Grau und schwer wabert der kalte Novembernebel durch die Stadt. Gedämpft sind Hammerschläge, Akkuschrauber und Gabelstapler zu hören. Rund um den Alten Markt in Magdeburg stehen mehrere hundert Betonblöcke in den Stadtfarben Rot und Grün - teilweise in Doppelreihen. Sie sehen aus wie übergroße Legosteine. Zudem wurden dutzende metallene Absperrgitter, weitere Poller und übergroße Sandsäcke als weitere Barrieren am Straßenrand errichtet. Die Altstadt von Magdeburg gleicht einer Festung.
Ähnliches ist bei den Vorbereitungen zum 591. Dresdner Striezelmarkt zu erleben. Der riesige Tannenbaum steht schon eine Weile, Pyramide und Riesenrad sind montiert. Bald ist zwischen den mehr als 200 Buden und Ständen der Duft von kandierten Mandeln, Stollen und Glühwein zu erleben.
Erzgebirgische Kunsthandwerkerfirmen und die Herrnhuter Sterne-Manufaktur bieten ihre Waren an. Doch immer mehr schwingt in der vorweihnachtlichen Stimmung der Ruf nach Sicherheit. Auch in diesem Jahr werden Betonpoller und Metallsperren den Markt umzingeln.
Anschlag verändert den Blick
Der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt vor einem Jahr hat Spuren hinterlassen. In nur 64 Sekunden verwandelte die Amokfahrt eines Einzeltäters am 20. Dezember 2024 die unbeschwerte Vorweihnachtsstimmung in blankes Entsetzen und Panik. Sechs Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Noch mehr Besucher des Marktes, Angehörige und Freunde leiden zum Teil bis heute unter den psychischen Folgen. Schlagartig verwandelte sich der Blick auf die Weihnachtsmärkte im ganzen Land. Um eine Wiederholung auszuschließen, wurden die Sicherheitsstandards verschärft. Details werden von Stadt oder Polizei aber nicht kommuniziert.
"Die Fassungslosigkeit und Trauer nach dem Anschlag hat die Menschen in großen Mengen in die Kirchen geführt", erinnert sich Regionalbischöfin Bettina Schlauraff von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Menschen suchten Zuspruch und Halt. Derzeit laufen die Vorbereitungen für das Gedenken ein Jahr nach dem Attentat in Magdeburg. Der Markt bleibt an diesem 20. Dezember geschlossen.
Städte investieren in Sicherheit
In diesem Jahr geben allein die Städte Leipzig und Dresden jeweils etwa zwei Millionen Euro zusätzlich für Sicherheitsvorkehrungen aus. Der Dresdner Striezelmarkt ist laut dem Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung, Steffen Rietzschel, wie im Vorjahr mit einem "geschlossenen Zufahrtsschutz" ausgestattet. Es gebe einen kompletten Ring aus Sicherheitselementen rund um den Markt, sagt Rietzschel. Neu sei, dass auch die weiteren Weihnachtsmärkte der Stadt auf diese Weise geschützt werden.
"Die Leute sollen sich sicher fühlen", sagt Rietzschel. Dennoch sei die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu wahren. Personenkontrollen gebe es nur anlassbezogen. Direkt auf dem Striezelmarkt steht neben lebkuchenbraunen Verkaufsbuden eine graue Polizeiwache. Dort werden Beamte und Beamtinnen Präsenz zeigen.
Viele Städte, Gemeinden und private Veranstalter ächzen unter den zusätzlichen Belastungen. Sowohl organisatorisch als auch finanziell ist der Mehraufwand oft kaum zu leisten. Vielerorts wurden ganze Zufahrtsstraßen und Plätze gesperrt. In Dresden musste ein Weihnachtsmarkt verlegt werden, weil der zentrale Platz nicht ausreichend hätte geschützt werden können.
Auch die Bundesregierung beschäftigt das Thema. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) besprach sich vor wenigen Tagen in Halle (Saale) mit dem Regierungskabinett von Sachsen-Anhalt und verkündete danach vor laufenden Kameras: "Mich beschwert das sehr, dass wir mittlerweile selbst in kleineren Städten Weihnachtsmärkte nicht mehr ohne ein umfassendes Sicherheitskonzept durchführen können."
Einige kleinere Wintermärkte in Magdeburg hatten schon etwas früher geöffnet. Seit Donnerstag lädt auch der zentrale Markt, auf dem sich 2024 das Attentat ereignete, wieder ein. Doch bei den Gästen ist die Stimmung eher gedämpft. Kein großes Gedränge und Geschiebe. "Es ist ein komisches Gefühl", sagt ein junger Mann am Glühweinstand. Im Freundeskreis hätten manche schon angekündigt, dieses Jahr nicht auf den Markt zu gehen.
Der Vorsitzende des Magdeburger Schaustellervereins, Olaf Haase, will indes nach vorn schauen: "Wir können den Kopf doch nicht in den Sand stecken." Es müsse weitergehen. Während die ersten Besucher mit dampfenden Glühweinbechern über den Markt schlendern, fügt Haase hoffnungsvoller hinzu: "Ich wünsche mir eigentlich nur, dass alles friedlich abläuft."




