Missbrauch an Jesuitenschulen: Stationen eines Skandals

Missbrauch an Jesuitenschulen: Stationen eines Skandals
An den von Jesuiten betriebenen Schulen in Deutschland sind über Jahre systematisch Schüler missbraucht worden. Die vom Orden eingesetzte Missbrauchsbeauftragte, die Berliner Rechtsanwältin Ursula Raue, wird am Donnerstag einen vorläufigen Stand ihrer bisherigen Ermittlungen vorstellen. Nachfolgend einige Stationen des Skandals seit Januar 2010.

28. Januar: Der Leiter des Berliner Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, räumt öffentlich sieben bisher bekannte Missbrauchsfälle an der renommierten Berliner Jesuitenschule zwischen 1975 und 1983 ein. Als Täter werden zwei Patres genannt. Wegen weiterer vermuteter Opfer hatte Mertes zuvor an rund 500 ehemalige Schüler der betroffenen Jahrgänge einen Entschuldigungsbrief verschickt.

29. Januar: Das Erzbistum Berlin räumt ebenfalls Ermittlungen wegen Missbrauchs gegen einen früheren Pfarrer der katholischen Heilig-Kreuz-Gemeinde in Berlin-Hohenschönhausen ein. Die Vorfälle, die sich 2001 ereignet haben sollen, sind dem Erzbistum seit Sommer 2009 bekannt.

30. Januar: In einem Zeitungsinterview geht Pater Klaus Mertes mit der katholischen Kirche hart ins Gericht. Sie leide "an Homophobie" und habe sich beim Thema Sexualität vom realen Alltag weit entfernt.

1. Februar: Der Missbrauchsskandal zieht bundesweit Kreise. Der Jesuiten-Orden gibt bekannt, dass sich bereits 25 Opfer gemeldet haben, darunter 20 vom Berliner Canisius-Kolleg, drei in Hamburg und zwei in St. Blasien im Südschwarzwald. Die beiden beschuldigten Patres Peter R. und Wolfgang S. gehören dem Orden seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr an, waren danach aber in anderen katholischen Einrichtungen im In- und Ausland tätig. Nach Angaben des Ordens war das Canisius-Kolleg bereits 1981 von Schülern auf Übergriffe aufmerksam gemacht worden. Die Ordensleitung war spätestens 1991 über Missbrauchsfälle informiert.

2. Februar: Das Bistum Hildesheim räumt ein, das Peter R. bis 2003 unter anderem als Jugendseelsorger im Bistum tätig war. Auch hier sind zwei Fälle von sexuellen Übergriffen bekannt.

3. Februar: In Berlin wird nach Angaben des Jesuiten-Ordens gegen einen weiteren Patres wegen Missbrauchs zwischen 1976 und 1981 ermittelt. Der Priester war als Religionslehrer auch an der katholischen Liebfrauenschule tätig. Das Erzbistum Berlin kündigt umfassende Aufklärung des Falls an.

5. Februar: Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, verspricht, dass die katholische Kirche alle Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester aufklären wird.

6. Februar: Laut einer Umfrage des Nachrichtenmagazins "Spiegel" bei allen 27 deutschen Bistümern wurde in der katholischen Kirche seit 1995 gegen 97 Priester und Laien wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt.

7. Februar: Bei der Missbrauchsbeauftragten des Jesuiten-Ordens, Ursula Raue, haben sich mittlerweile 30 frühere Schüler des Berliner Canisius-Kollegs gemeldet. Dazu kommen bis zu zehn weitere Fälle in Jesuitenschulen in Bonn, Hamburg und St. Blasien. Bekannt wird auch, dass in einem 2004 erschienenen Buch ein Ex-Schüler bereits den Missbrauch durch Priester geschildert hat.

8. Februar: Papst Benedikt XVI. verurteilt die Taten als Verstoß gegen die Rechte von Kindern.

9. Februar: Der Leiter des Bonner Aloisiuskollegs, Pater Theo Schneider, tritt von seinem Amt "im Interesse einer lückenlosen Aufklärung" zurück. Schneider wird Mitwisserschaft vorgeworfen. Der CDU-Politiker Heiner Geißler, selbst Schüler des Jesuitenkollegs St. Blasien im Schwarzwald, fordert die Abschaffung des Zölibats.

10. Februar: Das Erzbistum Berlin kündigt an, sexuellen Übergriffen an katholischen Schulen unter anderem mit Supervisoren verstärkt vorbeugen zu wollen.

12. Februar: Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky warnt davor, die katholische Kirche und ihre Schulen unter Generalverdacht zu stellen. Die Glaubwürdigkeit der vielen engagierten Priester und Pädagogen dürfe nicht wegen der Schuld Einzelner zerstört werden. Zugleich räumt er Defizite in der Aufklärung von Missbrauchsfällen ein.

15. Februar: Pater Klaus Mertes geht in einem Interview von einer möglicherweise dreistelligen Opferzahl am Berliner Canisius-Kolleg aus. Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Ursula Raue, spricht von "deutlich über 100 Fällen". Betroffen seien nicht nur Jesuitenschulen, sondern auch andere katholische Einrichtungen in Deutschland.

16. Februar: Der Augsburger katholische Bischof Walter Mixa führt den Missbrauch auf die zunehmende Sexualisierung des öffentlichen Lebens zurück, die "abnorme sexuelle Neigungen eher fördert als begrenzt". Der Priesterzölibat hat aus Mixas Sicht die Taten nicht befördert.

18. Februar: Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Ursula Raue, legt in Berlin ihren Zwischenbericht vor. Sie spricht von mindestens 115 Missbrauchsopfern an deutschen Schulen des Jesuitenordens sowie weiteren Fällen an anderen katholischen Schulen. Der katholische Bischof von Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, bezeichnet die Missbrauchsfälle als ein gesamtgesellschaftliches und kein rein katholisches Problem.

epd