Auf der Baustelle neben dem Gemeindehaus herrscht Betriebsamkeit: Handwerker wuseln durch den Kirchen-Rohbau, verlegen Kabel, bohren Löcher. Vor einem Jahr war an dieser Stelle nur rußiger Boden. Im Sommer 2021 hatte ein Brand die evangelische Christuskirche in Utting am Ammersee zerstört.
Ihr Blockhütten-Charme war besonders: Das Gotteshaus war vor knapp 100 Jahren im Stile der skandinavischen Holzknüppelkirchen erbaut worden. Besonderes Highlight waren für Generationen von Kindern die Glocken, die per Seilzug geläutet werden konnten. Entsprechend tief saß der Schock über den plötzlichen Verlust der Kirche.
Doch in die Trauer mischt sich seit Monaten zunehmend Vorfreude. Die wiederaufgebaute Christuskirche soll bald eingeweiht werden, idealerweise noch in diesem Jahr. Schon jetzt finden im Rohbau wieder Gottesdienste statt.
Die neue Christuskirche ist eine Hommage an ihre Vorgängerin, mit zeitgemäßen Anpassungen, etwa wenn es um Akustik oder die Heizung geht. Nostalgie inklusive: Auch die neuen Glocken sollen wieder händisch geläutet werden können, und die rot-blau-gestreifte Eingangstür hängt bald wieder in den Angeln, erzählt Pfarrerin Alexandra Eberhardt. Die Originaltür war eine der wenigen Gegenstände, die verkohlt gerettet werden konnten. Sie wird nun von einem Schreiner saniert.
Dass die Christuskirche im Charakter des alten Gotteshauses wiederaufgebaut werden soll, stand für die Gemeinde früh fest. Auch Architekt Mauritz Lüps, der aus der Gemeinde stammt und in der Christuskirche getauft wurde, findet diese Kontinuität wichtig. "In der Kirche herrschte eine intime, gemütliche Atmosphäre. Kein Prunk, keine Vergoldungen."
Das zeigt sich schon jetzt im Rohbau: Im Kircheninneren mit der gefalteten Decke herrscht durch die komplette Holzverkleidung und die kleinen Fenster eine Art Wohnzimmer-Atmosphäre. Diese Kontinuität sei wichtig für den Heilungsprozess der Brandnacht in der Gemeinde, sagt Lüps.
Bäume selbst gefällt und entrindet
Zum Heilungsprozess gehört auch, dass viel Eigenleistung im Neubau steckt. Am deutlichsten wird das an der Außenfassade, die in einer Art Gemeinde-Teamwork entstanden ist. Dafür waren Uttinger Gemeindeglieder in den Wald gefahren, hatten junge Fichten umgehauen und die Stämme halbiert. Im Anschluss wurden die Stämme über Wochen und Monate geschepst - so heißt es, wenn die Rinde nach traditioneller Art per Hand entfernt wird. Laut Bauvorschriften darf bei Holzbauten keine Rinde mehr vorhanden sein, erläutert Lüps, der mitgeschepst hat. Außerdem verhindere man so Borkenkäferbefall.
Normalerweise wird Bauholz heute maschinell entrindet - das sieht aber auch gleichförmiger aus. Die Uttinger entschieden sich für mehr Charakter - und somit für die Handarbeit: Insgesamt hat die ökumenisch besetzte Scheps-Truppe knapp fünf Kilometer halbierte Fichtenstämme von Rinde befreit. Hätte man dafür ein Unternehmen beauftragt - "das wäre unbezahlbar gewesen", sagt Lüps, der auch am Lehrstuhl "Entwerfen und Konstruieren" an der Technischen Universität München tätig ist. Zudem setzte der Architekt auf Bioregionalismus und Umweltverträglichkeit. Sämtliche Materialien stammen aus der Umgebung, das "Exotischste" sei Kalkstein aus Franken.
Kirche wie ein "gebauter Wald"
Da die neue Kirche aus Massivholz sei, sei der Bau sogar klimapositiv, berichten Architekt Lüps und Pfarrerin Eberhardt. Die Kirche sei wie ein "gebauter Wald", weil sie Tonnen von CO2 speichere. Zum Vergleich: Beton gilt als Klimasünder, weil bei der Herstellung durch den Einsatz von Brennöfen Massen an CO2 freigesetzt werden. Auch der Betrieb der Christuskirche soll möglichst klimafreundlich sein: Die dicken, massiven Holzwände haben den ähnlichen Effekt wie träge Steinmauern historischer Kirchen. Die Gebäude kühlen im Winter nicht so schnell aus, und im Sommer heizen sie sich nicht auf - und zwar auch gerade dann, wenn die Kirchentüre mal offenbleibt oder spontan gelüftet wird. Die Temperatur bleibe also relativ stabil, erläutert Lüps. Das spart auch Energiekosten - ein willkommener Nebeneffekt.
Auch die bayerische Landeskirche lobt den "sehr wertigen Wiederaufbau" der Christuskirche. Es sei vorbildlich, dass in derart hohem Maße auf Aspekte des Klimaschutzes Rücksicht genommen werde, sagt Oberkirchenrat Florian Baier. Durch die Holzmassivbauweise werde besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid gebunden. Auch der Oberkirchenrat hat eine "besonders emotionale Beziehung" zur Christuskirche: Er wohnt in der Gemeinde, sein Sohn wurde in der Uttinger Christuskirche getauft. Die Brandnachricht sei für ihn umso schockierender gewesen. Die große Solidarität im gesamten Ort und über konfessionelle Grenzen hinweg habe ihn enorm beeindruckt, sagt Baier.
Rund 3,5 Millionen Euro soll der Neubau - Stand jetzt - kosten, sagt Pfarrerin Eberhardt. Die Versicherung übernimmt 1,5 Millionen Euro für den Bau und 800.000 Euro für Inventar inklusive Orgel und Glocken. 378.000 Euro schießt die Landeskirche zu, für den Rest muss die Kirchengemeinde aufkommen. 700.000 Euro hat die Kirchengemeinde bereits an Spenden gesammelt, eine niedrige sechsstellige Summe wird noch gebraucht. Die Brandursache wird wohl nie aufgeklärt werden, die Polizei hat die Ermittlungen inzwischen eingestellt.