Die Einflüsterer der Waffenschmieden

Das Gebäude des Bundestages von einem gegenüberliegenden Büro aus gesehen
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Immer nah an den Entscheidern: Die Vertreter der Rüstungslobby haben Büros in der Nähe des Bundestages (Symbolbild).
Die Einflüsterer der Waffenschmieden
Rüstungslobbyisten umwerben in Berlin die Politik. Sie begleiten Kanzlerin und Minister auf Auslandsreisen und versuchen, ihre umstrittene Branche im besten Licht erscheinen zu lassen.
12.09.2012
evangelisch.de

In Hollywood-Filmen sind sie schnell zu erkennen: Sie schauen stets ein wenig fies und sehen aus wie Nicolas Cage in „Lord of war“. Die Kinomacher verpassen den Waffenhändlern und Rüstungslobbyisten gern eine düstere, geheimnisvolle Aura. In der Realität wirken sie weit weniger anrüchig und spannend. Die wichtigsten deutschen Rüstungslobbyisten sind Geschäftsführer von Mittelständlern, Vorsitzende von Flugzeugkonzernen und ehemalige Staatssekretäre. Einfluss genießen die deutschen Rüstungslobbyisten allerdings sehr wohl: Die Sprachrohre der deutschen Waffenschmieden haben Zugang bis zur Regierungsspitze.

So ließ sich die Bundeskanzlerin auf einer Afrikareise im vergangenen Jahr von Deutschlands wohl mächtigsten Rüstungslobbyisten begleiten: Friedrich Lürßen, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) und Geschäftsführer der Lürssen-Werft in Bremen, reiste im Juli 2011 mit Angela Merkel nach Angola, Kenia und Nigeria. Auf einer deutsch-angolanischen Wirtschaftskonferenz warb Merkel laut verschiedener Presseberichte für den Kauf von deutschen Patrouillenbooten: „Wir würden Ihnen auch gern helfen bei Ihren Verteidigungsanstrengungen, zum Beispiel bei der Ertüchtigung der Marine.“ Friedrich Lürßen dürfte das gerne gehört haben, schließlich baut seine Werft unter anderem Kriegsschiffe und Patrouillenboote. Lürßen soll gegenüber Journalisten gesagt haben, dass seine Werft der angolanischen Regierung sechs bis acht Boote für einen Preis zwischen zehn und 25 Millionen Euro angeboten habe.

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Auch nach Indien nahm Merkel vom 2011 unter anderem Unternehmensvertreter von EADS mit. Indien war damals auf der Suche nach einem neuen Jagdflugzeug und der Eurofighter Thyphoon, den EADS und andere Partner auch in Deutschland bauen, war in die letzte Auswahlrunde gekommen. Merkel und der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg warben für den Kauf des Kampfjets. Dennoch entschieden die Inder sich für ein französisches Konkurrenzmodell.

Auf weitere Reisen in die Türkei, nach Saudi-Arabien, Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate begleiteten die Kanzlerin Vertreter von ThyssenKrupp Marine Systems (der Mutterkonzern der Kriegsschiffproduzenten Blohm + Voss und HDW), Diehl (unter anderem Panzerketten, Artilleriegranaten), Rheinmetall (Schützenpanzer, geschützte Fahrzeuge, Munition) und erneut von EADS. Die Mitreisenden werden meist von Industrieverbänden vorgeschlagen und vom Kanzleramt oder den jeweiligen Ministerien ausgewählt. Auf vielen Reisen sind Wirtschaftsdelegationen dabei, für die ein eigenes Besuchsprogramm organisiert wird. „Dieses Sonderprogramm gibt den Vertretern der deutschen Wirtschaft Gelegenheit, Gespräche mit ihren Partnern aus Regierung und Wirtschaft des Gastlandes zu führen“, teilt die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei mit.

