Als ich 2010 zum ersten Mal die Gamescom betrat, war ich 22 Jahre alt. Ich wusste, dass mich dort eine der größten Messen zum Thema Computerspiele erwarten würde. Aber was es wirklich bedeutete, Teil dieser Community zu sein, konnte ich mir damals nicht vorstellen. Und dann stand ich da – zwischen riesigen Monitorwänden, wummernder Musik, blinkenden Lichtern und Menschenmengen, die einfach nicht enden wollten. Ich damals einfach nur überwältigt und ehrlicherweise auch ein kleines bisschen überfordert.
Es war ein bisschen so, als hätte ich einen Raum betreten, den ich mein Leben lang von außen durch einen Türspalt gesehen habe – und dann steh ich auf einmal mitten drin. Ich kannte Videospiele, sie waren und sind eines meiner liebsten Hobbys. Ich kann sie von zu Hause, hatte mit Freunden gezockt, nächtelang "World of Warcraft" gespielt. Aber hier, in Köln, bekam diese Leidenschaft ein Gesicht. Oder besser: viele Gesichter. Jugendliche, Erwachsene, Familien – sie alle schoben sich durch die Messehallen, redeten über ihre Lieblingsspiele, probierten Neues aus, jubelten über Neuankündigungen oder Releases.
Gamescom 2010 – Beginn einer Erfolgsgeschichte
Die Gamescom war damals noch jung. Erst ein Jahr zuvor hatte sie ihre Premiere gefeiert, nachdem sie von Leipzig nach Köln gezogen war. 2010 kamen rund 254.000 Besucher:innen in die Domstadt. Mehr als 500 Aussteller aus aller Welt präsentierten ihre Neuheiten. Schon damals hieß es, dass die Gamescom die Leitmesse der Branche werden könnte – ein europäisches Gegenstück zur amerikanischen E3 in Los Angeles.
Für mich persönlich war es ein Schlüsselmoment von vielen in meinem Leben: Zum ersten Mal erlebte ich die Gamingkultur in ihrer Reinform. Und diese Form hatte ihre eigene Sprache, eigene Symbole, eigene Helden. Und eine Community, die größer war, als ich sie mir damals zunächst vorgestellt hatte. Mein großer Traum war es damals tatsächlich einmal als Pressevertreter auf die Gamescom zu dürfen. Einmal wirklich Zeit für Gespräche, Anspielsessions und Einblicke haben. Einmal am Mittwoch zur Gamescom, wenn nur Pressevertreter:innnen und Contentcreator:innen da sein dürfen.
Gamescom 2025 – Wir sind erwachsen geworden
15 Jahre später. Ich gehe wieder durch die Kölner Messehallen – diesmal mit einem Presseausweis um den Hals. Ein lang gehegter Traum wird wahr. Schon beim Einlass wird mir bewusst, wie sehr sich die Dimensionen verändert haben: 357.000 Menschen sind in diesem Jahr gekommen. Über 1.200 Aussteller aus mehr als 60 Ländern sind vertreten. Die Gamescom ist längst nicht nur Branchentreff, sondern ein kulturelles Großereignis geworden. Ich mittendrin.
Und trotzdem ist da dieses Gefühl von damals wieder: überwältigt sein, fast erschlagen von der Energie. Menschenmassen, die geduldig in Schlangen stehen, um ein neues Spiel ausprobieren zu dürfen. Überall Cosplayer – von detailgetreuen Rüstungen bis zu selbstgebastelten Outfits. Ich komme mir manchmal vor wie in einer anderen Welt. Und die Hallen? Ein Summen wie in einem Bienenstock, nur lauter – und mit sehr viel mehr Neonlicht. Um die großen Bühnen drängen sich die Menschen, um einen Blick auf Streamer:innen oder E-Sportler zu werfen, die für viele Besucher:innen längst zu Vorbildern geworden sind. Wo früher nur Entwickler ihre Spiele präsentierten, stehen heute Influencer, YouTuber und Twitch-Stars im Rampenlicht – neue Leitfiguren einer Kultur, die Millionen prägt.
Als Pressevertreter konnte ich vieles bewusster wahrnehmen. Ich führte Gespräche, sammelte Eindrücke, hörte genauer hin. Und ich merkte: Die Faszination ist geblieben – nur ist alles noch größer, bunter, internationaler geworden.
Die Spiele – große Namen, kleine Überraschungen
Natürlich geht es auf der Gamescom hauptsächlich um Videospiele. Drei Titel haben mich in diesem Jahr besonders angesprochen – und sie stehen für die ganze Bandbreite dessen, was Gaming heute ist. Daher will ich sie hier kurz als meine persönlichen Highlights vorstellen.
