Nikolaus Schneider: Profilierter Teamplayer statt Ikone

Nikolaus Schneider: Profilierter Teamplayer statt Ikone
Am Tag fünf nach dem Käßmann-Rücktritt sieht der Schreibtisch von Nikolaus Schneider erstaunlich aufgeräumt aus. Dabei ist der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seither kaum zum Luftholen gekommen.
01.03.2010
Von Ingo Lehnick

Schneider übt sich in seiner neuen Rolle - und im Spagat zwischen seinen Aufgaben: Samstag EKD-Ratssitzung in Tutzing, Sonntag Einführung neu gewählter Mitglieder seiner rheinischen Kirchenleitung in Düsseldorf. Am Montag reicht es zwischen einer Pressekonferenz zum Kulturhauptstadt-Jahr und der Konferenz der rheinischen Superintendenten für eine Suppe im Stehen.

Dabei stehen die größten Veränderungen für den 62-jährigen Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland noch bevor. Den Terminplan der bisherigen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann für die nächsten Wochen und Monate etwa kennt Schneider bislang kaum. Doch das nimmt der leitende Theologe der zweitgrößten deutschen Landeskirche mit ihren gut 2,8 Millionen Mitgliedern gelassen hin. Schneider weiß, dass die Kirche ihn jetzt braucht - und geht die Aufgabe beherzt an. "Inzwischen komme ich so langsam im Amt des amtierenden Ratsvorsitzenden an", sagt er.

Unverwechselbare Stimme des Protestantismus

Allen Beteiligten ist klar, dass der erfahrene Theologe, der seit Jahren Spitzenämter in der EKD ausfüllt, zwar zunächst nur bis November amtiert, wenn die Synode über den künftigen Ratsvorsitzenden abstimmt. Ebenso klar ist aber auch, dass an Schneider dann kein Weg vorbei führt. Am deutlichsten formulierte dies öffentlich die Präses der EKD-Synode, die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt: Schneider übe sein Amt an der Spitze der EKD "mit Klarheit und Tatkraft" aus und werde mit seiner sozialethischen Kompetenz die unverwechselbare Stimme des Protestantismus in die Gesellschaft bringen, formulierte sie und fügte hinzu: Eine Zusammenarbeit über den Herbst hinaus würde sie "persönlich sehr freuen".

Andere weisen darauf hin, dass sich eine andere Wahl nur schwerlich mit Kontinuität vereinbaren ließe: Auf Wolfgang Huber, Margot Käßmann und Nikolaus Schneider würde dann in nicht einmal 13 Monaten eine vierte Persönlichkeit oberster Repräsentant der 25 Millionen Evangelischen in Deutschland. Für Schneider spricht auch sein Wahlergebnis auf der letzten EKD-Synode im Oktober in Ulm. Die Wiederwahl in den Rat, dem er seit 2003 angehört, gelang dem leitenden Theologen der rheinischen Kirche bereits im zweiten Wahlgang - nach Käßmann, aber deutlich vor den anderen leitenden Geistlichen. Einige von ihnen waren mit Ambitionen auf den Ratsvorsitz gestartet.

Käßmann selbst hielt sich zwar öffentlich mit Bewertungen ihres Stellvertreters zurück, war aber hoch zufrieden mit der Zusammenarbeit. Schneider habe sie von Anfang entlastet, einen besseren Vize habe sie sich kaum wünschen können. Schneider selbst hat die "freundlichen Stimmen mir gegenüber" aus der EKD zwar wahrgenommen. Er stünde auch über November hinaus zur Verfügung. Als erster kommender Kandidat für das höchste Amt des deutschen Protestantismus amtiert er zudem bereits, bevor die Wahl ansteht.

Spagat zwischen zwei Ämtern

Eine Vorentscheidung für die Wahl durch die EKD-Synode sieht er darin aber nicht, und auf Fragen nach seiner Zukunft ab Dezember reagiert er unwirsch. "Ich kann nicht bis November nur darüber nachdenken, ob ich zum Ratsvorsitzenden gewählt werde", sagt er bestimmt. Jetzt gehe es nicht um Personen, sondern um die Zukunft der evangelischen Kirche. Zu dieser Entschiedenheit tragen auch Schneiders Erfahrungen in seiner Landeskirche bei, die bekannt ist für Skepsis gegenüber Kirchenleitenden. In Düsseldorfer Kirchenkreisen heißt es, Schneider sei ein ausgesprochener "Teamplayer".

Sollte Schneider im November gewählt werden, gilt als wahrscheinlich, dass er nur bis 2013 im Amt bleibt - dann endet seine Zeit als rheinischer Präses. In der rheinischen Landeskirche hält sich die Begeisterung über sein jetziges und möglicherweise künftiges Amt noch in Grenzen. Die Verantwortlichen kennen den Spagat zwischen den beiden Ämtern in Landeskirche und EKD noch vom früheren Doppel-Amtsinhaber Manfred Kock. Anders als etwa in der hannoverschen Kirche, aus der Käßmann kommt, ist der Präses in der rheinischen Kirche stark ins Tagesgeschäft eingebunden.

Neue Herausforderungen

Davon wird nun vieles auf die Schultern von Schneiders Stellvertreterin Petra Bosse-Huber abgeladen werden müssen. "Ich muss einen Weg finden, die neuen Leitungsaufgaben zu erfüllen, ohne am Ende mit meiner eigenen Kirche zu fremdeln", sagt Schneider. Dabei ist noch nichts gesagt über seine Posten als Vorsitzender des Diakonischen Rates der EKD und als Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), die er kaum weiter mit voller Kraft ausüben kann.

Jetzt konzentriert sich Schneider erst einmal auf die neuen Herausforderungen. "Ich habe mir nicht gewünscht, dass alles so kommt", sagt er. "Aber jetzt bin ich amtierender Ratsvorsitzender, und jetzt mache ich das." Eine Ikone ist Schneider zwar nicht. "Aber seinen Weg wird er gehen und vielen Menschen in Kirche und Gesellschaft die Orientierung geben, die wir brauchen", sagt der Direktor der Kindernothilfe und langjährige Wegbegleiter Jürgen Thiesbonenkamp.

epd