Ganz gleich, ob in der Kunst, im Sport oder in der Politik: Menschen, die anderen deren Erfolge gönnen, und das womöglich von Herzen, sind rar gesät. Daher gerät Krimi-Freundin Angela Merkel prompt in ein Fegefeuer der Eitelkeiten, als sie an einer Krimi-Kreuzfahrt teilnimmt. "Mord auf hoher See" ist die Verfilmung des dritten "Miss Merkel"-Romans von David Safier und mit Abstand die beste. Gerade der erste Film, "Mord im Schloss" (2023), war viel zu dick aufgetragen und ziemlich albern.
Beim zweiten, "Mord auf dem Friedhof" (2024), war die Balance aus Komödie und Ermittlungsebene zwar deutlich überzeugender, aber erst das Kreuzfahrtabenteuer ist rundum gelungen. Gerade Krimi-Fans kommen auf ihre Kosten, denn die Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind garantiert kein Zufall; und das gilt beileibe nicht nur für die ehemalige Kanzlerin und ihren Gatten Joachim Sauer (Thorsten Merten), der es gar nicht mag, wenn man ihn als "Herr Merkel" anspricht.
Das Drehbuch nimmt den Knüller gleich vorweg: In den Büchern des von Frauen umschwärmten Bestsellerautors Florian Watzek (Stephan Luca) geht’s gern blutig zu. Das gilt auch für seinen Abgang: Mit großer Geste verurteilt sich Watzek als Richter, Henker und Delinquent in einer Person auf der Theaterbühne des Schiffs zum Tode durch die Guillotine, weil er seine Leserschaft schon seit vielen Jahren um den Nachtschlaf bringt. Der Kopf plumpst in einen Korb, das Publikum ist beeindruckt, der Vorhang schließt sich, im Fall des Autors jedoch für immer: Jemand hat das Gerät manipuliert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Mit Hilfe einer Rückblende trägt der Film nun nach, wie Merkel, Sauer und Bodyguard Mike (Tim Kalkhof) auf dem Schiff eintreffen und die Stars der deutschen Krimi-Literaturszene kennenlernen. Auf den Thriller-Autor sind sie alle nicht gut zu sprechen, und das hat nicht nur mit seinem Erfolg zu tun: Der Mann ist ein Schnösel. Bevorzugtes Opfer seiner Arroganz ist seine Assistentin (Mai Duong Kieu). Sie hatte nicht nur die Idee für sein jüngstes Werk, sondern außerdem erheblichen Anteil daran. Weil Watzek jedoch keine Göttin neben sich dulden und die Meriten nicht teilen wollte, gilt die junge Frau nun als dringend mordverdächtig, zumal sich das Fallbeil in ihrer Obhut befand. Später gibt es einen weiteren Todesfall und gleich zwei Geständnisse, aber Merkel ahnt, dass die Wahrheit viel komplizierter ist.
Wie schon der letzte Film ist "Mord auf hoher See" keine Parodie, zumal Torsten Wacker, der auch für "Mord auf dem Friedhof" verantwortlich war, erneut darauf verzichtet hat, das Ensemble als Comedy-Figuren zu inszenieren. Aus dem Rahmen fällt allein Sascha Nathan als personifizierte Unfähigkeit: Kommissar Hannemann hat es dank seiner angeblichen Aufklärung der früheren Morde als "Sherlock Holmes aus der Uckermark" zu einer gewissen Bekanntheit gebracht, daher ist er zu Merkels mittlerem Entsetzen als Überraschungsgast geladen worden.
Von dieser Chargenrolle abgesehen wirkt der Film insgesamt anspruchsvoller und näher am Humor der Vorlage, die bei Mark Werner und Safiers Sohn Ben offenbar in den richtigen Händen war; Ben Safier hat gemeinsam mit Vater David auch das Drehbuch zu "Berlin, Berlin – Der Film" (2020) geschrieben. Natürlich gibt es viele komische Szenen und kleine Slapstick-Momente, aber die Gags sind tatsächlich witzig und nicht bloß klamaukig.
Mit Lara Mandoki (Tier-Krimis) und Dirk Borchardt (Rügen-Krimis) ist Watzeks Konkurrenz zudem prominent besetzt. Zwei weitere Autoren werden von Matthias Komm und Julius Feldmeier nicht minder prägnant verkörpert, zumal sich recht bald zeigt, dass es zwischen den fünf Verdächtigen Verbindungen gibt, die weit über das gemeinsame Genre hinausgehen. Kleine, aber sehr präsente Rollen spielen zudem Saskia Wolf als kernige Kapitänin, die Merkel vorübergehend unter Kabinenarrest stellt, weil ihre Ermittlungen in dem vermeintlich geklärten Fall zu viel Unruhe unter die Passage bringen, sowie Karo Wille als Hostess, vor deren selbstbewusster Süffisanz die Mitreisenden gleich reihenweise kapitulieren.
Zu loben ist außerdem die Bildgestaltung (Kamera: Timo Schwarz), und das nicht nur wegen der effektvollen, durch wallenden Kunstnebel ergänzten und mit angemessen dramatischer Musik unterlegten Lichtsetzung bei den Bühnenpräsentationen; auch Merkel lässt es sich nicht nehmen, alle Beteiligten zur Auflösung ins Bordtheater zu bitten. Reklame für das jeweilige Kreuzfahrtunternehmen ist bei Produktionen dieser Art ohnehin im Preis inbegriffen: Gerade die Nachtaufnahmen des illuminierten Schiffs sind imposant.