Seit fast 100 Jahren ist "Baumann" eine feste Adresse für Kirchenbedarf. Doch der Spezialladen im bürgerlichen Berlin-Wilmersdorf könnte bald für immer schließen. Inhaber Matthias Bergold möchte mit nun 71 Jahren endlich die Annehmlichkeiten des Ruhestandes genießen und sucht schon länger händeringend einen Nachfolger für seinen 150 Quadratmeter großen Laden mit drei Verkaufsräumen. Bislang ohne Erfolg.
Der Spezialladen liegt unweit der sechsspurigen Bundesallee an einer breiten, aber eher ruhigen Straße mitten durch ein Wohngebiet. Die Schaufenster-Dekoration ist schlicht: ein übergroßer Kerzenständer, eine handkolorierte Madonnen-Figur, ein paar Herrnhuter Sterne in unterschiedlichen Farben. Es gibt Laufkundschaft. Doch die meisten Kunden kommen ganz gezielt hierher: Nirgendwo sonst in Berlin gibt es Kirchenbedarf für alle christlichen Konfessionen in dieser Sortimentsbreite. Das wissen Katholiken und Protestanten aus der gesamten Stadt und dem Umland ebenso zu schätzen wie Griechisch- und Russisch-Orthodoxe oder sogar Kopten, wie Bergold berichtet.
Die katholischen Messgewänder im Regal etwa sind handgewebt und erkennbar hochwertig. Sie haben ihren festen Schnitt und bleiben unverändert. Ganz im Gegensatz zu den Talaren für evangelische Geistliche, gleich nebenan, erläutert der Ladeninhaber: Sie werden der Figur des jeweiligen Kunden oder der Kundin angepasst und sollen möglichst ein ganzes Pfarrerleben lang halten. Matthias Bergold arbeitet für seine Kunden mit einer ganzen Reihe von Firmen und Handwerkern zusammen, etwa einer Paramentenwerkstatt, Gold- und Silberschmieden.
Was die Nachfolge mitbringen muss
Ein Nachfolger müsse flexibel sein, dürfe Überstunden nicht scheuen und müsse vor allem taktvoll gegenüber den kirchlichen Kunden auftreten: "Unsere Branche ist nicht vergleichbar mit dem Hamburger Fischmarkt", sagt Bergold bedeutungsvoll. Er selbst hat sich im Laufe von nunmehr bald 25 Jahren mehr und mehr in die Materie hineingearbeitet: "Es gibt keine Kirche in Berlin, in der nicht irgendetwas aus dem 'Baumann' zu finden ist." So kommen die Ölgefäße in der neuen Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz, der Bischofskirche des katholischen Erzbistums Berlin, von "Baumann". Zu vielen Gemeinden und Pfarrern seien im Laufe der Jahre sehr persönliche Kontakte entstanden, sagt der Ladeninhaber.
Der Spezialladen hat seine Wurzeln im Jahr 1927 in Thüringen, nach Berlin kam er nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Das ist jetzt bald 80 Jahre her. Seit 2004 ist Matthias Bergold Inhaber und Geschäftsführer, den Namen der Gründer hat das Geschäft aber behalten. Bis zur Corona-Pandemie hatte er noch eine Mitarbeiterin im Laden, seither steht er an vier Tagen pro Woche allein dort. An den Wochenenden geht es oft zu Lieferanten, etwa von Krippen nach Südtirol, oder zu kirchlichen Veranstaltungen, wo Bergold mit einem Stand informiert und verkauft. Seine Tochter hilft gelegentlich im Laden, übernehmen will sie ihn indes nicht.
Blickt Bergold auf die Highlights seines Berufslebens zurück, fällt ihm spontan der Besuch von Papst Benedikt XVI. im September 2011 in Berlin ein. Damals war das "Baumann" mit einem Verkaufsstand im Berliner Olympiastadion vertreten. Auch um Teile der Ausstattung des Papstbesuchs hatte sich der Laden seinerzeit beworben: "Leider waren wir ein bisschen zu spät dran und haben den Zuschlag dann nicht bekommen."
Denkt Bergold ans Aufhören, wird er ein bisschen wehmütig. Die Krippen etwa könnten ihm fehlen, sagt er. Mit bis zu 50 Exemplaren hat er das weit und breit größte Angebot dazu. Privatpersonen sammeln dafür oft jahrelang und kaufen jedes Jahr weitere Figuren hinzu. Schultertücher, Beffchen, Hemden, Talare, Messgewänder, Kruzifixe, Madonnen-Figuren, Kerzen, Literatur, Herrnhuter Sterne, Hostien - nichts, was in Kirchen gebraucht werden könnte, fehlt in Bergolds Laden: "Viele kommen wegen der Kerzen - Kirchenkerzen haben schon ein ganz besonderes Brennverhalten."
Eine Kundin fragt nach einem katholischen Gesangbuch in großer Schrift. Bergold hat es nicht im Laden, notiert sich aber die Telefonnummer der Frau und verspricht, es bis kommende Woche zu besorgen. Noch hofft der 71-Jährige darauf, einen geeigneten Nachfolger zu finden, am liebsten sofort: "Wenn der Laden hier verschwindet, dann gibt es nur noch das Internet."