Residenz am Pariser Platz: Nähe zur Macht

Wichtiger als die Reisen mit der Kanzlerin und ihren Ministern ist für die Lobbyisten aber die Arbeit in Berlin. Die großen deutschen Rüstungsfirmen unterhalten Hauptstadtrepräsentanzen in bester Lage: Der Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann residiert am Pariser Platz direkt am Brandenburger Tor. EADS hat am Potsdamer Platz Quartier bezogen, wo auch Daimler residiert. Der Autobauer stellt neben Limousinen auch gepanzerte Militärfahrzeuge her. Die meisten Firmenzentralen liegen nur wenige Minuten vom politischen Machtzentrum entfernt.

Die Lobbyisten suchen nicht nur die räumliche Nähe zu den Entscheidern. Auf „parlamentarischen Abenden“ und bei Gesprächen im kleinen Kreis vertreten Rüstungslobbyisten die Interessen ihrer Auftraggeber. Bei parlamentarischen Abenden sind Lobby-Verbände die Gastgeber – und können sich meist über Minister oder Staatssekretäre als Redner freuen. Und auch die großen Rüstungsunternehmen veranstalten eigene „Informationsveranstaltungen“. So lud Diehl im Mai 2010 in Berlin zum eigenen parlamentarischen Abend ein – für die Veranstaltung durfte das Rüstungsunternehmen die bayerische Vertretung in der Hauptstadt nutzen. Als Gastredner gewann Diehl Rainer Brüderle, den früheren Bundeswirtschaftsminister und heutigen Fraktionsvorsitzender im Bundestag der FDP.

###mehr-links### Lobbyarbeit findet nicht verschwörerisch in verrauchten Hinterzimmern statt, sondern auch ganz öffentlich und offiziell in Verbänden und Vereinen. Der BDSV mit Lürßen an der Spitze nahm im Januar 2010 die Arbeit auf und gilt bereits als wichtigstes Sprachrohr der Rüstungsindustrie in Deutschland. Auf seiner Website beschreibt sich der BDSV als „Point of Contact der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und als Scharnier zwischen Unternehmen, Politik, Gesellschaft, Institutionen und Medien“, was man auch als umständliche Umschreibung deuten könnte für das Ziel, Medien und Politik im Sinne der Rüstungsindustrie zu beeinflussen.

Zusammentreffen auf Symposien und Vorträgen

Großem Einfluss wird zudem dem Förderkreis Deutsches Heer (FKH) nachgesagt. Der FKH nennt „das gemeinsame Bemühen um eine leistungsfähige nationale Industriebasis für die Ausrüstung des deutschen Heeres und der deutschen Landstreitkräfte insgesamt“ als einen Vereinszweck. Zu den Mitgliedern gehören die Gewehrschmiede Heckler & Koch, Rheinmetall, die EADS-Tochter Cassidian und auch Daimler. Im Präsidium des Förderkreises sind Parlamentarier aktiv, zum Beispiel Bernd Siebert (CDU), Henning Otte (CDU) und Johannes Kahrs (SPD). Vizepräsident des FKH ist Jörg van Essen, erster parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag und Mitglied des FDP-Bundesvorstandes.

Doppelfunktion: Jörg van Essen ist Mitglied im FDP-Bundesvorstand und Vizepräsident des FKH. Foto: dpa/Soeren Stache

Jährlich veranstaltet der FKH mit dem Heeresamt der Bundeswehr ein Symposium „zur weiteren Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Bedarfsträger, Bedarfsdecker und der wehrtechnischen Industrie“. Lobbyisten arbeiten auch indirekt an der Gesetzgebung mit: Mittelständler, die Mitglieder im FKH und in der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) sind, haben zur Bundeswehrreform ein Positionspapier erarbeitet und mit einem Kommissionsmitglied der sogenannten Weise-Kommission beraten, die Vorschläge für das Verteidigungsministerium erarbeitet hat. Die Bundeswehrreform wollen die Rüstungsunternehmen so gut es geht für sich nutzen: „Den Unternehmenslenkern und Mitarbeitern ist dabei bewusst, dass dieser Prozess Veränderungen und Einschnitte auf allen Seiten mit sich bringen wird“, heißt es in einer Erklärung von FKH und anderen Verbänden. „Der Mittelstand erwartet dadurch aber auch einen Wandel zu schlankeren Führungs- und Entscheidungsprozessen und eine Rückbesinnung auf die rüstungswirtschaftliche Vielfalt und Exzellenz zur Bewältigung der aktuellen und kommenden Herausforderungen für unsere Bundeswehr.“

