Faire Mode: Mehr als schön

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Gerecht gehandelte Kleidung garantiert einen Mindestlohn, von dem alle Beteiligten leben können. Auch die Näherinnen und Näher.
Faire Mode: Mehr als schön
Ein T-Shirt für zwei Euro, die Hose für zehn: Beim Shoppen sind viele Deutsche Schnäppchenjäger. Doch irgendwer muss den Preis für das billige Vergnügen zahlen. Meist sind es die Produzenten, die Näherinnen in den Fabriken. Gerecht gehandelte Mode ist zwar etwas teurer, dafür können alle am Herstellungsprozess Beteiligten davon leben.

Die Bilder von Bangladesch Ende Mai verstören: Näherinnen liegen unter den Trümmern einer Textilfabrik, mehr als tausend Menschen sterben. Obwohl die Mängel bekannt waren, störte die Gefahr weder den Besitzer noch die Modelabels, die dort produzierten. Das Thema erregte die Medien, Tage später fragte Günther Jauch: "Billigkleidung aus Bangladesch: Sind wir schuld am Tod der Näherinnen?"

###mehr-info### Sabine Ferenschild, Textilien-Expertin vom Südwind-Institut in Siegburg, sagt: "Es geht nicht nur um Gebäudesicherung oder Brandschutz." Die Löhne seien zu niedrig, so dass die Beschäftigten gezwungen seien, Überstunden zu machen. Gewerkschaftliche Aktivitäten seien zwar oft gesetzlich erlaubt, würden aber durch die Fabrikbesitzer unterbunden. "Es gibt ein großes Problem der Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz durch Vorgesetzte. Auch Minderjährige werden beschäftigt", sagt Ferenschild.

Immer mehr Menschen stellen seit dem Unglück Fragen, wollen ohne schlechtes Gewissen shoppen gehen. Textilien-Expertin Ferenschild hat beobachtet, dass das Interesse an ökologisch und ethisch hergestellter Kleidung wächst. 

Bei fair gehandelter Kleidung erhalten alle Beteiligten in der Produktionskette - vom Bauern auf dem Baumwollfeld bis zu den Strickern und Webern - Löhne, von denen sie leben können. Dass Mindeststandards eingehalten werden, sollen bestimmte Siegel und Initiativen garantieren. "Es existiert aber eine große Unsicherheit: Wo finde ich das denn dann? Und ist das überhaupt glaubwürdig?", erklärt Ferenschild. Im Kleidungssektor sei ein Überblick schwierig, die Strukturen wegen des hohen Verarbeitungsgrades kompliziert.

Keine vollständige Garantie für gute Bedingungen

Als Besitzer einer Boutique, die fair gehandelter Mode anbietet, ist Gerd Palmer auf die Siegel angewiesen. "Gegen Bestechung und Kriminalität ist man nie gefeit", sagt der Geschäftsführer des Frankfurter Ladens "OrganicC". Natürlich sei die Verführung für einen einfachen Kontrolleur in Bangladesch groß, sich bestechen zu lassen, wenn er das drei- oder vierfache vom Jahresgehalt geboten bekomme.

Deshalb guckt sich Palmer die Menschen genau an, mit denen er zusammenarbeitet. "Ich frage mich: 'Was haben sie für Ziele?'", sagt der 49-Jährige. Viele seiner Lieferanten kenne er schon seit Entstehen des Ladens im Jahr 2008. Für ihn und seine Frau, die den Laden managt, steht Nachhaltigkeit ganz weit oben. Das bedeutet neben der fairen Produktion auch Umweltschutz. Fast alle Kleidungsstücke sind ökologisch hergestellt, viele bestehen aus recyceltem Material. So gibt es etwa Jacken aus PET-Flaschen und Schuhe aus Fahrradreifen.

Die bunten Tücher sind nicht nur schon, sie fühlen sich auch gut an.
Das "OrganicC" ist hell und aufgeräumt, links und rechts stehen Kleiderständer mit Hosen, Blusen und T-Shirts. Ein einfaches T-Shirt kostet etwa 20 Euro, eine Jeans gibt es für 100 Euro. Die Stoffe fühlen sich weich und fest an. In der Mitte liegen auf einem Tisch bunte Tücher und Gürtel, eine Wand ist mit hohen Spiegeln behangen, wodurch der Raum größer wirkt. An der Wand steht im knalligen Grün: "Trag die Welt schön."

Das ist es, was sich Palmers Kunden wünschen: Eine schönere Welt. Ganz so einfach sei das aber nicht, sagt Sandra Dusch Silva von der Christlichen Initiative Romero. Sie war an der Untersuchung "Grüne Mode" beteiligt, die sich mit Modefirmen und Siegeln für fairen und ökologischen Handel befasst. "Es ist relativ komplex, so dass man nicht sagen kann: 'Mach das und dann wird alles gut!'" Das mache es schwierig und könne schon mal demotivieren.

Denn unter den Siegeln gebe es verschiedene Abstufungen. Die überzeugendsten ökologischen Siegel seien IVN Best und GOTS. Im Bereich Sozialstandards überzeuge die Fair Wear Foundation, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolge. "Sehr effektiv ist es, wenn sich der Verbraucher über die Mitglieder in der Fair Wear Foundation informiert und dann gezielt dort einkauft", sagt Dusch Silva.

Grüne Mode ist auch Selbstschutz

Laut Ladenbesitzer Palmer tut man nicht nur den Arbeitern in den Fabriken etwas Gutes, wenn man nachhaltig einkauft. "In der herkömmlichen Kleidung ist so viel Chemie, so viele krebserregende Stoffe", sagt er. Und die nehme der Körper nach und nach auf. "Das Heimtückische ist ja, dass wir nicht sofort allergisch werden", erklärt Palmer. Irgendwann im Alter bekomme man dann Krebs. "Ich sage den Leuten immer: 'Tut euch was Gutes, kauft wenigstens die Unterwäsche ökologisch, die habt ihr direkt auf der Haut!'"

Schon die Kleinsten können fair und ökologisch eingekleidet werden.
Gerade bei Kleinkindern könne er nicht verstehen, dass man sie nicht ökologisch einkleide. "Unsere Babysachen sind nicht teurer als in normalen Kinderboutiquen!" Man könne sich von Kopf bis Fuß ethisch und bio anziehen, nur Business-Anzüge gebe es nicht zu kaufen.

Viele Menschen beklagten Unglücke wie in Bangladesch, reagierten aber nicht. "Das ist schon etwas heuchlerisch, wenn man sich über die Discounter beschwert", meint Palmer. Der Verbraucher habe es schließlich selbst in der Hand, sinnvoll einzukaufen. Vielleicht müsse die Politik Anreize schaffen. Subventionen lehnt der Geschäftsmann aber ab. Eine Alternative wären Steuervergünstigungen. Und mehr Aufklärung: "Einmal darüber reden reicht nicht. Wir müssen ständig daran erinnern."