Beten mit Kindern. Wie geht das eigentlich? Das war meine Ausgangsfrage, bevor ich mit dieser Serie startete. Denn obwohl ich Theologie studiert hatte, fiel es mir unglaublich schwer, mit meiner Tochter Rituale zu etablieren und Gott in unseren Alltag einziehen zu lassen. Sagen wir so: Hätte ich einfach das Buch "Mit Kindern beten – aber wie?" von Josephine Teske gelesen, ich hätte meine Antwort gehabt. Aber dann hätte ich nicht all die interessanten Gespräche mit meinen bisherigen Interviewpartner:innen geführt.
Was von Ute Gatz mit den ganz Kleinen über Martina Helms-Pöschko und die Kirche Kunterbunt bis hin zu den Konfis von Karsten Damm-Wagenitz und den fast Erwachsenen, mit denen Jan Crocoll arbeitet, beim Thema Beten für alle zentral ist: einfach machen. Loslegen und ausprobieren. So sieht es auch Josephine Teske, mit der ich zum Abschluss der Serie noch einmal übers Beten gesprochen habe.
Die 39-Jährige ist evangelische Pastorin, Mutter, Sinnfluencerin, Autorin, seit 2021 Ratsmitglied der Evangelischen Kirche Deutschland und eine der bekanntesten Stimmen, wenn es um alltagsnahen Glauben geht. Josephine Teske ist auch Mitglied im evangelischen Content-Netzwerk Yeet. Auf Instagram folgen ihr mehr als 42.000 Menschen und ich bin einer davon. Denn wenn sie von Gott spricht, von seiner Güte, seiner Liebe, weiß ich, warum ich glaube. Und wenn sie von ihrem Alltag spricht, dem Chaos in der Küche, dem Gefühl, ihren Kindern, ihrem Job, ihrem Partner, ihrer Familie, ihrer Gemeinde, ihren Follower:innen nicht immer gerecht zu werden, fühle ich mich mit meinen eigenen Zweifeln und Fehlern nicht mehr so allein. Sie holt mich ab. Mitten im Leben. Da, wo ich bin. Ganz egal, wie ich bin. Und Gott liebt mich trotzdem. Deshalb folge ich Josephine Teske.
Von ihrer Oma hat sie noch Gebete im Kopf wie: "Lieber Gott, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein." Und auch wenn sie die Vorstellung von Gott in ihrem Herzen stets schön fand, so hat sich das Gebet seit ihrer Kindheit doch stark verändert. Weg vom Auswendig-Gelernten und Aufgesagten hin zu einem "Zwischendurch". Im Auto, beim Einkauf, auf dem Schulweg, beim Frühstück, im Bett. "Ich lasse meinen Gedanken einfach freien Lauf", erzählt sie. "Manchmal ist alles zusammenhangslos, manchmal setze ich nicht mal ein Amen ans Ende. Aber das Schöne ist ja: Gott versteht mich trotzdem." Auch als sie im vergangenen Jahr Depressionen hatte und sich anderen Menschen gegenüber schnell schuldig fühlte – weil sie auf eine Mail nicht gleich antwortete oder sich nicht meldete –, hat sie sich mit ihren Schuldgefühlen an Gott gewandt: "Dieses Gefühl, an Gott abgeben zu können, war das Wichtigste für mich."
Und weil das Gebet für sie so eine Erleichterung ist, möchte sie auch den Kindern, mit denen sie im Kindergarten und den Gottesdiensten arbeitet, mitgeben, Gott alles zu erzählen. "Jedes Geheimnis. Was Schönes. Was dich heute richtig wütend gemacht hat. Was du dir wünschst." Wenn dann Eltern kamen und erzählten, dass das Kind für ein Geschwisterchen gebetet hat, muss sie schmunzeln. Genauso als Kinder fragten, ob sie wirklich überall, also auch auf der Toilette, beten könnten. Aber ja, auch das geht. Die Wahl-Hamburgerin möchte den Kindern vermitteln, dass sie nicht Hände falten, nicht vors Bett knien müssen. "Kinder sollen wissen, dass sie immer mit Gott reden können", erklärt sie. "Und ganz egal wie sie das tun, wie sie dabei sind: Sie sind genau richtig so."
Wenn ein Flüstern gen Himmel fliegt
Eine Methode, zu Beten gibt sie den Kindern dennoch gerne mit an die Hand – oder besser gesagt: in die Hand. "Ich sage ihnen: Wenn du möchtest, kannst du deine Hand wie eine Schale formen. Dann sagst du: ‚Lieber Gott…‘" Und dann flüstern die Kinder rein in ihre Hand. "Und das weiß dann niemand, was sie da erzählen. Und am Ende sagen wir "Amen" und pusten es alle zusammen in den Himmel." Eine schöne Vorstellung – und tatsächlich etwas, das ich als kleines Kind ebenfalls so gemacht habe. Außerdem wird dabei eine emotionale Ebene berührt, wenn man den Körper ins Gebet mit einbezieht. Oder in den Segen. Wenn sie ihren Kindern am Abend die Hand aufs Herz legt oder die Brust mit wohlriechender Salbe einreibt. "Das hat ja auch was mit Liebe und Geborgenheit zu tun", betont sie. "Und wenn dieser Moment dann noch mit Gott und mit Gebet verbunden wird, können sich Kinder ultimativ geborgen fühlen."
