wie du bist", sagt sie gegen Ende zu ihm: "Von den anderen gibt’s schon genug". Und weil das so ist, vergönnt Fehse seinem Antihelden einen Filmschluss, der zumindest Raum für ganz viel Hoffnung lässt.