TV-Tipp des Tages: "Eine verhängnisvolle Nacht" (ZDF)

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TV-Tipp des Tages: "Eine verhängnisvolle Nacht" (ZDF)
TV-Tipp des Tages: "Eine verhängnisvolle Nacht", 16. September, 20.15 Uhr im Zweiten
Silke Bodenbender spielt die alleinerziehende Lehrerin Hannah, die sich in einen neuen Kollegen verliebt. Bernd ist ein ruhiger Zeitgenosse, der aber immer wieder kleine Ausraster hat. Als ihm eines Tages die Hand ausrutscht, setzt Hannah ihn vor die Tür.

Genau genommen ist nicht es bloß eine Nacht, sondern eine ganze Affäre, die letztlich zum Verhängnis führt, aber im Grunde wäre dieser Film ohnehin kaum der Rede wert. Eine Frau lässt sich auf den Falschen ein und wird ihn nicht mehr los: Das ist als Handlung ebenso überschaubar wie abgenutzt. Die Namen der Beteiligten vor und hinter der Kamera lassen jedoch aufhorchen: Regie führt der mit einer Vielzahl von Fernsehpreisen ausgezeichnete Miguel Alexandre, der herausragende Mehrteiler wie "Die Frau vom Checkpoint Charlie", "Schicksalsjahre" oder "Der Mann mit dem Fagott" gedreht hat. Einige seiner besten Filme basieren auf Drehbüchern von Koautor Harald Göckeritz ("Grüße aus Kaschmir"). Endgültig geadelt wird der Thriller durch die beiden Hauptdarsteller: Silke Bodenbender spielt die alleinerziehende Lehrerin Hannah, die sich in einen neuen Kollegen verliebt. Bernd ist ein ruhiger Zeitgenosse, der aber immer wieder kleine Ausraster hat. Als ihm eines Tages die Hand ausrutscht, setzt  Hannah ihn vor die Tür. Nach der Versöhnung kommt es zur titelgebenden Nacht, in der seine Zuneigung plötzlich in offenen Hass umschlägt.

Eine verhängnisvolle Liaison

Matthias Brandt hat gerade zu Beginn seiner TV-Karriere viele formidable Schurken gespielt. Er versteht es wie kaum ein anderer, mit bloß einem Blick anzudeuten, welche Abgründe in seinen Figuren lauern. Was die Motive von Bernds Ausbrüchen angeht, beschränkt sich das Drehbuch auf Andeutungen: Er wurde als Kind adoptiert, sein Rücken ist vernarbt, und seine wiederholte Unterstellung, Hannah hasse alle Männer, lässt selbstredend Rückschlüsse auf seine eigene Psyche zu. Wichtiger als Erklärungen waren Göckeritz und Alexandre, der hier wie zuletzt in einem "Tatort" aus Leipzig ("Die Wahrheit stirbt zuerst") auch die Bildgestaltung übernommen hat, die Folgen dieser verhängnisvollen Liaison für Hannah und ihre Kinder: Nach der Vergewaltigung wird Bernd verurteilt, kommt aber vorzeitig wieder frei und stellt seiner früheren Freundin nach, weil sie sein Leben verpfuscht habe. Er wird mehrfach gewalttätig, doch die Polizei ist machtlos, da Hannah die Übergriffe nicht beweisen kann. Die einzige Möglichkeit, Bernd zu entkommen, scheint ein völliger Neuanfang zu sein.

Im Gegensatz zur Heldin weiß der Zuschauer allerdings, dass es kein Entrinnen gibt, denn Alexandre beginnt den Film mit dem Finale und erzählt die Vorgeschichte in langer Rückblende. Auf diese Weise sieht man die Romanze zwischen Hannah und Bernd von Anfang an mit ganz anderen Augen, so dass sich Brandt bei der Verkörperung des Psychopathen auf Nuancen beschränken kann. Den Rest besorgen die lauernde Musik (Wolfram de Marco) und das Sound Design (Ton: Eric Rueff): Geschickt platzierte Geräuscheffekten sorgen immer wieder für die Gewissheit, dass die endlich eingekehrte Ruhe trügerisch ist. Silke Bodenbender verkörpert dieses Leben in ständiger Unsicherheit ähnlich eindrucksvoll wie Brandt seinen Triebtäter. Gerade die hoch emotionalen Szenen, für viele Schauspielerinnen eine Herausforderung, an der sie scheitern, gelingen ihr äußerst glaubwürdig; erst recht, wenn sich Hannah derart in Rage redet, dass sie gut sichtbar einen roten Kopf bekommt.

Großen Anteil an der Qualität des dank der diversen Zeitsprünge betont elliptisch konzipierten Films haben auch die Darsteller der Nebenrollen, allen voran Rolf Becker als Hannahs Vater und Jella Haase als ihre halbwüchsige Tochter. Einziger Wermutstropfen des dicht, aber subtil inszenierten und schauspielerisch herausragenden Thrillers ist der nachgereichte Schluss, der den Eindruck erweckt, als hätten Alexandre am Ende zehn Filmminuten gefehlt.