"Weihnachten? Na, Geschenke, ey!"

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288 Euro wollen die Deutschen nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in diesem Jahr durchschnittlich für ihre Weihnachtsgeschenke ausgeben. Jugendliche schenken besonders gerne Kosmetikartikel und Parfüm.
"Weihnachten? Na, Geschenke, ey!"
Sie schieben sich wie alle anderen durch riesige Einkaufscenter oder suchen das richtige Geschenk an hölzernen Buden auf dem Weihnachtsmarkt: Einkaufen gehört auch für viele Jugendliche in Deutschland selbstverständlich mit zur Adventszeit. Doch nicht alle jungen Menschen wollen sich damit zufrieden geben, dass schenken und beschenkt werden offenbar das wichtigste am Weihnachtsfest geworden ist.

"Also", sagt Julia, holt tief Luft und nimmt zum Zählen ihre Finger zur Hilfe. "Geschenke kriegen meine Mama, mein Papa, natürlich die Omas und Opas", erklärt sie. Dann folgen die kleinen Geschwister, vier Freundinnen, der beste Freund und der Liebste. Die 16-Jährige grinst, in beiden Händen wackeln die bunten Einkaufstüten. Julia ist mit einer Freundin in der Leipziger Innenstadt unterwegs, die jungen Frauen kichern, trinken einen Kinderpunsch und essen Waffeln auf dem Weihnachtsmarkt, im Hintergrund dudeln Weihnachtlieder durch die prächtig geschmückten Gassen.

Das Budget ist noch unsicher

Wie viel Geld Julia in diesem Jahr für das Fest ausgeben wird, weiß die Schülerin selbst noch nicht genau. "Ich hab noch nicht alles zusammen", sagt sie und rückt ihre weiße Wollmütze zurecht. Doch allein durch die Zahl der Beschenkten dürfte es reichlich werden. Und eins ist auch klar: Julia selbst hofft ebenfalls auf einen reich gedeckten Gabentisch. Was sie von dem Fest erwartet? "Na, Geschenke, ey", sagt sie und hüpft ungeduldig von einem Bein aufs andere.

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288 Euro wollen die Deutschen nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in diesem Jahr durchschnittlich für ihre Weihnachtsgeschenke ausgeben, der Einzelhandel wird sich voraussichtlich über ein Umsatzvolumen von rund 15,2 Milliarden Euro freuen können. Wenn es um Geschenke für Teenager geht, haben einige Online-Händler im Internet eigene Kategorien: Auf der Handy-Hülle grinst die "Hello-Kitty"-Katze, es gibt Socken, die angezogen so aussehen, als wären es Chucks. Liebeskummer-Pillen sind im Angebot, und wer auch im realen Leben nicht auf das Soziale Netzwerk Facebook verzichten will, kann einen "Gefällt-mir"-Stempel kaufen.

Doch die Jugendlichen werden nicht nur beschenkt, sie kaufen auch selbst ein: Laut GfK haben sich die 14 bis 24-Jährigen für das diesjährige Weihnachtsgeschäft ein Budget von 122 Euro gesetzt. Vor allem Kosmetikartikel und Parfum werden dabei nach Schätzungen der Konsumforscher über den Ladentisch gehen.

Das Geld zum Ausgeben ist durch Nebenjobs verdient oder kommt von den Eltern und aus Omas Spartopf. Bei einer Umfrage der Agentur "Youngcom!" aus dem Jahr 2011 gaben etwa die Hälfte der Befragen zwischen 13 und 18 Jahren an, mehr als 20 Euro Taschengeld im Monat zu bekommen. 28 Prozent hatten dabei mehr als 30 Euro im Monat zur Verfügung, die obersten vier Prozent sogar mehr als 100 Euro. Hinzu kamen Geldgeschenke zum Geburtstag, zu Ostern und eben auch zu Weihnachten.

"Soll Weihnachten ohne Geschenke gefeiert werden?"

