"Schöne Bescherung", ironisch oder als Stoßseufzer gemeint, würde auch als Sammeltitel für ein eigenes Genre taugen: Weihnachtskomödien leben davon, dass unvorhergesehene Ereignisse die gewohnten Traditionen und erstarrten Rituale sabotieren. Mit "Weihnachtsüberraschungen" haben Claudia Matschulla und Arnd Mayer diesen erzählerischen Ansatz zum Titelprinzip gekürt: Das diesjährige Fest werden die beiden benachbarten Familien Ritter und Bartels garantiert nie vergessen, denn anschließend ist nichts mehr, wie es vorher war; und anders als in Dramen ist das hier eine frohe Botschaft.
Das Drehbuch-Duo hat schon mit früheren Komödien für angenehme romantische Unterhaltung in der Weihnachtszeit gesorgt. "Alice im Weihnachtsland" (2021) war ein sehr sympathischer Sonntagsfilm im "Zweiten"; später folgte, ebenfalls fürs ZDF, "Weihnachtspäckchen ... haben alle zu tragen" (2023). Die Tragikomödie erzählte mehrere Geschichten, die sich am Tag vor Heiligabend im verschneiten Mittenwald zutragen.
"Weihnachtsüberraschungen" ist zwar ähnlich strukturiert, doch dank einer pfiffigen Idee gelingt Matschulla und Mayer das Kunststück, die Handlung nicht episodisch wirken zu lassen, obwohl es sich um einen Ensemblefilm mit gleich mehreren romantischen Ebenen handelt: Alle Beteiligten verbringen die Feiertage unterm selben Dach. Die Geschichte beginnt zwei Tage vor Heiligabend. Krankenschwester Nora Ritter (Morgane Ferru) freut sich, die Feiertage endlich mal wieder mit ihrer Familie verbringen zu können; als alleinstehende Frau musste sie in den letzten Jahren an Weihnachten immer arbeiten.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Single ist sie jedoch nicht, aber das darf keiner wissen: Ihr Freund (Ulrich Brandhoff) ist Arzt und verheiratet. Die Affäre ist eines der wenigen Klischees der Geschichte und hat sehr viel später zur Folge, dass das schon früh absehbare Happy End zwischen Nora und Bent Bartels (Anton Spieker) unversehens in Gefahr gerät. Der Nachbarsohn arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff und ist Weihnachten zur allerdings nicht gerade überschäumenden Freude seines Vaters Rolf (Harald Krassnitzer) unerwartet ebenfalls daheim-
Die beiden Bartelsmänner sind zerstritten, weil Bent nach der Lehre keine Lust hatte, weiter in Rolfs Bäckerei zu arbeiten und das Geschäft irgendwann zu übernehmen. Mit Nora zankt er sich, sobald sich die beiden über den Weg laufen, dabei waren sie, ohne es zu ahnen, schon als Teenager ineinander verknallt. Zu den erwartbaren Turbulenzen kommt es, als das Schicksal, hier vertreten durch eine defekte Heizung, die Familien Ritter und Bartels kurzerhand ins selbe Boot setzt: Bei den Nachbarn ist die Heizung kaputt gegangen.
Für Noras Mutter Ellen (Margarita Broich) ist es ein selbstverständlicher Akt der Nächstenliebe, Rolf, Bent, seine Schwester und deren Kind bei sich aufzunehmen, was prompt zu allerlei Reibereien führt, denn die Söhne und Töchter sind einander in inniger Abneigung zugetan. Weil außerdem Noras Bewerbung um den Posten der leitenden Stationsschwester abgelehnt wird und ihr Geliebter keine Zeit für sie hat, ist ihre Vorfreude aufs Fest gründlich verdorben; ihre Wut lässt sie an den Weihnachtsbäumen der Familien aus.
Später, als die beiden ramponierten Fichten gemeinsam einen durchaus passablen Christbaum ergeben, repräsentieren sie den Burgfrieden im Hause Ritter. Zuvor muss jedoch die Schieflage des Haussegens korrigiert werden: Als Nora rausfindet, dass Ellen und Rolf, beide verwitwet, schon seit Monaten ein Paar sind, erreicht die allgemeine Stimmung endgültig ihren Tiefpunkt; plötzlich benimmt sich der erwachsene Nachwuchs ziemlich kindisch.
Regisseurin Petra K. Wagner (zuletzt "Kanzlei Liebling Kreuzberg") hat vor geraumer Zeit für den Hessischen Rundfunk einige im Ansatz oft interessante, in der Umsetzung aber nicht immer geglückte Mystery-Dramen inszeniert. Ihre Reihenkrimis ("Stralsund") haben ohnehin keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Schon "Alice im Weihnachtsland" hat jedoch gezeigt, dass sie und das Duo Matschulla/Mayer offenbar auf einer Wellenlänge liegen.
Darstellerisch sind Wagners Filme zudem zuverlässig sehenswert. Das ist hier nicht anders, zumal die Mitwirkenden auch als Ensemble gut funktionieren. Eine besondere Rolle spielt dabei Brix Schaumburg: Angenehm beiläufig fließt irgendwann ein, dass Moritz nicht schon immer Noras Bruder war. Sympathischer Fels in der Handlungsbrandung ist Oma Lore (Petra Kelling), die all’ dem Tohuwabohu um sie herum mit einer allerdings unausgesprochenen Devise ihrer Generation begegnet: Wer Sorgen hat, hat auch (Eier-)Likör.



