DDR-Heimerziehung: Forscher sieht kirchliche Mitverantwortung

DDR-Heimerziehung: Forscher sieht kirchliche Mitverantwortung
Der Berliner Sozialethiker Karsten Laudien hat die kirchlichen Wohlfahrtsverbände zu einem offensiven Umgang mit ihrer Rolle innerhalb der DDR-Heimerziehung aufgerufen.
29.05.2012
epd
Jürgen Heilig

Sie hätten zeitweise bis zu einem Viertel der Jugendhilfeeinrichtungen betrieben, sagte der an der Evangelischen Hochschule Berlin lehrende Theologe in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch wenn sich die Heime von Diakonie und Caritas den staatlichen Vorgaben widersetzten, ändere das nichts an der kirchlichen Mitverantwortung. Immerhin seien sie aus dem Etat des Ministeriums für Volksbildung finanziert worden.

Zusammen mit dem Politologen Christian Sachse hat Laudien kürzlich für das Bundesinnenministerium eine Expertise zur DDR-Heimerziehung erstellt. Demnach befanden sich in den 50er Jahren von rund 700 Heimen mindestens 152 mit knapp 9.300 Plätzen in kirchlicher Trägerschaft, möglicherweise sogar 184 Heime. Da sie als politisch unzuverlässig galten, kam es zur Schließung vieler Einrichtungen. "Aber noch in den 60er Jahren dürfte es mehr als 100 gegeben haben, in den 80er Jahren hingegen wahrscheinlich nur zwei Dutzend", sagte Laudien.  

Laut der Expertise waren zwischen 1949 und 1989 insgesamt rund 435.000 Kinder und Jugendliche in DDR-Heimen untergebracht, ein Drittel davon in den besonders berüchtigten Jugendwerkhöfen und anderen Spezialheimen. Wieviele Kinder in kirchlichen Einrichtungen lebten, lasse sich derzeit nicht beziffern, sagte Laudien.

Hoher Forschungsbedarf beim Erziehungsalltag

Einen hohen Forschungsbedarf sieht er noch beim Erziehungsalltag. Dort hätten sich die kirchlichen Heime sicher von den staatlichen unterschieden, wahrscheinlich jedoch nicht von westdeutschen Einrichtungen, gerade in der Nachkriegszeit nicht.

Nach Aufdeckung von Missständen in der westdeutschen Heimerziehung hatten sich die Kirchen an einem 120-Millionen-Hilfsfonds beteiligt. An einer danach in Gang gesetzten Lösung für DDR-Heimkinder lehnten sie eine Beteiligung bisher mit dem Argument ab, dass es dort keine kirchlichen Heime der Jugendhilfe gegeben habe.

"Die Kirchen haben nichts zu verlieren, wenn sie sich auch hier der Vergangenheit stellen", betonte der Theologe. Möglicherweise stelle sich dabei auch heraus, dass die kirchlichen Einrichtungen trotz Fällen von Misshandlung und repressiver Erziehung eine "Oase" im Vergleich zu staatlichen Heimen gewesen seien.