Weltweit hungern mehr als eine Milliarde Menschen

Weltweit hungern mehr als eine Milliarde Menschen
Erstmals hungern nach UN-Schätzungen weltweit mehr als eine Milliarde Menschen. Wegen der Wirtschaftskrise und hoher Lebensmittelpreise sei die Zahl der unterernährten Menschen in diesem Jahr nochmals um 100 Millionen gegenüber dem Vorjahr gestiegen, erklärten die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) und das Welternährungsprogramm (WFP) am Mittwoch in Rom.

Zugleich riefen die Vereinten Nationen zu verstärkter Hilfe auf. Derzeit leben rund 6,8 Milliarden Menschen auf der Erde. In Berlin wies die Welthungerhilfe daraufhin, dass 70 Prozent der vom Hungern Betroffenen Frauen seien.

Der neue Welternährungsbericht wurde zum Welternährungstag am Freitag veröffentlicht. Danach leiden in Asien und der Pazifikregion 642 Millionen Menschen an chronischem Hunger, in Afrika südlich der Sahara 265 Millionen. In Lateinamerika und in der Karibik sind den Schätzungen zufolge 53 Millionen unterernährt, im Nahen Osten und in Nordafrika 42 Millionen. Selbst in Industriestaaten fehle es 15 Millionen Menschen an ausreichender Nahrung.

Gründe: schlechte Regierungsführung, Konflikte, HIV

Bei der Vorstellung des Welthungerindex in Berlin wiesen das Washingtoner Forschungsinstitut IFPRI und die Welthungerhilfe auf die "ernste" oder "sogar gravierende" Ernährungssituation in 29 Ländern hin. Am schlimmsten sei die Lage in der Demokratische Republik Kongo. Auf dem Index zur Erfassung des Hungers folgen auf den hintersten Plätzen die afrikanischen Staaten Burundi, Eritrea, Sierra Leone und Tschad. Grund für die Hungerkrise in vielen Ländern seien schlechte Regierungsführung, Kriege, Konflikte und die Aids-Epidemie.

Der Studie zufolge sind 70 Prozent der weltweit 1,4 Milliarden armen Menschen Frauen. Zugleich wurde daran appelliert, beim Kampf gegen den Hunger stärker auf Frauen zu setzen. "Die Stärkung von Frauen ist ein Schlüssel im Kampf gegen Hunger und Armut", erklärte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann.

Die UN-Organisationen fordern verstärkte Investitionen in die Landwirtschaft. Die Welt verfüge über die erforderlichen wirtschaftlichen und technischen Mittel, um alle Menschen zu ernähren, betonte FAO-Generaldirektor Jacques Diouf. Eine Ursache für den Hunger sei der Rückgang von Geldüberweisungen aus reichen Staaten in Entwicklungsländer aufgrund der Wirtschaftskrise: Während etwa die 17 größten lateinamerikanischen Länder 2007 noch 184 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland erhalten hatten, habe sich die Summe 2008 auf 89 Milliarden halbiert.

Kampf gegen Hunger muss intensiviert werden

Das katholische Hilfswerks Misereor forderte die Industrieländer auf, den Kampf gegen den Hunger zu intensivieren. "Hier ist auch die neue Bundesregierung gefragt", sagte der Geschäftsführer Josef Sayer in einem Interview mit dem katholischen Kölner Sender Domradio. Vor allem müsse in Landwirtschaft, Gesundheitsversorgung und die Schulbildung von Kindern investiert werden.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mahnte mehr Investitionen zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität an. Der OECD-Direktor Ken Ash kritisierte in der "Berliner Zeitung", dass derzeit nur drei bis vier Prozent der staatlichen Entwicklungshilfe in die Landwirtschaft fließe. "Vor ein bis zwei Jahrzehnten" seien es noch zehn bis zwölf Prozent gewesen.

Der Welthunger-Index wurde am Mittwoch zum vierten Mal vorgestellt. Er untersucht den Anteil der Unterernährten in der Bevölkerung eines Landes, den Anteil der Unter-Fünfjährigen mit Untergewicht und deren Sterblichkeitsrate.

epd