TV-Tipp: "Ruf ins Jenseits – Ist da wer?"

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17. September, WDR, 0.25 Uhr
TV-Tipp: "Ruf ins Jenseits – Ist da wer?"
Carolin von der Groeben wagt sich in die Welt der "Jenseitskontakte" und erlebt verblüffende Treffer, skurrile Methoden und die Tricks der Szene – bleibt aber trotz aller Faszination skeptisch gegenüber einem Leben nach dem Tod.

Wenn es in früheren Zeiten Fragen gab, war Gott oft die Antwort. Seit der Aufklärung hat sich das geändert. Trotzdem bleiben nach wie vor Leerstellen: Ist die Seele unsterblich? Gibt es also eine wie auch immer geartete Form der Existenz nach dem Tod? Und beginnt sie unmittelbar nach dem Ableben oder erst nach der Rückkehr Christi?

Mit solchen Aspekten hält sich Carolin von der Groeben in ihrer Reportage jedoch nicht auf, zumal sie die Bibel, wie sie freimütig gesteht, für ein "Märchenbuch" hält. Der Antrieb für ihren "Ruf ins Jenseits" war schlicht journalistische Neugier: Was sind das für Menschen, die angeblich Kontakt zu Verstorbenen herstellen können? Und wer sind ihre Klientel? Zu diesem Zweck hat sich die Mitarbeiterin des für seine Dokumentationen mehrfach ausgezeichneten YouTube-Kanals Y-Kollektiv in die Szene begeben und unter anderem eine "Jenseitsakademie" besucht.

Hier können sich Leute zum Medium ausbilden lassen, denn Jenseitskontakte, erläutert eine der Leiterinnen, lassen sich genauso lernen wie Gitarrespielen. Wie gut man das Instrument am Ende beherrscht, ist dann hier wie dort eine Frage des Talents. Die Journalistin durfte einen Tag lang reinschnuppern und hatte dabei ein verblüffendes Erlebnis: In einer Pause erzählt ihr eine Teilnehmerin von erschütternden Schicksalsschlägen; kurz drauf führt der vermeintliche Jenseitskontakt eines Mediums zu einer beeindruckenden Trefferquote. 

Eine weitere Begegnung hat von der Groeben noch mehr "geflasht". Während sich die Männer und Frauen beim Seminar der "Akademie" bereitwillig filmen ließen, war es offenbar äußerst schwierig, ein Medium zu finden, das gegen die Anwesenheit einer Kamera nichts einzuwenden hatte. Dina, eigentlich Juristin, fördert erstaunliche Details aus der gleichfalls betrüblichen Lebensgeschichte von Toni hervor. Toni ist ein guter Freund der Autorin, er hat in kurzer Zeit mehrere Angehörige verloren und von der Groeben zu dem Treffen mit Dina begleitet. Das Medium stellt umgehend den Kontakt zum Großvater her und scheint sich alsbald derart gut in Tonis Biografie auszukennen, als hätte sie sein Tagebuch gelesen.

Mit der aufgeregten Fassungslosigkeit des Paars beginnt von der Groeben ihren Film. Auch wenn sie umgehend einschränkt, sie seien beide "keine Esoteriker": Ihr Weltbild ist sichtlich erschüttert. Das ändert sich, als sie sich mit einem Mann trifft, der sich als Verbraucherberater der Aufklärung dieses Metiers verschrieben hat. Letztlich lassen sich seine Erläuterungen mit dem Barnum-Effekt zusammenfassen: Menschen neigen dazu, Aussagen in ihrem Sinn zu interpretieren. Was nicht ins Bild passt, lassen sie einfach weg. In der gewitzten Geschäftemacherei mit den "Jenseitskontakten" wird diese Eigenschaft skrupellos ausgenutzt. Auf diese Weise scheint ähnlich wie bei Horoskopen oder der Wahrsagerei vieles, was diese "Medien" von sich geben, zu stimmen; tatsächlich sind die Formulierungen bewusst vage gehalten.

Ein zweiter Trick ist die genaue Beobachtung des Gegenübers: Wenn Toni auf einen Schuss ins Blaue reagiert, weiß Dina, dass die Richtung stimmt. Angesichts der Aufnahmen von der Sitzung weist der Berater die Journalistin auf die Diskrepanzen zwischen ihrer subjektiven Wahrnehmung und der objektiven Realität hin: Nach dem Gespräch mit Dina waren Toni und von der Groeben überzeugt, die Frau habe ständig richtig gelegen; in Wirklichkeit waren eine Menge Nieten dabei. 

Bei der dritten Ebene des Films hält sich die Journalistin hingegen zurück; vielleicht, weil es um eine Kollegin geht. Eine frühere Mitarbeiterin des Y-Kollektiv-Teams hat anscheinend die Seiten gewechselt und betätigt sich heute ebenfalls als Jenseitskontakterin. Auch hier kommt es zu einer scheinbar unerklärlichen Übereinstimmung, aber diese Aufnahmen hat von der Groeben nicht bewerten lassen. Der Film ist letztlich ohnehin unbefriedigend, weil die Recherche zu oberflächlich bleibt. Mit einer halben Stunde ist die Reportage zudem zu kurz, um das Thema erschöpfend zu behandeln, zumal es viele Füllbilder gibt, die die Autorin zum Beispiel am Laptop zeigen. Immerhin fällt ihr Fazit eindeutig aus: Sie sei trotz der Erlebnisse nicht überzeugt, "so sehr ich mir ein Jenseits in Licht und Liebe auch wünsche." Rundum überzeugt war man offenbar auch beim Sender nicht. Der WDR würde das sicherlich abstreiten und darauf verweisen, dass "Ruf ins Jenseits" vor allem für die Online-Auswertung entstanden ist (der Film steht in der ARD-Mediathek): Vom Ausstrahlungstermin um 0.25 Uhr ist von der Groeben bestimmt nicht "geflasht".