TV-Tipp: "An einem Tag im September"

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12. September, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "An einem Tag im September"
Seine Intensität verdankt der Film vor allem den beiden Hauptdarstellern Burghart Klaußner und Jean-Yves Berteloot. Klaußner ist unter anderem für seine Rolle als Nazi-Jäger in dem Kinofilm "Der Staat gegen Fritz Bauer" mehrfach geehrt worden.

Anders als beim Kniefall Willy Brandts 1970 in Warschau oder dem Händedruck von Helmut Kohl und François Mitterrand bei der Feier zum Gedenken an die Gefallenen der beiden Weltkriege 1984 in Verdun gibt es von dieser historisch noch bedeutsameren Begegnung keine Fotos, die ähnlich berühmt geworden sind: Am 14. September 1958 reiste Bundeskanzler Konrad Adenauer nach Lothringen zum Landsitz Charles de Gaulles, um den französischen Ministerpräsidenten zu besuchen.

Die beiden Staatsmänner hatten sich vorgenommen, die als "Erbfeindschaft" bezeichnete Rivalität zwischen den beiden großen Nationen zu beenden; allein die letzten drei Kriege hatten unzählige Opfer gefordert. Das Unterfangen war im Grunde unmöglich, der Hass zumindest zwischen den Angehörigen der älteren Generationen saß viel zu tief. Der für seine Drehbücher unter anderem über Sophie Scholl und den Hitler-Attentäter Georg Elser vielfach ausgezeichnete Autor Fred Breinersdorfer hat aus den überlieferten Ereignissen eine Geschichte gemacht, die knapp neunzig Minuten lang fesselt, obwohl die Handlung größtenteils aus Gesprächen besteht und der ähnlich oft preisgekrönte Regisseur Kai Wessel "An einem Tag im September" betont nüchtern inszeniert hat.

Seine Intensität verdankt der Film vor allem den beiden Hauptdarstellern Burghart Klaußner und Jean-Yves Berteloot. Klaußner ist unter anderem für seine Rolle als Nazi-Jäger in dem Kinofilm "Der Staat gegen Fritz Bauer" mehrfach geehrt worden, der Franzose Berteloot (hier allerdings von Stephan Schad synchronisiert) ist regelmäßig Gast in deutschen TV-Produktionen. Den erfahrenen Politikern war klar, dass sie an diesem Tag Geschichte schreiben könnten, und genau so verkörpern die Schauspieler ihre Rollen auch. 

Allen guten Vorsätzen zum Trotz führt der Wortwechsel irgendwann jedoch in eine Sackgasse. Die beiden Männer haben zwar eine Verbindung in ihrem katholischen Glauben, aber politisch finden sie gerade mit Blick auf die Zukunft Europas, die Rolle der Nato und die atomare Bewaffnung keine gemeinsame Basis; plötzlich wirkt der Film verblüffend aktuell. Nun bedient sich Breinersdorfer eines dramaturgischen Kniffs, der das Gespräch auf eine andere Ebene wechseln lässt: Als Yvonne de Gaulle (Hélène Alexandridis, synchronisiert von Barbara Auer) mitkriegt, dass der Gatte und sein Gast nicht weiterkommen, bittet sie die Herren auf die Terrasse zum Tee.

Dort zeigt sie Adenauer das letzte Foto ihrer Tochter. Die 1948 mit zwanzig Jahren gestorbene Anne de Gaulle hatte das Down-Syndrom. Nun erzählt auch der Kanzler von einer "schweren Prüfung": Seine Frau sei an den Spätfolgen eines Suizidversuchs gestorben; sie hatte beim Gestapo-Verhör sein Versteck preisgeben müssen, um die Tochter zu schützen. Nach diesem Intermezzo findet die Fortsetzung des Vier-Augen-Gesprächs unter einem neuen Vorzeichen statt. Dank des sehr privaten Austauschs entwickelt sich die Grundlage für eine Freundschaft: erst zwischen Adenauer und de Gaulle, dann zwischen Deutschland und Frankreich. 

Zunächst wirkt der rund zehn Minuten lange erste Teil des Austauschs wie das Herzstück des Films, aber abgesehen vom gegenseitigen Respekt vor den jeweiligen Lebensleistungen bleibt der Tonfall sachlich. Mit dem Teegespräch entfaltet der Film jedoch eine gänzlich unerwartete Emotionalität, obwohl die beiden Hauptdarsteller ihrer äußerlichen Haltung treu bleiben. Umso größer ist gerade Klaußners Leistung, der scheinbar anstrengungslos und äußerlich unbewegt die außerordentliche und zu Tränen rührende Emotionalität dieses Moments vermittelt. 

Grundlage für das Drehbuch war ein im Bundesarchiv gelagertes Protokoll des Treffens, das aber nur die Ergebnisse des Treffens zusammenfasst und keine Dialoge enthält. Der Wendepunkt, den die Gespräche genommen haben, ist überliefert, nicht jedoch der Anlass. In dieser Hinsicht hat Breinersdorfer also künstlerische Freiheit walten lassen; allerdings ist bekannt, dass de Gaulle ein offenes Ohr für die Ratschläge seiner Frau hatte. Damit der Film nicht ausschließlich aus dem Wohnzimmergespräch besteht, rücken Autor und Regisseur immer wieder mal einige Nebenfiguren ins Zentrum, die unterschiedliche Facetten des deutsch-französischen Verhältnisses repräsentieren.

Menschlich verständlich, aber wenig sympathisch und mitunter allzu raumgreifend ist die Ebene mit der Köchin der de Gaulles sowie Adenauers Fahrer, die für die Unversöhnlichkeit des "gemeinen Volks" stehen. Ungleich angenehmer sind die Szenen mit zwei jungen Journalistinnen, die den Hass der Altvorderen hinter sich lassen wollen. Einziger Schönheitsfehler des Films ist wie bei den meisten hiesigen TV-Produktionen, die im Ausland spielen, die Einheitssprache. Das Drama ist auf Deutsch und Französisch gedreht worden, aber selbst in der Arte-Mediathek steht nur die synchronisierte Version.

Hélène Alexandridis wurde im Juni beim Festival de Télévision de Monte-Carlo 2025 mit einer "Goldenen Nymphe" als beste Schauspielerin geehrt, "An einem Tag im September" wurde als bester Film in der Kategorie "Fiction" ausgezeichnet. Das ZDF zeigt das Drama am Montag und im Anschluss eine Dokumentation zum Thema.