Boris Pistorius will Musterung aller junger Männer

Zwei Soldatinnen im Wald
epd-bild/Jens Schulze/Jens Schulze
Frauen können sich freiwillig entscheiden, ob sie Soldatinnen werden wollen. Über die freiwillige Musterung junger Männer ist eine Debatte entbrannt.
Streit um Wehrdienst
Boris Pistorius will Musterung aller junger Männer
Nach dem vorläufigen Scheitern eines Kompromisses in der Koalition zum Wehrdienst beharrt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf einem Kernpunkt seines Gesetzentwurfs. "Die Bundeswehr braucht die flächendeckenden Musterungen ab 2027, die im aktuellen Kompromiss nicht enthalten sind", sagte Pistorius dem "Tagesspiegel" (Mittwoch).

Er stellte sich damit gegen den in den vergangenen Tagen aufgekommenen Vorschlag, nur einen Teil der jungen Männer zu mustern und diese Gruppe per Losverfahren festzulegen.

Ein solcher Schritt wäre dem Konzept zufolge erfolgt, wenn sich nicht genügend Menschen freiwillig zum Wehrdienst melden. "Wir verlieren zudem viel Zeit, wenn die Truppe bei allen zur Musterung ausgelosten jungen Männern noch einmal aktiv für sich werben soll", sagte Pistorius der Zeitung. Er habe ein Problem damit, wenn "elementare Stellen meines Gesetzentwurfs geändert werden, bevor dieser überhaupt offiziell in den Bundestag eingebracht worden ist", kritisierte er.

Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD hatten die erste Befassung des Bundestags mit dem Gesetzentwurf in der vergangenen Woche kurzfristig auf diese Woche verschoben. Am Dienstag zeichnete sich zunächst ein Kompromiss ab, der dann aber wieder platzte. Die erste Lesung im Bundestag ist aktuell für Donnerstag geplant. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte (CDU), bezeichnete es am Mittwoch im rbb24 Inforadio als wichtig, dass nun der parlamentarische Prozess starte.

Von der Opposition kam scharfe Kritik am Gebaren der Koalition. Gerade beim Thema Wehrdienst sei Zuverlässigkeit gefragt, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sara Nanni, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). "Die Soldaten und das Bundesverteidigungsministerium müssen dringend wissen, wie es jetzt mit dem Wehrdienst weitergeht. Und auch die Jugendlichen brauchen Klarheit und Planungssicherheit." Der Vorsitzende der Linksfraktion, Sören Pellmann, sagte der "Rheinischen Post" (Mittwoch), die Koalition sorge für "Chaos und Verunsicherung".

Umfrage zeigt Ablehnung der Wehrpflicht

Eine Mehrheit junger Erwachsener lehnt einer Umfrage zufolge die Rückkehr zur Wehrpflicht ab. 61 Prozent sehen darin einen erheblichen Eingriff in die persönlichen Grundrechte, wie eine von Greenpeace beauftragte repräsentative Umfrage unter 16- bis 25-Jährigen zeigt, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Rund 57 Prozent lehnen eine Rückkehr zur Wehrpflicht gänzlich ab, nur 5 Prozent antworteten mit "Weiß nicht".

Die repräsentative Umfrage basiert auf einem Online-Fragebogen des Meinungsforschungsunternehmens Civey, den 1.000 16- bis 25-Jährige zwischen dem 16. und dem 17. September 2025 ausgefüllt haben. Der Umfrage zufolge wünschen sich rund 74 Prozent der Befragten eine aktive Einbindung in die politische Diskussion. Kritisch sehen die Befragten die einseitige Verpflichtung junger Männer: Rund 59 Prozent empfindet das als ungerecht. Nur rund 40 Prozent der befragten jungen Frauen und Männer wären bereit, einen Wehrdienst zu leisten, und rund 54 Prozent würden den Dienst an der Waffe verweigern. Die Hälfte der Befragten fühle sich durch die aktuelle Debatte über den Wehrdienst persönlich bedroht.

An diesem Donnerstag soll der Gesetzentwurf in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Daran schließen sich üblicherweise weitere Beratungen mit Sachverständigenanhörung an, bevor endgültig abgestimmt wird.