TV-Tipp: "Dahlmanns letzte Bescherung"

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22. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Dahlmanns letzte Bescherung"
"Dahlmanns letzte Bescherung" ist im Grunde kein Krimi, sondern vor allem ein Familiendrama: Alfons Dahlmann (Thomas Thieme), ein Patriarch alter Schule, hat seine Kinder über die Weihnachtstage in seine niederösterreichische Jagdvilla eingeladen. Zum vorprogrammierten Streit kommt es allerdings nicht...

1920 hat Agatha Christie mit Hercule Poirot einen der berühmtesten Privatdetektive der Kriminal-Literatur erfunden. Der in England ermittelnde Belgier pflegte die Fälle allein mit Hilfe seiner "kleinen grauen Zellen" zu lösen. Gut hundert Jahre später kommt kein TV-Krimi mehr ohne die Ergebnisse von DNS-Tests und Spurensicherung aus. So gesehen ist "Dahlmanns letzte Bescherung" sympathisch altmodisch. Die Ermittlerin ist nicht mal Kommissarin, sondern bloß eine einfache Streifenpolizistin.

Magnus Vattrodt hat zwar auch diverse Krimi-Drehbücher geschrieben, aber seine vielen Auszeichnungen, darunter mehrere Grimme-Preise, hat er größtenteils als Autor für Filme von Matti Geschonneck bekommen: "Liebesjahre" (2011) war ein bitterer Film über nie verheilte Beziehungswunden, "Das Ende einer Nacht" (2012) ein klassischer Justizthriller, "Das Zeugenhaus" (2014) die Rekonstruktion eines deutschen Mikrokosmos’ der Nachkriegszeit. Mit dem erschreckend faszinierenden Kammerspieldrama "Die Wannseekonferenz" (2022) befasste sich das kongeniale Duo mit der "Endlösung der Judenfrage". 

Es passt daher ins Bild, dass auch "Dahlmanns letzte Bescherung" im Grunde kein Krimi, sondern vor allem ein Familiendrama ist: Alfons Dahlmann (Thomas Thieme), ein Patriarch alter Schule, hat seine Kinder über die Weihnachtstage in seine niederösterreichische Jagdvilla eingeladen. Schon allein die Anmutung des düsteren Hauses mit den vielen Jagdtrophäen sorgt für eine denkbar düstere Atmosphäre. Was der Unternehmer seinen Gästen mitzuteilen hat, trägt ebenfalls nicht zu guter Laune bei.

Als erstes lässt er alle Anwesenden eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen, aber worum es wirklich geht, will er erst am nächsten Tag offenbaren. Dazu kommt es jedoch nicht mehr, denn der Alte hat die Nacht nicht überlebt. Eine Stichwunde in seinem Rücken lässt keinen Zweifel daran, dass er in seinem Arbeitszimmer gemeuchelt worden ist.  Unter normalen Umständen würde nun ein Team aus der nächstgrößeren Stadt anreisen, um die Ermittlungen zu übernehmen, doch ein Schneesturm hat in der Nacht dafür gesorgt, dass die Gegend unerreichbar ist.

Polizistin Greta (Noëmi Krausz) wollte eigentlich nur einen Strafzettel zustellen und gerät nun unversehens mitten hinein in einen Mordfall. Die Befragung der Angehörigen offenbart alsbald ein ganz erhebliches Mordmotiv, denn die vermeintliche Verschwiegenheitserklärung entpuppt sich als Schwindel: In Wirklichkeit haben die Kinder dem Vater ihre Firmenanteile überschrieben. Auf diese Weise konnte Dahlmann das Unternehmen ausgerechnet einem Konkurrenzkonzern überlassen.

Davon abgesehen gibt es tiefe Risse im familiären Gefüge, denn die Geschwister sind einander in herzlicher Abneigung zugetan: Der älteste Sohn, Leander (Heino Ferch), hat sein gesamtes Dasein der Firma gewidmet und dabei seine Ehe ruiniert, doch sein einziger Lohn war Undank. Jochen (Jürgen Vogel) hat den Vater als Leiter eines Tochterbetriebs um vier Millionen Euro betrogen und war zwei Jahre im Gefängnis, und Tochter Therese (Anja Kling) hat ihren Hass auf den Alten in vielen erfolgreichen Krimis verarbeitet. 

Die Besetzung ist auch jenseits der vier zentralen Rollen prominent, zumal Thomas Thieme dank vieler Rückblenden weiterhin mitwirkt: Ulrike C. Tscharre als Leanders Frau, Carol Schuler als Partnerin von Thereses, Walter Kreye als Koch und bester Freund Dahlmanns. Als Erzählerin fungiert Adele Neuhauser, die aber abgesehen von einer Fotografie nur akustisch präsent ist: Mimi war die Mutter der Kinder. Nach ihrem Tod hat Dahlmann seine Sekretärin (Margarita Broich) geheiratet, die jedoch von Leander, Jochen und Therese bis heute auch nur als solche betrachtet wird. 

Regie führte Isabel Braak. Ihr Debüt war einst die für die NDR-Reihe "Nordlichter" entstandene Komödie "Plötzlich Türke" (2016), eine äußerst kurzweilige kafkaeske Ämter-Odyssee. Später hat sie neben zwei mehr oder minder gelungenen "Tatort"-Beiträgen den sympathischen ersten Film mit Anna Fischer als kriminalisierende Bestatterin auf der Schwäbischen Alp ("Der Tod zahlt alle Schulden", 2019) gedreht, zuletzt war sie maßgeblich an der Serie "Eine Billion Dollar" (Paramount+) beteiligt.

Ihre Rückkehr zum Krimidrama leidet allerdings an einer gewissen Spannungsarmut. Das gilt auch für das Ensemble: Individuell sind die Mitwirkenden allesamt überzeugend, als Gruppe eher weniger. Sehenswert ist "Dahlmanns letzte Bescherung" daher vor allem wegen der Handlung, die inklusive einer grimmigen Schlusspointe immer wieder durch überraschende Wendungen erfreut.