Islam-Professor: Deutschland bietet Chance zur Entwicklung eines neuen Islam

Islam-Professor: Deutschland bietet Chance zur Entwicklung eines neuen Islam
Die Islam-Studiengänge an deutschen Hochschulen können nach Ansicht des muslimischen Theologen Mouhanad Khorchide Ausgangspunkt für ein neues Islamverständnis sein.

"Wir haben hier in Deutschland die Chance, etwas Neues zu etablieren", sagte der Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität Münster am Donnerstagabend in Berlin. Die Chance, in Freiheit über islamische Theologie zu reflektieren, gebe es in vielen islamischen Ländern nicht.

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Der Lehrstuhl in Münster ist einer von insgesamt vier Zentren für islamische Theologie, die in Deutschland gegründet wurden. Nach Korchides Angaben ist die Akzeptanz seiner Studiengänge bereits jetzt hoch. Während es zum Start im Wintersemester 2012/2013 mehr als 600 Bewerber gegeben habe, seien es in diesem Jahr sogar über 1.000.

Unstimmigkeiten zwischen Lehrstuhl und muslimischen Verbänden

Der islamische Theologe räumt aber auch ein, dass die Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden noch nicht funktioniere. Anders als bei den christlichen Kirchen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts bei den Inhalten konfessionsgebundener Studiengänge entscheiden, soll bei den Inhalten der Ausbildung von Imamen und muslimischen Religionslehrern ein Beirat mitreden. Über dieses Gremium sollen die muslimischen Verbände eingebunden werden.

In Münster gibt es solch einen Beirat wegen Unstimmigkeiten zwischen Lehrstuhl und muslimischen Verbänden aber nach wie vor nicht. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", sagt Khorchide. Die Verbände handelten politisch. Er wünsche sich dort mehr Interesse für Theologie.

Konfessionelle Vielfalt unter deutschen Muslimen

Khorchide tritt für ein liberales Verständnis des Islam ein, das die Aussagen des Korans auf das Leben heute überträgt und starre Regeln hinterfragt. Die Theologie müsse den Menschen in den Mittelpunkt stellen und ihm dienen, nicht andersherum, sagte er.

Trotz dieser wissenschaftlichen Grundhaltung nehmen die Seminare in Münster nach seinen Angaben Rücksicht auf alle in Deutschland vertretenen Strömungen des Islam. Die muslimische Bevölkerung in der Bundesrepublik sei konfessionell vielfältiger als in islamischen Ländern. Dies sei eine große Herausforderung für die islamische Theologie in Deutschland.