Im ersten Film, "Die Tote mit dem falschen Leben" (2024), wurde eine von Geiers einstigen Schutzbefohlenen, die er mit neuer Identität im österreichischen Bad Gastein untergebrachte hatte, erstochen. Prompt galt er vorübergehend als ihr Mörder; die zuständige Salzburger Kommissarin hatte keine Ahnung von seiner früheren Tätigkeit.
Diesmal arbeiten die beiden zusammen, als die ehemalige Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes (Jutta Speidel) um Hilfe bittet: Ein deutscher Killer der kalabrischen Mafia, der mindestens sieben Menschen ermordet hat, will sich stellen. Weil es beim LKA München einen Maulwurf gibt, soll sich Geier des Mannes annehmen. Unterstützung bekommt er neben Koch auch von einer jungen Kollegin (Lilja van der Zwaag), die große Stücke auf ihn hält: Er war einst ihr Ausbilder.
Neben der potenziell ohnehin spannenden Geschichte liegt der besondere Reiz von "Freund oder Feind" in der Rolle der Titelfigur. Der Mörder entpuppt sich als Mann mit einer völlig unauffälligen Identität als Koch und Familienvater aus dem Allgäu; außer seinem Auftraggeber weiß niemand von seinem Doppelleben. Schon allein die Besetzung mit Mark Waschke ist clever: Wenn er nicht gerade im "Tatort" aus Berlin selbst auf Mörderjagd ist, verkörpert der kantige Schauspieler gern Charaktere, die mindestens polarisieren. Deshalb können sich Geier und seine Mitstreiterinnen bis zum Finale nicht sicher sein, auf welcher Seite Roland Büttner steht.
Theoretisch verhält es sich bei Wotan Wilke Möhring ähnlich, auch wenn Krimifans von Anfang an ahnen: Wenn gleich zwei "Tatort"-Hauptdarsteller mitwirken, muss mindestens einer der beiden ein Schurke sein. Zunächst wirkt der von Möhring verkörperte Unternehmer jedoch sogar sympathisch: Valentin Seeliger will das prunkvolle Hotel von Geiers bester Freundin kaufen.
Die zehn Millionen Euro, die er bietet, sind ein Angebot, dass Lara (Patricia Aulitzky) kaum ausschlagen kann. Als sie dennoch ablehnt, lässt Seeliger die Maske fallen. Trotzdem verrät der Film zwar erst mal nicht, was der Mann tatsächlich im Schilde führt, aber auch das ist schließlich keine echte Überraschung.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Erfinder des "Geiers" sind Andreas und Stephan Lebert. Der erste Film basierte auf dem Lago-Maggiore-Krimi "Tutto bene", den die Brüder 2020 unter dem Pseudonym Andrea Di Stefano veröffentlicht haben. "Freund oder Feind" ist allerdings allenfalls von Ferne eine Adaption der Fortsetzung ("Buona notte", 2021), sondern eine eigene Kreation von Dirk Eisfeld, der bereits das Drehbuch der Brüder zu "Die Tote mit dem falschen Leben" überarbeitet hatte.
Regie führte diesmal Florian Baxmeyer, der einige sehenswerte Sonntagskrimis mit dem früheren Team aus Bremen gedreht hat und auch mit Waschke schon beim "Tatort" aus Berlin zusammengearbeitet hat. Angesichts seiner Erfahrung ist es umso verwunderlicher, dass ausgerechnet die beiden Gaststars mimisch mitunter übers Ziel hinausschießen. Möhring macht das in seinen Komödien ebenfalls oft, aber gerade Waschke zeichnet sich sonst durch eine wohltuende Zurückhaltung aus.
Der Spannung des Films tut das keinen Abbruch, selbst wenn die Handlung nach dem dicht erzählten Auftaktakt erst mal zur Ruhe kommt: Weil Geier nicht glaubt, dass das "Safe House" des LKA auch wirklich sicher ist, bringt er Büttner in seiner Berghütte unter. Hier trägt sich der zweite Akt zu: Erst mal will der Ex-Polizist überprüfen, ob sein Gast tatsächlich der ist, für den er sich ausgibt.
Außerdem wüsste er gern, warum der Killer sein Leben riskiert und seinen Auftraggeber verrät. Und fragt er sich, ob das Ganze womöglich ein perfides abgekartetes Spiel ist, um ihn selbst in eine tödliche Falle zu locken; aber da hat das Unheil längst seinen Lauf genommen. Ein weiterer Star neben Hochmair, Waschke und Möhring ist die Naturkulisse rund um Bad Gastein, der Baxmeyer und Kamerafrau Eva Testor diverse spektakuläre Kameraflüge gewidmet haben.