Es gibt ja fast nichts Schöneres als mit knurrendem Magen an einer reichgedeckten Tafel Platz zu nehmen oder nachts nach einem herrlich beschwingten Abend noch auf dem Mäuerchen (Sie verzeihen, wir als Niederrheiner neigen zum Verniedlichen) zu sitzen und mit Freund:innen eine Pizza auf die Hand zu verspeisen.
Katja Eifler volontierte nach ihrer Studienzeit im Lokalradio im Rhein-Kreis Neuss. Anschließend arbeitete sie als Radioredakteurin. Später als Redaktionsleiterin eines Wirtschaftsmagazins am Niederrhein. Seit April 2023 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig. Weiterhin arbeitet sie nebenbei als freischaffende Journalistin, Online-Texterin, Coach und Moderatorin.
Gutes Essen ist wirklich ein Geschenk des Himmels. Aber anstatt, dass wir selig lächelnd zusammen an den Tisch sinken und uns einfach freuen, dass es dieses herrliche Mahl für uns gibt, blecken wir lieber die Zähne und wetzen die Messer: Veganer gegen Fleischesser, Bio-Gemüse-Apostel gegen Discounter-Grillmeister, Vielesser gegen Kalorienzähler, Ernährungsprediger gegen ist-mir-egal-Esser und ja auch Religiöse aller Glaubensrichtungen untereinander und erst recht gegeneinander.
Es geht um die Wurst
Nahezu jeder von uns kennt beispielsweise den rabiaten Kleinkrieg zwischen "Pflanzenessern" und "Tierproteinanhängern" in dem mit moralischen Argumenten nur so um sich geworfen wird. Für die einen ist das Schweineschnitzel der Beginn der Apokalypse, für den anderen steht die vegane Bolognese gleichauf mit dem Untergang der gesamten Esskultur. Da werden Grillzangen geworfen und Küchentüren trotzig zugeschlagen. Stiller, aber oft nicht weniger schmerzhaft, wird auch gerne über fülligere Menschen getuschelt, die es gutgelaunt wagen, sich die zweite Schippe Pasta auf den Teller zu häufen, statt die einzelne Möhre in extrakleine Happen zu zerlegen, damit das Essen lange dauert. Und natürlich haben dazu auch die Low-Carb-Freunde direkt wieder einen Stand-up-Vortrag parat, wenn es um diese fiesen Kohlenhydrate geht.
Es geht an unseren Tischen längst nicht mehr darum, ob es jedem schmeckt, sondern ob er auf der richtigen Seite der Moral kaut. Dabei zeigen sich sämtliche Lager seltsam unversöhnlich und extrem hartnäckig. Ganze Abende füllen diese scharfzüngigen Essensschlachten inzwischen aus, und gar nicht zu denken an die armen Menschen, die versuchen, so etwas vorzubereiten. Der eine wähnt sich inmitten einer bluttriefenden Fleischindustrie, der andere fühlt sich von besserwisserischen "Moralaposteln" filetiert. Selbst in der Politik geht es immer öfter wirklich nur noch um die eine Wurst auf dem Teller oder das vegane Gummibärchen, anstatt darum, dafür zu kämpfen, dass wir es schaffen, mit wertvollen Lebensmitteln möglichst viele Menschen satt und glücklich zu machen.
Gemeinsame Identität oder Feindbild?
Nun ist Essen schon immer weit mehr gewesen als nur eine reine Nahrungsaufnahme. Es geht um Gemeinschaft und um die eigene Identität. Nicht anders ist es in der Religion. Schon im Alten Testament gibt es Aussagen darüber, was gutes und nicht erlaubtes Essen sei. Verschiedene Religionen haben ihre eigene Meinung, beispielsweise zum Essen von Schweinefleisch, zur korrekten Schlachtung allgemein und zu Fastenzeiten. Essen ist eine strenge Grenze, aber gleichzeitig ein Zeichen der Zugehörigkeit.
Und auch im Christentum selbst liegen die Unterschiede buchstäblich auf dem Teller. Katholiken, Orthodoxe, Protestanten – jede Ausprägung hat ihre individuellen Regeln. Das Osterlamm wird gegessen als Symbol, als Opfer, als Mahnung oder einfach als Braten. Und wehe, jemand beißt zur falschen Zeit hinein. Bevor sie mich jetzt schon von ihrem Tisch verbannen: Selbstverständlich gibt es Gründe, warum der oder die, das oder dies natürlich nicht essen darf, sollte oder aus religiösen Gründen nicht will. Und natürlich treibe ich es hier auf Messersspitze. Denn ich frage mich: Warum streiten wir uns so viel darüber, wer was wann und wie isst?
Ich denke: Essen ist sichtbar: Niemand ahnt sofort, was in dem Kopf des Gegenübers so herumgeht, aber die Frikadelle oder die Sojawurst auf dem Brötchen, der extra aufgestellte Grill, alles ein Zeichen. Für eine Haltung: moralisch, politisch, spirituell. Wer am Tisch Platz nimmt und seinen Teller füllt, zeigt, wozu er gehört – und wozu eben nicht. Praktisch streiten wir seit zweitausend Jahren ums Essen, nur die Zahl der Teilnehmer am Buffet ist gestiegen. Entstanden durch engeren Kontakt zu anderen Kulturen, Food-Trends aus aller Welt, die Sorge ums Klima, Schönheitsideale etc.
Brich das Brot einfach für Alle
Doch Essen sollte uns weiter verbinden. Jesus hat Brot und Wein, so denke ich, nicht eingesetzt, damit wir uns darüber zanken, sondern damit wir uns zusammensetzen und uns an etwas erinnern. Obwohl, ganz bestimmt, stammten die Trauben damals aus regionalem Anbau. Aber Alkohol…na sie wissen schon.
Es sollte uns nicht darum gehen, wer das "Richtige" isst, den "echten" Sinn hat oder das "wahre" Wissen über unsere Nahrung. Essen zu haben, ist etwas Wunderbares, und der Tisch oder auch mal das Mäuerchen, auf dem man sitzt, sollten deshalb immer größer sein als unsere Streitigkeiten. Ich denke an eine Tafel, an der keiner dem anderen die Wurst vom Brot nehmen will, sei sie nun aus Soja, Schweinefleisch oder demnächst aus der Petrischale. Ich wünsche mir Tafeln, an denen verschiedene Sorten Brot gebrochen werden, um sie dann herumzureichen und zu fragen: Magst Du etwas davon? Und wenn ja: Lasst es Euch schmecken!