Kann Weihnachtsbeleuchtung krank machen?

Ein Haus ist mit Lichterketten und leuchtenden Sternen geschmückt.
epd-bild / Thomas Rohnke
Bling-Bling-Boom zum Advent
Kann Weihnachtsbeleuchtung krank machen?
Sie sind wieder da: die blinkenden Nikoläuse, Rentiere und zuckenden Schneeflocken in Gärten und auf Balkonen. Experten beobachten ein "Wettrüsten in Vorgärten" und warnen vor Folgen für die Natur. Dabei geht es auch umweltfreundlich.

Kaum naht der Advent, leuchten Sterne in Bäumen, werden Balkone in Lichterketten gewickelt, und im Garten blinken Rentiere. Was dekorierfreudige Weihnachtsfans lieben, kann für ihr Umfeld ein Problem sein. "Zu viel Licht während der Nacht bringt nicht nur bei Tieren und Pflanzen den Rhythmus durcheinander, sondern macht auch Menschen auf Dauer krank", sagt Malte Siegert, Vorsitzender des Naturschutzbunds (Nabu) Hamburg. Besonders kritisch findet er, dass auch in diesem Winter die zweimonatige Lichtshow "Christmas Garden" im Landschaftsschutzgebiet Loki-Schmidt-Garten in Hamburg stattfindet.

"Die Natur braucht keine Lichtshow. Wir Menschen sind nicht völlig allein auf dieser Welt, sondern Teil eines sensiblen Systems, in dem auch andere Lebewesen wie Insekten, Vögel oder Fledermäuse ihren Platz haben", sagt Siegert. Durch dauerhafte Beleuchtung gehe der elementar wichtige Tag-Nacht-Rhythmus verloren. Fledermäuse verlören ihre Quartiere, und Insekten würden vom Licht angezogen, wodurch sie entweder als leichte Beute für andere Tiere enden oder durch Erschöpfung sterben würden. Siegert: "Mittlerweile ist die übermäßige Beleuchtung im städtischen Raum eine der größten Gefahren für die urbane Artenvielfalt."

Als Gründer der gemeinnützigen Organisation "Paten der Nacht" kämpft Manuel Philipp seit 2019 mit rund 50 Ehrenamtlichen im gesamten deutschsprachigen Raum gegen Lichtverschmutzung. Der Begriff bezeichnet das Phänomen, dass künstliche Lichtquellen wie etwa Straßenbeleuchtung, Reklame und Gebäudeanstrahlungen die durch Sterne, Planeten oder den Mond gegebene natürliche Helligkeit der Nacht "verschmutzen".

Vögel werden hungriger und bleiben wach

Das Kunstlicht störe Tiere und Pflanzen in ihrer nötigen Winterruhe. Es kurble den Stoffwechsel der Vögel an, die dadurch mehr Hunger hätten, diesen aber nicht stillen könnten, weil im Winter zu wenig Nahrung zu finden sei. "Das kann tödlich enden", weiß Philipp. Seit Jahren werde Deutschland immer heller: "Keine andere Ressource in der Menschheitsgeschichte ist in so kurzer Zeit so günstig und effizient geworden wie das Licht", sagt der Physiker aus dem bayerischen Rimsting im Landkreis Rosenheim.

Gärten wie eine "Open-Air-Disco"

Und im Advent kommt rund um die Häuser noch jede Menge Licht-Deko dazu. "Weihnachtsbeleuchtung kann unbestritten etwas sehr Schönes sein, etwa eine Tanne, die mit gelben Mini-Glühbirnchen geschmückt ist", sagt Philipp. Doch heute würden solche "stillen" Lichtlein immer wieder in "schreienden" Fluten an turbohellen Lichterketten ertrinken. Fenster, Balkone und Gärten würden zu "regelrechten Open-Air-Diskotheken, in einigen Nachbarschaften artet das zu einem Wettrüsten in Vorgärten aus", beobachtet der Physiker.

Aus sozialpsychologischer Sicht erklärt Experte Andreas Homburg dieses extreme Verhalten mit dem Bestreben, sich selbst gegenüber Nachbarn abzugrenzen. "Andererseits schafft Weihnachtsbeleuchtung aber auch eine besondere Verbundenheit, eine Gemeinschaft, zu der ich gehören möchte", so eine These des Umweltpsychologen an der Hochschule Darmstadt. Er hofft, dass dennoch Nachhaltigkeit künftig eine größere Rolle spielen wird: "Es geht um einen verantwortungsvollen Umgang, nicht um irgendwelche Verbote."

Lieber gelb-goldenes Licht als weiß-bläuliches

Er plädiert wie die "Paten der Nacht" für ein vernünftiges Augenmaß nach dem Motto "Weniger ist mehr". Zu viel Bling-Bling schade nicht nur der Natur, sondern störe meist auch den Schlaf der Nachbarschaft, sagt Philipp. Grundsätzlich sollte Licht nach unten leuchten und die Lichtfarbe Gelb oder Gold haben. Je weißer oder bläulicher das Licht, desto stärker werde die Blendung, desto intensiver würden die Nächte aufgehellt. "Balsam für die Seele sind ein paar wenige wohldosierte Licht-Akzente wie ein schöner Stern in Rot oder Gelb", sagt der Physiker.

Um die Umwelt zu schonen, sollten die Lichter längstens bis 23 Uhr und ausschließlich in der Advents- und Weihnachtszeit vom 1. Advent bis zum 6. Januar (Dreikönigstag) genutzt werden. "Damit behält diese Zeit auch ihren Reiz und Zauber", sagt Philipp. Nicht zuletzt koste die Weihnachtsbeleuchtung viel Energie: "In Deutschland leuchten mittlerweile fast 20 Milliarden Weihnachtslichter, das sind über 500.000 Tonnen CO2", schätzt Philipp den Energieverbrauch.

Er appelliert, Lichter zu begrenzen und die Außenbeleuchtung auszuschalten, wenn man sie selbst nicht sieht. "Nutzen Sie nur solche Arten von Weihnachtsbeleuchtung, die Sie auch ins Wohnzimmer hängen würden", rät er. Er selbst hat seine Lichterkette schon vor Jahren eingemottet, gemütlich ist es bei ihm trotzdem. Philipp: "Zu Weihnachten stelle ich Gläser mit Kerzen auf den Balkon."