Russland nimmt US-Whistleblower Snowden auf

Russland nimmt US-Whistleblower Snowden auf
Genau 40 Tage lang hielt sich Snowden auf dem Moskauer Flughafen versteckt. Jetzt haben ihm die russischen Behörden Asyl gewährt. Die USA wollen den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter wegen Geheimnisverrats belangen.

Sechs Wochen nach seinen brisanten Enthüllungen über die massive Internet-Überwachung der USA kann Edward Snowden vorerst aufatmen: Russland gewährte dem 30-jährigen Whistleblower vorläufiges Asyl. Er kann nun sich nun ein Jahr lang in Russland aufhalten. Snowden verließ am Donnerstag den Transitbereich des internationalen Flughafens von Moskau, wo er sich seit dem 23. Juni aus Hongkong kommend aufgehalten hatte. Ein Taxi brachte ihn zu einem unbekannten Ziel, wie sein Anwalt Anatoli Kutscherena der russischen Nachrichtenagentur Interfax mitteilte. Deutschland und andere Länder hatten es abgelehnt, Snowden Asyl zu gewähren.

###mehr-artikel### Snowden hat im Juni Dokumente des Geheimdienstes NSA öffentlich gemacht, wonach die USA im Ausland massenhaft Daten einfacher Internet-Nutzer sammeln, darunter auch in Deutschland und anderen EU-Ländern. Die Vereinigten Staaten rechtfertigen dies mit der Abwehr des internationalen Terrorismus. Für die Behörden in den USA ist Snowden der wohl zurzeit meistgesuchte Straftäter. Er muss in den USA mit einem Prozess und einer vermutlich langjährigen Freiheitsstrafe rechnen. Diese droht auch dem Wikileaks-Informanten Bradley Manning, der von einem Militärgericht in 21 von 22 Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde.

XKeyscore erfasst "nahezu alles, was ein Nutzer im Internet tut"

Die britische Zeitung "The Guardian" veröffentlichte erst am Mittwoch weitere Dokumente aus dem Besitz von Snowden, wonach mit der NSA-Software "XKeyscore" gigantisch große Datenbanken mit E-Mails, Protokollen von Online-Chats und der Web-Nutzung von Millionen Menschen durchsucht werden können. In einem Dokument heißt es, das Programm erfasse "nahezu alles, was ein Nutzer im Internet tut", darunter auch den Inhalt von E-Mails sowie deren Metadaten, also unter anderem Angaben zu Absender, Empfänger, Uhrzeit und Betreff. Das Programm könne auch Internet-Aktivität in Echtzeit erfassen, also zur gleichen Zeit, in der zum Beispiel eine Webseite aufgerufen wird.

Die NSA erklärte am Mittwoch in einer Pressemitteilung, "XKeyscore" sei "Teil des rechtmäßigen NSA-Systems zur geheimdienstlichen Sammlung von Signalen aus dem Ausland". Das Programm sei nur für diejenigen Mitarbeiter zugänglich, die  für ihre Aufgaben darauf angewiesen seien. Mit Hilfe der Informationen aus "XKeyscore" seien bereits mehr als 300 Terroristen festgenommen worden.

"Mit dem christlichen Menschenbild nicht zu vereinbaren"

Die massive Überwachung der Internet-Kommunikation durch den US-Geheimdienst NSA verstößt nach Ansicht des kirchlichen Datenschützers Jochim Selzer gegen christliche Grundwerte. "Diese Grundvermutung, dass alle Menschen immer etwas Böses wollen und dass deswegen eine derartige Rasterfahndung organisiert wird, ist mit dem christlichen Menschenbild nicht in Einklang zu bringen", sagte der Datenschutzbeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Bad-Godesberg-Voreifel am Donnerstag der Nachrichtenagentur epd. "Das hat paranoide Züge", sagte Selzer. "Da schlagen die Sicherheitsbehörden über die Stränge." Der Staat dürfe nicht davon ausgehen, dass jeder ein potenzieller Terrorist sei.

Datenschützer Selzer will auch in Kirchenkreisen das Bewusstsein dafür wecken, die Internet-Kommunikation zu verschlüsseln. Zu diesem Zweck organisiert er "Crypto Partys" - diese Basisbewegung erklärt in Veranstaltungen, wie die digitale Kommunikation möglichst einfach verschlüsselt und das Internet anonym genutzt werden kann. Pfarrer und Pfarrerinnen hätten es oft mit sensiblen Daten aus Seelsorge und Gemeinde zu tun und deswegen die Verantwortung, diese zu schützen, sagte Selzer.