TV-Tipp: "Hagen Benz: Das Böse in Dir"

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8. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Hagen Benz: Das Böse in Dir"
Heiner Lauterbach ist eine ausgezeichnete Besetzung für den ehemaligen Polizisten, der vor zwei Jahren seinen Beruf von heute auf morgen hinter sich gelassen und eine Kampfsportschule eröffnet hat.

Im Leben vieler Menschen gibt es einen "blinden Fleck": Ereignisse oder Erkenntnisse, die derart erschütternd sind, dass sie konsequent verdrängt wurden. Das kann für traumatische Erfahrungen ebenso gelten wie für Gewissheiten, die das eigene Weltbild ins Wanken bringen würden. Hagen Benz weiß das natürlich, schließlich hat der Mann als Hauptkommissar in den einen oder anderen Abgrund geblickt; auch in seinen eigenen. Heiner Lauterbach ist eine ausgezeichnete Besetzung für den ehemaligen Polizisten, der vor zwei Jahren seinen Beruf von heute auf morgen hinter sich gelassen und eine Kampfsportschule eröffnet hat. Angeblich hat ihn damals ein Herzanfall aus der Bahn geworfen, erzählt man sich bei der Hamburger Kriminalpolizei. 

All’ das reicht das Drehbuch von Eckhard Vollmar und Regisseurin Christine Hartmann jedoch erst später nach. Der Krimi beginnt mit einem dank der subjektiven Täterperspektive intensiv gefilmten klassischen Thriller-Prolog: Ein Auto fährt nachts auf eine Brücke. Der Fahrer steigt aus, öffnet den Kofferraum, zerrt eine Leiche heraus und wirft sie in die Elbe. Zwischendurch irritiert der Auftakt durch Zeichnungen der Märchen "Hänsel und Gretel" sowie "Der Wolf und die sieben Geißlein"; ein erster Hinweis auf den schauerlichen Kern der Geschichte. 

Am nächsten Tag, ein Angler hat die Leiche entdeckt, wird Elena Weber (Julia Koschitz), die zuständige Kommissarin, am Flussufer beobachtet: Benz ist überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem aktuellen Mord und seinem letzten ungelösten Fall gibt. Auch damals ist eine männliche Leiche im Wasser gefunden worden. Die Nachforschungen sind jedoch ergebnislos geblieben, zumal es sich beim Opfer um einen Obdachlosen handelte. Die allgemeine Lesart lautete: Zwei Penner haben sich um eine Flasche Schnaps gestritten. Warum Benz überzeugt ist, dass es eine Verbindung zwischen den Taten gibt, bleibt zunächst offen.

Beim zweiten Toten handelt es sich um einen Amerikaner, der als Software-Entwickler reich geworden und nach Hamburg gekommen ist, um als Redner bei einer Veranstaltung über Künstliche Intelligenz aufzutreten. Dass er deutsche Wurzeln hat, ist ein weiterer Hinweis auf die schreckliche Wahrheit, die sich hinter seiner Ermordung verbirgt; ebenso wie die schockierenden Dateien auf seinem Laptop. Abgesehen vom lange Zeit rätselhaften Fall resultiert der besondere Reiz des Films aus dem Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren. Hagen Benz verschenkt gern das Buch "Zen in der Kunst des Bogenschießens", und tatsächlich versieht Lauterbachs den Ex-Kommissar dank seiner sparsamen, aber dennoch überaus fesselnden Verkörperung mit einer Haltung, die der eines buddhistischen Mönchs sehr nahe kommt; allerdings stellt sich auch die Frage, ob die stoische Fassade etwas verbergen soll. 

In ihren Stellungnahmen zum Film sprechen die Verantwortlichen von einem "Katz-und-Maus-Spiel" zwischen Benz und Weber, aber diese Einschätzung trifft das Verhältnis der beiden nicht, zumal sie sich nicht nur im übertragenen Sinn auf Augenhöhe begegnen. Davon abgesehen sind sie sich ähnlicher, als ihnen womöglich lieb ist. Zum Glück hat das Drehbuch darauf verzichtet, ihnen eine Romanze anzudichten. Ein derartiges Filmklischee – deutlich jüngere Frau erliegt dem Charme eines alten Mannes – wäre ohnehin nicht mehr zeitgemäß: Lauterbach hat sich zwar vortrefflich gehalten, ist aber Jahrgang 1953.

Der Titel "Hagen Benz: Das Böse in Dir" klingt nach Reihe, doch der Krimi ist laut ARD als Einzelstück produziert worden. In der Tat lässt der Fall am Ende keine Fragen mehr offen, aber das Duo, dessen Zusammenarbeit von der einst durch "Das Schweigen der Lämmer" berühmt gewordenen Devise "Quid pro quo" (wörtlich übersetzt "Dies für das") geprägt ist, hat deutliches Potenzial für weitere Filme. Dafür würde auch die ausführliche Beschäftigung mit Webers Familienleben sprechen: Die alleinerziehende Polizistin ist halbe Griechin, ihre Mutter (Adriana Altaras) führt ein Restaurant, in dem sie nach Feierabend öfter mal aushilft.

Die fünfzehnjährige Tochter Daria (Alina Danko) ist eine Überfliegerin, wird aber von der Schul-Tussi fies gemobbt und fasst umgehend Vertrauen zu Benz, der im Gegensatz zur dauergestressten Elena in sich zu ruhen scheint und außerdem ein weiser Ratgeber ist. Seine Faszination verdankt "Das Böse in Dir" dennoch den Dämonen der Vergangenheit, die Benz und seinen jüngeren Bruder (Uwe Preuss) nie losgelassen haben; die Märchenbilder ziehen sich bis zum Schluss durch den Film.