Sie freut sich einfach, aus dem Haus zu kommen und sich mit anderen Menschen zu unterhalten, erzählt Sitto Bakac. Die 73-Jährige kocht seit drei Jahren jede Woche ehrenamtlich für bis zu 40 Kinder, Jugendliche und Senioren im Wiesbadener Stadtteil Sauerland. Vor Kurzem wurde der generationsübergreifende Mittagstisch vom hessischen Familienministerium bei einem landesweiten Wettbewerb ausgezeichnet.
Seit 11 Uhr stehen Bakac, der gelernte Koch Pascal Wendling und die anderen Ehrenamtlichen in der Küche und bereiten das Essen vor. Heute gibt es Safran-Reis mit gebratenem Gemüse. Bakac kam vor 40 Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Ihre fünf Kinder sind inzwischen ausgezogen und haben eigene Familien gegründet. Und obwohl viele von ihnen in der Nähe wohnen, sucht Bakac die Gemeinschaft auch anderer Menschen. Weil sie als Mutter und mittlerweile elffache Großmutter schon immer viel gekocht hat, hat sie beim Mittagstisch das richtige Ehrenamt für sich gefunden.
Und nicht nur das: Zum Essen selbst kommen Freundinnen und Freunde vorbei, mit denen sie sich mal auf Deutsch, mal auf Türkisch unterhält. Ab 13 Uhr ist der Mittagstisch geöffnet, eine Anmeldung ist nicht nötig. Viele kommen jede Woche, sie werden von den ehren- oder hauptamtlichen Mitarbeitenden mit Vornamen begrüßt. Nach Schulschluss stoßen die Kinder und Jugendlichen dazu.
Den Mittagstisch gibt es in dieser Form seit 2022. Zuvor gab es einen Mittagstisch für die Kinder und Jugendlichen und einen für die älteren Menschen im Stadtteil, erzählt Petra Ebeling, stellvertretende Geschäftsführerin des Kinder- und Beratungszentrums Sauerland (KBS), das den Mittagstisch anbietet. Damit die unterschiedlichen Generationen miteinander ins Gespräch kommen, habe man die beiden Mittagstische zusammengelegt. Gekocht wird teils von Ehrenamtlichen, die den hauptamtlichen Koch Wendling unterstützen.
Halt und Gemeinschaft erleben
Für Safa Saidi El Hadri und Mariam Raoufi ist der Mittagstisch Teil ihrer wöchentlichen Routine. Die beiden Teenagerinnen kommen nach der Schule her, nachmittags gehen sie ins ebenfalls vom KBS betriebene Jugendzentrum Trafohaus, um dort Nachhilfe zu bekommen und mit Gleichaltrigen Zeit zu verbringen. "Wir könnten zwar auch zu Hause essen, aber hier haben wir Zeit, um mit unseren Freundinnen zu reden", sagt El Hadri. Gut besucht wird der Mittagstisch außerdem von den Grundschülerinnen und -schülern, die nebenan die Schule besuchen. Für die jungen Menschen ist immer ein Sozialpädagoge vor Ort, der sie nach dem Mittagessen zum nahegelegenen Jugendzentrum begleitet.
Träger des KBS ist die Evangelische Erlösergemeinde Wiesbaden Sauerland. Die Gemeinde will mit ihrem Engagement, das von einer Kita, über ein Kinder-Eltern-Zentrum, bis zu Angeboten für die Generation 50 Plus reicht, generationsübergreifend und auch interkulturell Kontakt ermöglichen. Seit der Stadtteil vor etwa 30 Jahren gebaut wurde, ist die evangelische Gemeinde hier aktiv. Wiesbaden Sauerland sei ein Stadtteil "mit Bedarfslage", erklärt KBS-Geschäftsführerin Christine Gilberg. Offizielle Indikatoren dafür seien beispielsweise die überdurchschnittliche Anzahl an Kindern in den Familien oder die überdurchschnittlichen Transferleistungen. Sie selbst spricht lieber von einem bunten Stadtteil.
Einer der Stammgäste beim wöchentlichen Mittagstisch ist Theodor Buch. Der 68-Jährige kommt seit neun Jahren hierher. Er freut sich über den Kontakt zu anderen Menschen: "Hier treffe ich Menschen mit unterschiedlichen Herkünften und Biografien. Das Essen ist gut, aber die Kontakte sind noch viel wichtiger."