"Anno 117: Pax Romana" (Ubisoft GmbH): Seit über 25 Jahren begeistert diese deutsche Strategiespiel-Reihe Menschen weltweit. Auch 2025 zieht sie Spielerinnen und Spieler in ihren Bann – mit dem Versprechen, eine eigene Welt zu erschaffen, Handel zu treiben, Städte aufzubauen. Anno ist ein Beispiel dafür, wie Gaming Nachdenken und Kreativität fordert. Wer sich hier einlässt, muss planen, vorausdenken und Zusammenhänge verstehen. Dass so viele Menschen davon fasziniert sind, zeigt, wie sehr Spiele auch unsere Sehnsucht nach Ordnung und Gestaltung ansprechen. Release ist am 13.11.2025
"Pragmata" (Capcom): Kaum ein Spiel wird so lange heiß erwartet wie dieses Sci-Fi-Abenteuer von Capcom. Schon die Trailer hatten eine dichte, fast poetische Atmosphäre. Auf der Gamescom konnte man nun erleben, wie intensiv diese Welt tatsächlich wirkt: eine Mischung aus Science-Fiction, Einsamkeit und Hoffnung. Und auch das Gameplay aus einer Mischung aus Action und Rätsel weiß zu überzeugen. "Pragmata" zeigt eindrucksvoll, dass Gaming mehr sein kann als bloße Unterhaltung – es kann Geschichten erzählen, die ans Herz gehen und philosophische Fragen stellen. Release ist 2026.
"Is This Seat Taken?" (Poti Poti Studio): Ein kleiner Indie-Titel, fast unscheinbar zwischen all den großen Namen. Und doch hat er viele berührt. Das Spiel erzählt von Begegnungen im Alltag, vom Dazugehören und vom Gefühl, manchmal keinen Platz zu finden. Es geht nicht um Highscore oder Explosionen, sondern um Emotionen und stille Momente. Ein schönes Puzzlespiel in entspannter "cozy" Atmosphäre. Für mich war es ein Highlight, weil es zeigt, wie vielfältig Gaming ist: von epischen Weltraumabenteuern bis hin zu leisen, menschlichen Geschichten. Release 07.08.2025
Die Community – mehr als nur ein Hobby
Was mich schon 2010 beeindruckt hat und was auch 2025 wieder deutlich wurde: Die Community ist das Herz der Gamescom. Menschen, die sich vorher nie gesehen haben, kommen ins Gespräch, tauschen Tipps aus, lachen zusammen. Es herrscht eine erstaunliche Gelassenheit – trotz der Massen, trotz der langen Wartezeiten.
Vielleicht ist es genau das, was die Faszination ausmacht: Gaming verbindet. Es überwindet Grenzen von Sprache, Alter und Herkunft. Wer spielt, teilt eine gemeinsame Leidenschaft – und das schafft Gemeinschaft.
Und es ist längst nicht mehr nur eine kleine Nische. In Deutschland spielen laut Branchenverband "game" knapp 50 Prozent der Bevölkerung regelmäßig digitale Spiele – quer durch alle Altersgruppen. Weltweit sind es mehr als drei Milliarden Menschen, die sich zumindest gelegentlich vor einen Bildschirm setzen, um zu spielen. Gaming ist damit nicht nur ein Hobby, sondern ein globales Phänomen, vergleichbar mit Fußball oder Musik. Wer die Gamescom besucht, spürt diesen weltweiten Pulsschlag hautnah.
Gaming und Glaube – ein Auftrag für die Zukunft
Und doch fällt auf: Das Thema Glaube spielt auf der Gamescom bislang kaum eine Rolle. Inmitten all der Technik, Shows und Spieleneuheiten bleibt die Frage nach Sinn, nach Werten, nach dem, was unser Leben trägt, oft außen vor.
Ich glaube: Genau hier liegt eine Chance. Gaming berührt und bedient zutiefst menschliche Themen – Sehnsucht, Hoffnung, Gemeinschaft, manchmal auch Einsamkeit oder Schuld. Warum sollten diese Fragen nicht auch einen spirituellen Raum bekommen?
Als Teil von "Faith & Pixels" ist es mir ein Anliegen, dass wir Kirche und Gaming stärker zusammenbringen. Nicht, indem wir belehrend auftreten, sondern indem wir zuhören, Fragen stellen und Räume öffnen. Und auch die Räume nutzen, die bereits da sind. Digital und analog. Denn auch Gamer:innen tragen natürlich viele Fragen in sich – nach Sinn, nach Hoffnung, nach Gott. Packen wir’s an!
Ruben Ullrich veröffentlicht gemeinsam mit Maximilian Weber-Weigelt und Robin Feldhaus den Podcast "Faith & Pixels".