Nie wieder ergebnisarme Gipfel? Das wäre schön

Foto: photocase/Seleneos
Nie wieder ergebnisarme Gipfel? Das wäre schön
Kirchen und Gewerkschaften sind so etwas wie die natürlichen Partner zur Bewahrung der Schöpfung und zur Durchsetzung von sozialen Gerechtigkeitsstrukturen. Zumindest schreiben sich beide Großorganisationen auf ihre Fahnen, sich dafür einzusetzen, dass die Menschen nachhaltig handeln und die Wirtschaft neu und gerecht gestaltet wird. Grund genug, dass die EKD und der DGB neben dem Deutschen Naturschutzring nun in Berlin zwei Tage lang gemeinsam einen Transformationskongress veranstaltet haben.

Die Gesellschaft müsse sich endlich von der Vorstellung eines grenzenlosen allein gewinnorientierten Wachstums verabschieden. Es gehe dabei längst nicht mehr nur um kleine Kurskorrekturen, sondern einen fundamentalen Paradigmenwechsel.

"Wie muss ein Setting aussehen, dass Wachstum so steuert, dass es eben nicht zerstörerisch wird, sondern aufbauend", fragt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Nikolaus Schneider.

Fachleute wie der Wuppertaler Umwelt-Ökonom Gerhard Scherhorn sind sich sicher, dass es aber in ungerechten Strukturen kein schöpfungsgerechtes Wirtschaften geben könne. Ein nachhaltiges Konsumverhalten, das die Ressourcen schone, brauche daher auch neue Gesetze.

Umweltschutz schmälert Gewinne der Aktionäre

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"Für eine nachhaltige Entwicklung brauchen wir eine Transformation des Wettbewerbs. Heute erzwingt der Wettbewerb eine Externalisierung. Unternehmen können Gemeingüter wie Wälder, Meere, Fischgründe ohne jede Verpflichtung nutzen, diese zur Nutzung aller Menschen wieder herzustellen", sagt Scherhorn, der auch Leiter der Projektgruppe Ethisch-Ökologisches Rating an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ist.

Es brauche vor allem eine neue Wirtschaftsordnung, die wie früher den Gemeingüterschutz im Blick habe. Das Eigentumsrecht müsse geändert werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch habe bisher aus historischen Gründen den Schutz der Gemeingüter vernachlässigt. Für das Bürgertum war das Privateigentum das Mittel, sich vor der Willkür der Fürsten, des Adels, des Klerus, also der Privilegierten zu schützen. So wurde das Rechts- und Wirtschaftsdenken seit dem 17. Jahrhundert auf das Privateigentum fixiert. Der Schutz der lokalen Gemeingüter, die bis dahin in Gestalt der Allmenden verbreitet waren, geriet in Vergessenheit. Die Grundherren beanspruchten die ländlichen Gemeinressourcen als ihr Privateigentum, die städtischen Bürger legten keinen Wert darauf. So wurden die Allmenden aus dem Recht verdrängt, meint Scherhorn.

Fatalerweise sind die Allmenden trotz heute schon bestehender Umweltgesetze nicht grundlegend geschützt. Nach dem heute gültigen Aktiengesetz hat zum Beispiel der Unternehmensvorstand die Pflicht, das Vermögen der Aktionäre zu erhalten, nicht aber auch die in Anspruch genommenen Gemeingüter. Im Gegenteil könnte er von Aktionären verklagt werden, wenn er den Gewinn schmälert, etwa wenn er Umweltschutzinvestitionen anordnet, Arbeitsbedingungen verbessert oder durch Arbeitszeitverkürzung Entlassungen vermeidet.

Unwetter verteuern Waren

Die Zeit der kraftlosen Appelle und ergebnisarmen Gipfel müsse angesichts der globalen Umweltkrise zu Ende sein. Der Kapitalismus brauche Rechtsnormen, die die Umwelt geldwert miteinrechnen. Ziel müsse die Transformation von der Sozialen hin zur Sozial-Ökologischen Marktwirtschaft sein. Im Aktiengesetz etwa müssten die Unternehmensvorstände auf den Schutz der natürlichen und der sozialen Gemeingüter verpflichtet werden, die das Unternehmen nutzt. Im Kreditwesen- und Investmentgesetz müssten Banken und Investmentfonds künftig dazu verpflichtet werden, Kapitalanleger über die Natur- und Sozialverträglichkeit ihrer Anlageprodukte zu informieren. Banken sollten Kredite überhaupt nur für nachhaltige Zwecke vergeben, fordert Scherhorn. Die neue Art des Wirtschaftens müsse aber nicht automatisch höhere Lebenskosten für den Endverbraucher bedeuten.

"Es wird eine Verteuerung von Rohstoffen wie auch von einzelnen Produkten geben, aber die wird es angesichts der weltweiten Ressourcenknappheit sowieso geben. Wenn wir nicht nachhaltig wirtschaften, wird es bald etwa durch Klimaveränderungen und unvorstellbare Unwetter bedingt katastrophale Verteuerungen geben", sagt Scherhorn voraus.

Beispiel Ökologische Landwirtschaft: Ein Kilogramm Schweineschnitzel aus konventioneller Produktion kann für sieben Euro verkauft werden, während das Kilo Schnitzel aus ökologischer Tierzucht etwa 13 € kosten muss, um kostendeckend zu sein. Insgesamt aber werde der Verbraucher unter dem Strich nicht mehr bezahlen, weil er sich wahrscheinlich bewusster und fleischärmer ernähren wird, rechnet Scherhorn vor.

"Das Leben geht unbeeindruckt weiter"

In den 1980er Jahren lösten die Grünen einen allgemeinen Entrüstungssturm aus, als sie zur Behebung der ökologischen Folgekosten des Autoverkehrs forderten, dass der Liter Benzin 5 DM kosten müsse. Doch die Lösung könne nicht darin bestehen, den Sprit zu verteuern, meint der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Michael Sommer. Viel mehr brauche es neue Autos ohne Verbrennungsmotoren und intelligente Mobilitätskonzepte. Eine gut arbeitende Wirtschaft brauche auch einen funktionierenden Individualverkehr und das heiße eben auch ein Ja zum Auto. Nur brauche es dafür bestimmt kein Benzin mehr, weil Öl in Zukunft einfach nicht mehr bezahlbar zur Verfügung stehen wird, sagt Sommer.

Politiker, Verbände und Verbraucher müssten jetzt aber endlich gemeinsam die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft wollen und tragen. Und zwar in einer vorher nicht vorstellbar schnellen Zeit. Nur müsse man die globale Krise jetzt auch als Chance zur echten Veränderung begreifen und nutzen.

"Sonst hat man gefühlt akademische Diskussionen, aber das gelebte Leben geht völlig unbeeindruckt einfach weiter", warnt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Nikolaus Schneider.