"Diagnose: Unangepasst" nimmt sich dunkles DDR-Kapitel vor

Charlotte Witt
Fabian Stark
Geisendörfer-Preis für Online-Format
"Diagnose: Unangepasst" nimmt sich dunkles DDR-Kapitel vor
Eine neue Kategorie beim Geisendörfer-Preis sind die Online-Formate. Der erste Gewinner dieser Klasse ist die Podcast-Serie "Diagnose: Unangepasst". evangelisch.de hat mit einer der Autorinnen, Charlotte Witt gesprochen.

"Diagnose: Unangepasst – Der Albtraum Tripperburg" ist eine sechsteilige Podcast-Serie des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), die sich mit einem weitgehend verdrängten Kapitel der DDR-Geschichte auseinandersetzt: den sogenannten "Tripperburgen". Das waren geschlossene Stationen, in denen junge Frauen systematisch inhaftiert, kontrolliert und misshandelt wurden.

evangelisch.de: Wie sind Sie zum ersten Mal auf das Phänomen "Tripperburgen" gestoßen und was war Ihre erste Reaktion darauf?

Charlotte Witt: Ich habe das erste Mal von den "Tripperburgen" gehört, als ich einen Beitrag über den Roman "Herumtreiberinnen" von Bettina Wilpert gemacht habe. Ich war sprachlos, als ich erfahren habe, was dort jungen Frauen angetan wurde. Ich begann mehr zu diesem Thema zu recherchieren und war schockiert, als ich merkte, dass nicht nur ich so wenig über dieses dunkle Kapitel der DDR-Geschichte wusste, sondern dass es in der breiten Öffentlichkeit ebenfalls sehr unbekannt war. Es hat mich wütend gemacht, dass es so viele Frauen gibt, die Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sind, ohne, dass das groß bekannt ist oder umfassend aufgearbeitet worden wäre. 

Wieso haben Sie sich dazu entschlossen, dieses Thema als Audio auszuarbeiten? Was sind die Vorteile/Tücken dieses Mediums?

Charlotte Witt: Bis heute ist es für viele Betroffene nicht einfach, über ihre Zeit in den geschlossenen venerologischen Stationen zu sprechen. Viele sind bis heute traumatisiert. Das Thema ist nach wie vor sehr schambehaftet und wir wollten unseren Gesprächspartnerinnen auch ermöglichen anonym zu bleiben und sich in einem geschützten Rahmen zu öffnen. Deswegen war für uns klar, dass wir dieses Thema auditiv erzählen wollen. Außerdem wollten wir dieses Kapitel der DDR-Geschichte modern erzählen, weswegen wir uns für einen Storytelling-Podcast mit einem aufwendigen Sounddesign entschieden haben. Alles wofür wir vielleicht keine Bilder in Archiven gefunden hätten, konnten wir so sehr eindrücklich und lebhaft über die auditive Ebene erzählen. 

Welcher Aspekt der Recherche hat Sie besonders bewegt oder überrascht?

Charlotte Witt: Am meisten haben mich die Interviews bewegt, die ich mit den betroffenen Frauen geführt habe. Es war toll, diese Frauen kennenzulernen und ich habe größten Respekt vor ihren Lebensgeschichten. Es war sehr intim und persönlich und es hat mich sehr gerührt, wie viel Vertrauen sie uns entgegengebracht haben. Dafür bin ich sehr dankbar.