Generell gehört der Segen für sie zum Gebet dazu. Sie segnet nicht nur ihre Kinder, sie spricht ihn auch am Ende der Stunde im Kindergarten oder segnet zwischendurch ihre Follower:innen. "Segen ist für alle da", meint sie. "Wenn ich Segen empfange, dabei vielleicht noch berührt werde, hat das Kraft, spüre ich das richtig fließen. Wenn ich offen bin und es zulasse." Als Gemeindepastorin möchte sie die Menschen dazu befähigen, ihren Glauben zu leben und sich nicht zu scheuen, zu segnen. "Man kann nichts falsch machen! Eigentlich ist der Segen ja so etwas wie gute Wünsche." Gerade als Eltern weiß und spürt man ja oft, was sein Kind braucht, wie der Tag war und dazu einen oder zwei Sätze in den Segen zu packen, kann helfen. "Ihr müsst euch dabei an nichts halten. Ihr tut etwas aus Glauben, aus Liebe für eure Kinder. Und wenn ihr das nicht ausnutzt, um euren Kindern eure eigenen Glaubenssätze aufzudrücken, könnt ihr nichts falsch machen", spricht sie allen Mut zu.
Nichts ist von Anfang an perfekt und nichts muss es sein. Segen, Gebet, Glaube, das entwickelt sich. "Gebete in den Alltag zu integrieren, ist eine Übung", erklärt sie. "Wichtig ist, eine Leichtigkeit in sich zu tragen." Dass man eben nicht jedes Mal vorm Essen oder vorm Schlafengehen beten muss. Es soll zur Familie passen, zum Alltag. In Ihrem Buch "Mit Kindern beten – aber wie?", das vergangenen Herbst erschienen ist, gibt es Beispiel-Gebete zu verschiedensten Situationen: zum Zeugnistag, zum Lieblingsessen, bei Bauchweh vor der Schule, zu jeder Lebenslage. "In diesen Momenten ein Gebet zu sprechen, alles einmal loszulassen, das kann so gut helfen. Zu wissen: Ich kann mich mit allem, was so in meinem Leben und in mir gerade los ist, an Gott wenden." Für die Pastorin ist das so ein Gamechanger. Wenn man als Elternteil nicht mehr weiterweiß und trotzdem sicher sein kann: da ist noch jemand an meiner Seite, eine stärkende Säule. Für sie ist auch wichtig, den Kindern zu erklären: Wenn du es mir nicht sagen kannst, kannst du immer mit Gott sprechen. "Meine Tochter zum Beispiel macht ganz viel mit sich alleine aus. Aber ich glaube, die betet richtig viel. Sie sagt es Gott und das beruhigt mich."
Nicht nur zu Hause betet die Sinnfluencerin meist frei, auch in ihren Gottesdiensten betet sie aus dem Herzen heraus, stockt manchmal, sucht nach einem Wort, ist unperfekt. Echt. Auch wenn sie eigentlich nichts vom Auswendiglernen hält, so ist ihr ein Gebet doch wichtig: das Vaterunser. Das sollen ihre Konfis können. Nicht aus Pflicht, sondern für sich selbst. Wenn sie mal keine Worte haben, sprachlos sind. "Dann könnt ihr das Vaterunser beten. Nicht einfach runterleiern, sondern jede Zeile mit eigenem Inhalt füllen: Was ist dein tägliches Brot gerade? Wer hat dir wehgetan? Wem bist du etwas schuldig geworden? Was bedeutet für dich gerade Herrlichkeit? Oder Kraft?" Das Vaterunser sieht sie als einen Einstieg ins Beten, einen Rahmen. Halt.
Wenn Glaube Beziehung ist
Ein großes Anliegen ist der Pastorin die Beziehung zu Gott. Dass die auch mal schwer sein darf. Wie jede andere Beziehung zu Eltern, Freunden, Partnern eben auch. Da darf man sich mal näher, mal ferner sein. "Wenn eine Beziehung alles aushält – auch die Wut, auch den Zweifel – dann ist es die mit Gott", sagt Josephine Teske bestimmt. "Schon in den Psalmen wird Gott ja angeklagt. Und Jesus ruft am Kreuz: ‚Mein Gott, warum hast du mich verlassen?‘" Gott ist das also gewohnt. Er lässt uns nicht los, ist uns gnädig. "Wir sind geliebt – um unseretwillen. Das ist ein riesengroßes Versprechen." Und wenn Gott ihr das zuspricht, dann hat das Gewicht. "Gott ist Gott. Und ich bin Mensch. Mit allem, was dazugehört. Dann gehört auch dazu, dass ich die Beziehung mal schleifen lasse. Dass ich Gott mal mehr brauche und mal weniger." Sie möchte, dass Menschen das wissen. Dass das normal ist und okay. Dass Glaube keine To-Do Liste ist, sondern lebendig. "Weil es uns sonst von Gott fern hält. Uns davon abhält, unseren Glauben auszuprobieren und auch zu leben. Wenn wir denken, wir müssen etwas so oder so machen und nur dann ist es richtig." Für Josephine ist Glaube flexibel. Verändert sich. Und darf das auch.
