Käßmann-Gespräch: "Es ist meist doch eine schöne Bürde"

Käßmann-Gespräch: "Es ist meist doch eine schöne Bürde"
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, ist turbulent in ihr Amt gestartet. In den ersten 100 Tagen nach ihrer Wahl hatte die höchste Repräsentantin von rund 25 Millionen Protestanten mit Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz viel Wirbel ausgelöst. Die 51 Jahre alte hannoversche Landesbischöfin sprach mit der Deutschen Presse-Agentur dpa auch über die Zukunft der EKD.
20.02.2010
Die Fragen stellte Monika Wendel

Frage: Sie waren gerade ein paar Tage im Urlaub - wie notwendig war die Erholung?

Käßmann: Der Urlaub hat mir auf alle Fälle gutgetan. Ich konnte mit ein bisschen Distanz auf die Afghanistan-Debatte zurückblicken. Ich habe doch den Eindruck, dass es kein Fehler war, die kirchliche Position so klar zu vertreten. Das macht ein bisschen gelassener mit Blick auf manche Häme und die Unterstellung der Naivität und Blauäugigkeit.

Frage: Haben Sie aus der Debatte auch was gelernt?

Käßmann: Es war eine Bestätigung der Rolle der Kirche, die zu mahnen, aber keine Realpolitik zu betreiben hat. Und es bleibt die Erfahrung, dass es in der EKD tatsächlich breiter Konsens ist, nicht mehr vom gerechten Krieg zu sprechen, sondern nur noch vom gerechten Frieden, und dass militärische Gewalt überhaupt nur in einem ganz schmalen Korridor zu legitimieren ist.

"Eine neue Sehnsucht nach dem Gottesdienst wecken"

 

Frage: Wann werden sie nach Afghanistan reisen - das wurde ja nach einem Gespräch mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angekündigt?

Käßmann: Wir haben uns entschieden, dass ich nicht mit dem Verteidigungsminister, sondern mit dem Militärbischof reise, um zu zeigen, dass sind zwei unabhängige Besuchsformen. Ich möchte nicht nur mit Soldaten sprechen und einen Gottesdienst feiern, sondern auch gezielt zivile Projekte besuchen. Die genauere Planung aber steht noch nicht fest.

Frage: Wir wollen Sie die Zukunft der EKD gestalten bei all den Problemen mit Kirchenaustritten und sinkenden Kirchensteuereinnahmen?

Käßmann: Es war sicher leichter in den 80er Jahren Bischof zu sein, als die Finanzquellen sprudelten und viele neue Stellen geschaffen werden konnten. Aber ich stelle mich den Herausforderungen und möchte den Reformprozess vorantreiben. Er muss jetzt in den Gemeinden ankommen, damit sich die Ortsgemeinde bestärkt fühlt. Der Gottesdienst soll erlebt werden, dass Menschen gestärkt für ihr Leben wieder herausgehen. Mir liegt daran, eine neue Sehnsucht nach dem Gottesdienst zu wecken.

Frage: Aber dennoch kehren Menschen der Kirche den Rücken - wohin kann sich die Kirche in dieser schwierigen Zeit entwickeln?

Käßmann: Wir werden allein durch den demografischen Wandel weniger werden, aber das heißt nicht, dass unsere Kirche weniger relevant ist in diesem Land. Es kann auch eine Stärke sein zu sagen, die, die heute Mitglied sind, sind es sehr bewusst. Wir hatten 60.000 Wiedereintritte letztes Jahr, aber auch 160.000 Austritte, ich will nichts beschönigen.

"Der Spielraum wird deutlich enger"

 

Frage: Welche konkreten Einschnitte drohen?

Käßmann: Wir haben natürlich die Befürchtung, dass die Steuerreform in der von der FDP vorgeschlagenen Form kommt. Das würde uns finanziell sehr treffen. Da 86 Prozent aller unserer Einnahmen in Personal umgesetzt werden, haben wir da erhebliche Befürchtungen. Wir können nicht anders sparen als in Stellen. Für die Evangelische Kirche mit etwa vier Milliarden Euro Einnahmen würde die Steuerreform insgesamt eine halbe Milliarde Euro weniger bedeuten.

Frage: Wie schwierig ist da der Erhalt von Gotteshäusern?

Käßmann: Wir sind bei einem Gebäudemanagement angekommen, wir trennen uns auch von Gebäuden. Es werden etwa Pfarrhäuser verkauft, Gemeindehäuser werden zusammengelegt. Der Spielraum wird deutlich enger, vor allem aber die Kirchen wollen wir soweit wir können erhalten.

Frage: Ökumene am Scheideweg, schrieben Sie vor Jahren in einem ihrer Bücher - was erwarten Sie nun auch mit Blick auf den Ökumenischen Kirchentag?

Käßmann: Die großen Fragen - das Kirchen- und Amtsverständnis - sind noch immer nicht so geklärt, dass Abendmahlsgemeinschaft möglich ist. Ich erwarte auch nicht, dass sich in diesen entscheidenden Fragen ganz viel verändern wird. Wir können beim Ökumenischen Kirchentag aber auch feiern, was erreicht worden ist.

Merkel "hat sicher Maßstäbe gesetzt"

 

Frage: Wie geht es weiter nach den Differenzen mit der orthodoxen Kirche, die eine Frau im EKD-Amt nicht anerkennt und gedroht hatte, ihre Kontakte zu Protestanten aufzukündigen?

Käßmann: Die orthodoxe Kirche erkennt kein Priestertum der Frau an. Wenn aber auf Spitzenebene verhandelt werden soll, kann auch die russisch-orthodoxe Kirche in den nächsten sechs Jahren an einer Frau nicht vorbei. Wir sind für Begegnungen weiterhin offen. Allerdings gibt es einen Briefwechsel, der im Moment sehr ernüchternd ist.

Frage: Im vergangenen Oktober wurden Sie zur ersten Frau an die EKD-Spitze gewählt - am gleichen Tag wurde auch Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag im Amt bestätigt. Was verbindet Sie beide?

Käßmann: Wir kennen uns nun auch schon ein paar Jahre. Ich bewundere ihren Mut, an so exponierter Stelle in der Politik als Frau zu gestalten. Da hat sie sicher Maßstäbe gesetzt. Wir haben guten Respekt voreinander, und Humor haben wir beide auch. Eine Frau in dem Amt verändert die Bilder in den Köpfen.

Frage: Ist Ihnen Ihr Amt auch eine gewisse Bürde?

Käßmann: Natürlich zuweilen, aber meist doch eine schöne Bürde.

dpa