Für ihre Lobbyarbeit nutzen Rüstungsunternehmen nicht nur die offiziellen Interessenvertretungen wie den BDSV, sondern auch Vereine und Gesellschaften, die sich mit Sicherheitspolitik und Wehrtechnik beschäftigen. Auch dort kommen Industrievertreter mit namhaften Politikern zusammen. Der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), etwa gehört dem Kuratorium der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW) an. Sein Kollege, Staatssekretär Thomas Kossendey (CDU), ist Vizepräsident der GfW und hatte bis Mai 2012 das gleiche Amt bei der DWT inne.

Politiker sitzen in Lobbyvereinen

Die DWT will nach eigenen Angaben Politik, Wirtschaft, Industrie, Bundeswehr, Behörden und Wissenschaft zusammenbringen. „In den Führungsgremien, dem beratenden Präsidium und dem operativ lenkenden Vorstand sind hochrangige Entscheidungsträger aus diesen Bereichen vertreten. Ihr Engagement ist sichtbares Zeichen für die Bedeutung, die der DWT im gesamten sicherheitspolitischen, wehr- und sicherheitstechnischen und verteidigungswirtschaftlichen Bereich zugeordnet wird“, teilt die Gesellschaft mit. Zum Präsidium sitzen zahlreiche Bundestagsabgeordnete der Union, FDP und SPD sowie Vertreter der Wirtschaft, etwa Oliver Dellschau, Leiter Außenbeziehungen und Marketing des Raketenkonzerns MBDA Deutschland und Frank Haun, Geschäftsführer des Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann.

Die GfW hingegen ist kein klassischer Lobbyverband, sondern ein gemeinnütziger Verein. Sie beschäftigt sich mit der „Förderung der Bildung auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch Informationen“. Ein Vereinszweck ist die Erhaltung der allgemeinen Verteidigungsbereitschaft unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Streitkräfte“. Die GfW finanziert das Magazin „Europäische Sicherheit und Technik“, das unter anderem über Neuentwicklung und Vertragsabschlüsse der Rüstungsindustrie berichtet. Sie ist zudem eng mit der DWT verbunden. Die GfW sei mit der Rüstungsindustrie vernetzt, schreibt das Nachrichtenmagazin Spiegel. Kritiker bemängeln, dass Rüstungslobbyisten in dem Verein aktiv sind, die stärker die wirtschaftlichen Interessen ihrer Firmen vor Augen haben als eine sicherheitspolitische Debatte.

Dass Staatssekretäre in Organisationen aktiv sind, die der Rüstungswirtschaft nah stehen, hält die Bundesregierung nicht für problematisch – ein Interessenskonflikt bestehe nicht. „Die Einbeziehung fachkundiger Vertreter der öffentlichen Institutionen unterstützt eine effektive Vereinsarbeit“, teilt die Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei mit. „Die Wahrnehmung von Aufgaben bei der DWT und der GfW erfolgt in Übereinstimmung mit gesetzlichen/rechtlichen Vorgaben.“

Genauso legal sind auch Wechsel ehemaliger Staatssekretäre in die Rüstungslobby. Der heutige Hauptgeschäftsführer des BDSV, Georg Wilhelm Adamowitsch, war Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, sein damaliger Kollege Ditmar Staffelt (SPD) wechselte 2009 als Cheflobbyist zu EADS – offiziell heißt der Posten „Vorstandsbeauftragter für Politik- und Regierungsangelegenheiten“. Seit Juni ist Staffelt nur noch beratend für den Luftfahrt- und Rüstungskonzern tätig. Bei seiner Verabschiedung von der SPD-Fraktion 2008 soll er laut Spiegel gesagt haben: „Ich soll mich um die Regierung und vor allem um euch kümmern. Also macht mir keine falsche Politik.“