Als sie so spricht, denke ich an die bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehung, die gerade von vielen gelebt wird. In der es unter anderem darum geht, Gefühle auszuhalten, weil eben alle Gefühle zum Leben dazu gehören. Und ich merke bei meiner knapp dreijährigen Tochter, wie schwer das ist. Ihr zu zeigen, dass ich da bin, auch wenn sie wütend ist, beißt, schreit und haut. In den Momenten halte ich sie. Sage: "Ich weiß, du bist wütend. Ich liebe dich." Irgendwann kuschelt sie sich in mich rein, schläft manchmal ein. Und ich denke: So soll das sein. Sie weiß, dass ich immer da, sie liebe.
Als Mutter weiß Josephine, was ich meine. "Genau so fühlt sich das für mich auch mit Gott an. Dass man weiß: Ich kann zur Ruhe kommen, auch wenn ich gerade fuchsteufelswild bin." Sie weiß auch, dass manche Christ:innen jetzt vielleicht sagen würde, dann hätte man keine Ehrfurcht mehr vor Gott. Aber das stimme nicht. Sie erzählt mir aus ihrem Leben. Dass ihr Sohn unbedingt eine Serie sehen wollte, für die er noch zu jung ist und sie es verboten hat. "Da stand er an der Treppe und ruft: ‚Mami, du bist so scheiße!‘ Und geht wütend die Treppe hoch – jede Stufe extra laut, damit ich auch höre, wie sauer er ist." Und dann ergänzt sie: "Aber der liebt mich doch deswegen nicht weniger. Der hat doch nicht weniger Respekt vor mir. Der ist einfach wütend. Und trotzdem bleibt die Beziehung bestehen." Und so sieht sie auch die Beziehung zu Gott. Da dürfen wir auch wütend sein, mal was scheiße finden. "Dann heißt das nicht, dass wir keine Ehrfurcht haben. Sondern, dass wir in einer echten Beziehung stehen. Dass da Liebe ist. Und Vertrauen. Und diese tiefe Sicherheit: Gott verlässt mich nicht."
Josephine Teske ist sich sicher, dass Beten etwas mit einem macht. Dass wir nicht nur Lasten loslassen, sondern erinnert werden, dass da jemand ist, an den ich glauben, mich wenden kann. Man angenommen ist. Vielleicht nicht in dieser Welt. Vielleicht ist man da Außenseiter, hat Selbstzweifel. Aber allein, das ist man nicht. Nie ganz. "Und wenn man das glaubt, dann heißt das ja auch, dass andere Menschen genauso geliebt sind von Gott", erklärt sie. Und das wiederum verändert etwas im Außen. Im Umgang mit den Menschen. "Das heißt nicht, dass ich alle mögen muss. Und nicht jeder muss mich mögen. Ich darf jemanden auch richtig doof finden. Aber diese Grundhaltung zu Menschen, die verändert sich – zum Positiven."
Eine unerschütterliche Gewissheit
In meiner letzten Frage will ich wissen, welcher Satz sie durchs Leben trägt. Und wieder merke ich, warum ich ihr so gern folge. Weil es auch einer meiner liebsten Sätze ist: Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. "Als mein erster Sohn starb, wusste ich: Ich kann jetzt nicht tiefer fallen als bis dahin. Der Fall hört auf. Dann bin ich gehalten bei Gott. Da kann mir nichts mehr passieren. Schlimmer kann es einfach nicht werden." Dieser Satz, obgleich er nicht aus der Bibel stammt, birgt so viel Vertrauen, Gewissheit. Alles kann richtig schlimm werden, richtig unerträglich. Ich kann alles gegen die Wand fahren. Aber davon geht die Welt nicht unter. "Wir können nicht tiefer fallen als zu dem, der uns auffängt, uns trägt. Und der uns Licht verspricht."
Das! Das ist der Glaube, den ich meiner Tochter mitgeben möchte. Der Grund, warum ich Gott in unseren Alltag bringen möchte. Warum ich mir für sie wünsche, glauben zu können. Wofür ich bete und weshalb. Und auch wenn es in jedem Alter Zugänge, Methoden, Tipps und Anleitungen gibt, zu Beten, so braucht es vor allem einfach Mut. Den Mut anzufangen und unperfekt, wie wir Menschen nun mal sind, einfach zu beten.
Denn um noch einmal Josephine Teske zu zitieren: "Gott versteht mich trotzdem!"