Tränen und Überzeugungen: Schmidt geht, Rösler kommt

Tränen und Überzeugungen: Schmidt geht, Rösler kommt
Es wird dann doch noch traurig. Ulla Schmidt (SPD), die nunmehr ehemalige Bundesgesundheitsministerin, übergibt ihr Haus und ihr Amt, morgens in Berlin und wenige Stunden später am Donnerstagmittag dann in Bonn, dem zweiten Dienstsitz des Ministeriums.
29.10.2009
Von Bettina Markmeyer

Ihr Nachfolger ist der junge FDP-Mann und bisherige niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der für die FDP die Koalitionsverhandlungen über die Gesundheitspolitik geführt hat.

In Berlin sind die Kameras dabei, und sie halten alles fest. Wie Ulla Schmidt erst Tränen aus den Augenwinkeln wischt. Wie sie dann ihre Mitarbeiter umarmt, sich verabschiedet, selbst gedrückt und lange festgehalten wird, wie sie schließlich doch weint und dabei ihr Lächeln weiterlächelt, für das sie bekanntgeworden ist. Schließlich nimmt sie die Brille ab und putzt sie. Sie ist nicht die einzige.

Männer, Verwaltungsfachleute, die nie durch eine Regung aufgefallen sind und gewöhnlich nüchtern mit der Pflichtversicherungsgrenze und Ungetümen wie dem "morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich" hantieren, haben rote Augen. Dem scheidenden Staatsekretär Theo Schröder knickt am Mikrofon die Stimme weg.

Schmidt lobt Zusammenarbeit

Es sei nicht das Amt, sagt Schmidt in ihrer Abschiedsrede, es seien ihre Mitarbeiter von denen sie sich so schwer trenne. Ihrem Nachfolger gibt sie unverhohlen den Wink, "von den Fachleuten in diesem Ministerium kann man viel lernen". Eng, intensiv, loyal und freundschaftlich sei die Zusammenarbeit gewesen: "Ich habe mich hier aufgehoben gefühlt." Sie werde auch deshalb keine Gesundheitspolitik mehr machen, sagt Schmidt, weil sie nicht im Bundestag aus der Opposition heraus ihre früheren Vertrauten "triezen" wolle. Die Dienstwagenaffäre ist sehr weit weg in diesem Moment.

Ihr Nachfolger nimmt es sportlich. Rösler, 36 Jahre jung, seit acht Monaten Wirtschaftsminister in Hannover, zollt Schmidt "Respekt und Anerkennung", dass sie das Ministerium fast neun Jahre - so lange wie niemand vor ihr - geführt habe. "Erfolgreich", sagt er, - "aus Ihrer Sicht", fügt er dann hinzu. Dass jetzt vieles anders werden soll, sagt Rösler nicht am Tag der Amtsübergabe. Er beschränkt sich darauf, ein Signal an seine künftigen Mitarbeiter zu senden: "Ich gelte als pflegeleicht."

Dass gleichwohl bald jene Mitarbeiter, die Ulla Schmidts Politik maßgeblich umgesetzt, in Gesetze und Verordnungen gegossen und nicht zuletzt den Hauptstadtjournalisten verkauft haben, das Ministerium verlassen werden, gilt als sicher. Übernimmt Rösler ein strammes SPD-Ministerium, ein Bergwerk aus dessen Tiefen nur sozialdemokratische Lösungen an die Oberfläche gefördert werden können?

Neun harte, aber schöne Jahre

Eine der vielen aus dem Haus, die sich zum Abschied im Foyer des glaskastenförmigen Gebäudes an der Friedrichstraße versammelt haben, sagt, das Haus sei keineswegs ein lupenreines SPD-Ministerium. Dafür sei es vor Schmidt zu lange von CDU-Ministern geführt worden. Viele der damaligen Mitarbeiter seien noch da. Aber das Ministerium als Ganzes stehe für "eine solidarische Sozialpolitik". Schmidt habe dieses Prinzip geradezu "gelebt: Und das sieht man ja hier auch", sagt die Frau, die ebenso wenig genannt werden will wie ein Kollege, dem es graust, dass künftig "Eigenverantwortung" nicht nur im Alphabet vor "Solidarität" buchstabiert werden wird.

Schmidt schlägt in ihrer ebenso persönlichen wie politischen Abschiedsansprache vor ihren Mitarbeitern, dem neuen Minister und den bisherigen und künftigen Staatssekretären noch einmal einen großen Bogen von den Mühen der Gesundheitspolitik bis zu den Mühen der Menschen. Es waren neun schöne Jahre, sagt sie mit ungewohnt weicher Stimme, harte Jahre, vielleicht gefühlte 18 Jahre. Ihrem Nachfolger erklärt sie gewohnt selbstbewusst, "es gibt keinen Big Bang in der Gesundheitspolitik". Wenn es eine Reform gäbe, die alle Probleme lösen könnte, "wäre sie in diesem Haus geschrieben worden".

Dann müssen sie nach Bonn, die Ex-Ministerin und der neue Minister. Dort erwartet sie das gleiche noch einmal, ein Abschied, ein Anfang - aber dann immerhin ohne Kameras. In Abwandlung des Ausspruchs von Karl Valentin könnte für Ulla Schmidt das Motto dieses Tages lauten: Demokratie ist schön, tut aber auch weh.

epd