Der Konsum zum Weihnachtsfest ist mittlerweile so dominant, dass auch das Projekt "Jugend debattiert" den Geschenkerausch gleich zu Beginn der Adventszeit unter Jugendlichen zur Diskussion gestellt hat. Auf der Facebook-Seite der Initiative, die unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht, wird die Frage aufgeworfen: "Soll Weihnachten ohne Geschenke gefeiert werden?"

"Ja", meint Nora, die sich an der Online-Debatte beteiligt, denn dann "würde der eigentliche Hintergrund über dem kommerziellen Geschenkewahn stehen". Die Aufmerksamkeit läge auf dem festlichen Akt und würde ohne Hintergedanken genossen werden können. Keine Frage, Schenken sei etwas schönes, doch "mittlerweile liegt der Wert nicht mehr auf dem Schenken an sich, sondern auf dem teuersten Geschenk", meint sie. Der "kommerzielle Geschenkewahn" entziehe dem besinnlichen Fest den Charme – es sei besser, darauf zu verzichten.

Hannah aus Speyer hingegen ist da pragmatischer: "Wir leben in einer Konsumgesellschaft, die auf materielle Werte fokussiert ist. Das Weihnachtsgeschäft ist dabei ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor", bekräftigt sie. "Ich halte es also für falsch zu sagen, dass die Besinnlichkeit wichtiger ist."

Noch mehr als Zeit für Besinnlichkeit symbolisiert das Fest für den Gymnasiasten Frederick aus der Nähe von Heilbronn. "Weihnachten ist ein christliches Fest und ein christlicher Feiertag, diesen Status gilt es zu schützen", schreibt er.

Viele kennen die Geschichten über die Geburt Jesu nicht

Um die Bedeutung des Weihnachtsfestes sorgt sich auch Michael Freitag, Referent für Jugendsoziologie bei der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) in Hannover. Es sei bei vielen christlichen Festen so, dass unter Jugendlichen das Wissen über diese Hintergründe verloren gehe, sagt Freitag.  Viele Familien hätten keine Kirchenbindung mehr und würden die Geschichten über die Geburt Jesu schlicht nicht mehr kennen.

Selbst die Eltern, die Weihnachten noch die Kirche besuchten, erzählten ihren Kindern vielfach nichts von der christlichen Bedeutung. "Man könnte sagen, der Traditionstransport nimmt ab – man gibt eben nur das weiter, was einem wichtig ist und wenn das christliche Fest für die Eltern keine innere Bedeutung hat, erzählen sie einfach nicht von der Weihnachtsgeschichte", sagt Freitag.

"Weihnachtsmärkte sind fast wie Jahrmärkte"

An die Stelle von Singen und Geschichtenerzählen seien Fernsehen und Spielkonsole getreten. "Doch darüber wird nicht vermittelt, was Weihnachten bedeutet!" Selbst Weihnachtsmärkte würden sich kaum mehr von einem gewöhnlichen Jahrmarkt unterscheiden. "Nur, dass es statt kaltem Bier heißen Glühwein gibt", kritisiert Freitag.

Einen heißen Glühwein darf der 14-jährige Sebastian noch nicht trinken, trotzdem hat auch er sich zur Adventszeit in die Leipziger Innenstadt zwischen großen Kaufhäusern und kleinen hölzernen  Weihnachtsbuden begeben. An einem Stand testet er, wie flauschig die dicken Socken sind. "Die bekommt mein Papa", sagt der 14-Jährige schüchtern und bezahlt das Geschenk. Seine Oma hat sich einen echten Dresdner Christstollen gewünscht, die Mutter wird wohl eine bunte Kerze unter dem Tannenbaum finden.

"Es ist doch schön, zu schenken", meint Sebastian. "Aber es spielt ja auch nicht so eine große Rolle", fügt er hinzu. "Ich meine, eigentlich geht es bei Weihnachten ja darum, dass man zusammen ist", sagt Sebastian.