Opposition und Arbeitgeber kritisieren Rentenreform

Foto: dpa/Andreas Gebert
Opposition und Arbeitgeber kritisieren Rentenreform
Die Rentenbeschlüsse der großen Koalition werden teuer: 60 Milliarden Euro kosten sie bis 2020, 160 Milliarden bis 2030. Dafür sollen die Mütterrenten steigen und langjährig Beschäftigte früher in Rente gehen können. Das Paket ist nun auf dem Weg.

Das Rentenpaket von Union und SPD wird allein bis zum Jahr 2020 Zusatzausgaben von 60 Milliarden Euro nach sich ziehen. Das geht aus dem Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums hervor, der am Donnerstag in Berlin bekannt wurde. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte ihn am Mittwochabend in die Ressortabstimmung gegeben. Er soll am 29. Januar im Kabinett beraten werden.

Mehrausgaben werden zunächst durch Rücklagen abgefangen

Geplant sind eine Erhöhung der Mütterrenten und der Erwerbsminderungsrenten zum 1. Juli, die abschlagsfreie Rente mit 63 für langjährig Versicherte und mehr Reha-Ausgaben. Die Arbeitgeber kritisierten, das Paket mache alle bisherigen Anstrengungen zur Stabilisierung der Rente zunichte. Die Opposition nannte die Vorhaben ungerecht. Diakonie-Chef Johannes Stockmeier mahnte mehr Verteilungsgerechtigkeit an. DGB-Chef Michael Sommer begrüßte die Pläne.

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Nach dem Referentenentwurf, der dem epd vorliegt, schlagen die Mehrausgaben in diesem Jahr mit 4,4 Milliarden Euro zu Buche. Von 2015 an betragen sie rund neun Milliarden Euro pro Jahr, im Jahr 2025 steigen sie auf zehn, im Jahr 2030 auf elf Milliarden Euro. Die Zusatzausgaben sollen bis 2018 aus den Rücklagen der Rentenkasse von gegenwärtig rund 31 Milliarden Euro finanziert werden sowie durch den Verzicht auf eine Beitragssenkung, die Union und SPD bereits vereinbart haben. Das Gesetz muss noch beschlossen werden.

Die Reformen werden die Rücklagen der Rentenversicherung von aktuell rund 31 Milliarden Euro weitgehend aufzehren. Bis 2018 soll der Beitrag von 18,9 stabil bleiben und 2019 auf 19,7 Prozent steigen. Um einen weiteren Anstieg zu vermeiden, soll laut Entwurf von 2019 an der Bund mehr Geld in die Rentenkasse zahlen. Der Betrag soll bis 2022 stufenweise auf zwei Milliarden Euro erhöht werden. 9,5 Millionen Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern erhalten im Westen pro Kind rund 28 Euro monatlich mehr, im Osten rund 26 Euro.

Junge Leute sind die Verlierer der Reform

Die abschlagsfreie Rente mit 63 sollen alle Arbeitnehmer mit 45 Beitragsjahren in Anspruch nehmen können. Die Altersgrenze wird in Zweimonatsschritten pro Jahrgang wieder auf 65 Jahre erhöht. Unklar war bisher, in welchem Umfang Arbeitslosigkeit berücksichtigt wird. Angerechnet werden sollen dem Entwurf zufolge die Zeiten, in denen Anspruch auf das frühere Arbeitslosengeld oder das heutige Arbeitslosengeld I bestand. Jahre mit der früheren Arbeitslosenhilfe oder dem heutigen Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zählen nicht.

Die Arbeitgeber rechneten der Koalition vor, die Mehrbelastungen durch die Reform von 160 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 seien "deutlich teurer als die Entlastung durch die Rente mit 67". Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer erklärte, die Finanzierung der Mütterrenten aus der Rücklage der Rentenkasse sei falsch und die Rente mit 63 "ein kapitaler Fehler". Richtig sei aber die Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten. Sie dürfe nur nicht, wie geplant, in einem Schritt erfolgen.

Der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Markus Kurth, kritisierte die Mehrausgaben als "reinsten Irrsinn". Union und SPD bürdeten dem wichtigsten Zweig der deutschen Sozialversicherung gewaltige Zukunftslasten auf. Die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt bemängelte, Frauen und junge Leute seien die Verlierer. Der Renten-Experte der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald, kritisierte, die falsche Finanzierung der Mütterrenten mache die Bekämpfung der wachsenden Altersarmut auf Jahre unmöglich, weil das Geld fehle.

Neue Regelungen sichern nicht vor Altersarmut

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer lobte die Pläne hingegen. "Wer 45 Jahre auf dem Buckel hat, der hat es auch verdient, abschlagsfrei in Rente zu gehen", sagte er. In der Vergangenheit seien Reformen immer zulasten der Beschäftigten gegangen. Sommer wiederholte aber ebenfalls die Forderung, die Mütterrenten müssten aus Steuern finanziert werden.

Der Präsident der Diakonie Deutschland, Johannes Stockmeier, sagte dem epd, er lehne die Erhöhung der Mütterrenten und die Rente mit 63 zwar nicht ab. Doch seien "die beiden Maßnahmen unter Gesichtspunkten der Verteilungsgerechtigkeit schwierig". Es werde Geld benötigt, das woanders fehle.

Auch zur Vorbeugung gegen die Altersarmut seien beide Vorhaben nicht geeignet, kritisierte Stockmeier. Die Rente mit 63 begünstige langjährig Beschäftigte mit ohnehin auskömmlichen Renten. Die Erhöhung der Mütterrenten wiederum helfe Frauen mit sehr geringen Renten nicht: "Dafür sind die Beträge zu klein."