TV-Tipp: "Ostfriesenhölle"

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27. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ostfriesenhölle"
Für einen Reihenkrimi ist das Thema verbotene Waffenexporte eher ungewöhnlich, zumal sich der dreizehnte "Ostfrieslandkrimi" nach den Romanen von Klaus-Peter Wolf zunächst in eine völlig andere Richtung entwickelt: Beim Strandspaziergang mit seiner Mutter bricht der 15jährige Cosmo auf Langeoog tot zusammen.

Zur Kriegsführung bestimmte Waffen, heißt es in der Verfassung, "dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden." Hintergrund der Formulierung war ein ausdrückliches Anliegen der Männer und Frauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Grundgesetz formuliert haben: Sie wollten auf diese Weise die Friedfertigkeit Deutschlands dokumentieren. Auch der Export von Kriegsgerät ist in einem Gesetz geregelt: In Krisengebieten sollen deutsche Waffen nicht zum Einsatz kommen.

In seinem Polit-Thriller "Meister des Todes" hat der investigative Filmemacher Daniel Harrich schon vor zehn Jahren am Beispiel Mexikos geschildert, wie es der deutschen Rüstungsindustrie gelingt, dieses Kriegswaffenkontrollgesetz zu umgehen. Für einen Reihenkrimi ist das Thema eher ungewöhnlich, zumal sich der dreizehnte "Ostfrieslandkrimi" nach den Romanen von Klaus-Peter Wolf zunächst in eine völlig andere Richtung entwickelt: Beim Strandspaziergang mit seiner Mutter bricht der 15jährige Cosmo auf Langeoog tot zusammen.

Später stellt sich raus, dass er vergiftet worden ist. In Verdacht gerät sein bester Freund Marvin Claudius, die beiden bildeten ein Rap-Duo, das sich im Streit getrennt hat. Cosmos Mutter ist überzeugt, dass Marvin ihren Sohn auf dem Gewissen hat. Als Ann Kathrin Klaasen (Picco von Groote) und ihr Team von der Kripo Aurich auf der Insel eintreffen, haben sich die Dinge zugespitzt: Cosmos Mutter ist erstochen worden, Marvin ist verschwunden. 

Der Fall ist besonders heikel, und das nicht nur, weil der Junge der Enkel des niedersächsischen Innenministers ist. Am Abend wird Marvin dank eines Großaufgebots zwar gefunden, aber die Erleichterung währt nur kurz, denn tags drauf verschwindet er schon wieder: Thomas Claudius (Bernhard Schütz) erhält die Mitteilung, dass sein Enkel entführt worden ist. Die Kidnapper wollen jedoch kein Lösegeld, sondern eine Liste mit allen Vertrauenspersonen ("V-Leute"), die nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in zwei weiteren Bundesländern auf der Lohnliste der Behörden stehen.

Die Herausgabe dieser Übersicht würde auf einen Schlag jahrelange Ermittlungsarbeiten zunichte machen, von der Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen ganz zu schweigen. Claudius steht vor der schwersten Entscheidung seines Lebens; und die Zeit läuft unerbittlich ab. Schon allein dieser Teil der Geschichte böte genug Stoff für einen fesselnden Krimi, aber "Ostfriesenhölle" zieht noch viel weitere Kreise, als Drehbuchautorin Carola M. Lowitz etwas unvermittelt eine neue Ebene ins Spiel bringt.

Dieser prominent besetzte Handlungsstrang beginnt mit einer Auseinandersetzung: Die junge Carla (Johanna Hens) weigert sich, ihren Vater zum Friedhof zu begleiten. Später wirft sie ihm vor, sein Beruf sei Schuld am vermeintlichen Unfalltod der Mutter: Gerd Weber (Benjamin Sadler) arbeitet als Justiziar für ein Unternehmen, das deutsche Rüstungskonzerne beim Export von Kriegsgerät berät. Auch wenn Webers jovialer Chef, Walter Grothejan (Götz Schubert), durchaus sympathisch wirkt: Früh wird klar, dass es dabei auch um illegale Geschäfte geht; ein mexikanisches Drogenkartell macht Druck und wird nicht tatenlos hinnehmen, dass die versprochenen Waffen ausbleiben.

Die beiden Erzählebenen überschneiden sich, als Klaasen zurückgepfiffen wird: Ihre Ermittlungen drohen eine gemeinsame Aktion von Interpol mit dem LKA Niedersachsen gegen Grothejan zu gefährden. Katrin Schmid hat zuletzt mit dem Ehepaar Harald Krassnitzer/Ann-Kathrin Kramer den sehr berührenden Film "Aus dem Leben" (2024, ARD) gedreht; in dem Drama ändert sich nach einem Schlaganfall das Leben einer Grundschullehrerin radikal. Die früheren Beiträge der Regisseurin zu Krimireihen wie "Sarah Kohr" (ZDF), "Die Füchsin" oder "Der Dänemark-Krimi" (beide ARD) waren dagegen zwar zumindest teilweise ausgezeichnet fotografiert, aber nur bedingt spannend.

Auch "Ostfriesenhölle" lebt vor allem von der Handlung und den darstellerischen Leistungen: Bernhard Schütz verkörpert den Großvater, der zunächst nicht viel von der Provinzpolizei hält, ebenso überzeugend wie Benjamin Sadler den Juristen, der viel zu lange die Augen vor den Machenschaften seines Chefs verschlossen hat und außerdem nicht mitbekommt, wie sehr es seine Tochter anwidert, dass zumindest mittelbar Blut an seinen Händen klebt; Johanna Hens entwickelt in dieser Rolle eine große Präsenz. Das gilt auch für Agnes Decker als Grothejans eiskalte Frau fürs Grobe, die mit einem perfiden Plan für das dramatische Finale des Films sorgt.