Dem Ruf der Kraniche nach Stralsund folgen

Kraniche
epd/Frank Sommariva
Rastende und fliegende Kraniche auf dem Weg nach Süden bei Sonnenaufgang am Günzer See, Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. In Günz soll Anfang September das größte Kranichzentrum Europas eröffnet werden.
"Kranichwelten" in Vorpommern
Dem Ruf der Kraniche nach Stralsund folgen
In Günz bei Stralsund (Landkreis Vorpommern-Rügen) soll Anfang September das größte Kranichzentrum Europas eröffnet werden. Besucher sollen den "Vögeln des Glücks" in dem neuen Nabu-Erlebniszentrum "Kranichwelten" virtuell ganz nahe kommen können.

Der Graue Kranich ist groß, schön und sehr scheu. Um dem "Vogel des Glücks" möglichst nahe zu kommen, können ambitionierte Naturfotografen am Günzer See bei Stralsund (Landkreis Vorpommern-Rügen) kleine Fotoverstecke mieten, die sie tagsüber nicht verlassen dürfen. Touristen haben es einfacher, sie können sich die Schreitvögel von der Beobachtungsstation "Kranorama" aus mit dem Fernglas heranzoomen. Doch bald schon wird es dank virtueller Realität (VR) möglich sein, sich direkt unter Kranichen aufzuhalten.

Am 6. September soll in etwa 300 Metern Entfernung zum "Kranorama" das größte Kranichzentrum Europas für Besucher eröffnet werden. Das internationale Nabu-Erlebniszentrum "Kranichwelten" sei ein neues Highlight, "ein richtiges Update", sagt Günter Nowald, der die "Kranichwelten" leiten wird. Besucher sollen dann mit Hilfe von VR-Brillen in 3-D-Welten abtauchen können, "so dass man den Kranichen in die Augen schauen kann". Aber auch zu Moorwelten und Insektenwelten wird es VR-Animationen geben.

In der Ausstellung der "Kranichwelten" sollen alle Themen zur Welt der Kraniche angesprochen werden. "Der Kranich ist ja verwurzelt in Mythologie, in Geschichten, in Gedichten, in Liedern", sagt der promovierte Biologe Nowald. Auch nationale und internationale Projekte der gemeinnützigen Kranichschutz Deutschland GmbH, deren alleiniger Gesellschafter inzwischen der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist, sollen vorgestellt werden. Und es soll erstmals ein Bistro geben und im Außenbereich ein künstliches Niedermoor, eine Streuobstwiese, einen Insektenhügel und später einen Bauerngarten.

Ausgedient hat mit dem neuen Erlebniszentrum in Günz das im September 1996 eröffnete Nabu-Kranichzentrum im benachbarten Groß Mohrdorf, das der Kranichschutz Deutschland ohnehin nur angemietet hatte und das laut Nowald viel zu klein war. Denn es zieht jährlich etwa 20.000 Besucher ins "Kranorama" am Günzer See sowie bis zu 10.000 Besucher ins bisherige Kranichzentrum in Groß Mohrdorf. Insbesondere im Herbst können laut Nabu-Kranichzentrum im Gebiet des Nationalparks "Vorpommersche Boddenlandschaft", einem der größten europäischen Rastplätze, mehr als "70.000 der beeindruckenden Großvögel über einen längeren Zeitraum beobachtet werden".

Ein ganzjährig erlebbares Naturerlebnis

Das ist auch interessant für den Wirtschaftsfaktor Tourismus. Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschafts- und Tourismusminister Wolfgang Blank (parteilos) sagt: "Mit dem neuen Kranichzentrum schaffen wir ein ganzjährig erlebbares Naturerlebnis - modern, multimedial und nachhaltig." Ziel sei es, ein informatives und attraktives Highlight für naturverbundene Gäste zu entwickeln, das zugleich als Tagungs- und Veranstaltungsort diene. "So stärken wir den nachhaltigen Tourismus in der Region - auch jenseits der Strandsaison an der Ostsee- und Boddenküste."

Der Neubau des Nabu-Erlebniszentrums "Kranichwelten" startete im November 2023 und wird laut Tourismusministerium MV rund 5,3 Millionen Euro kosten. Das Ministerium stellt 4,4 Millionen Euro Fördermittel bereit. Hinzu kommen laut Nowald Fördermittel des Bundes für den VR-Bereich in der Ausstellung und für die Gestaltung der Außenanlagen. Bauherr ist der Kranichschutz Deutschland. Naturerlebnisse sind bei Urlaubern offensichtlich beliebt. Laut einer Gästebefragung des Tourismusverbandes MV zwischen Juli 2022 und Juni 2023 "besuchen 68 Prozent der Urlauberinnen und Urlauber Naturattraktionen".

Darunter fielen auch Angebote zum Thema Kranich. So ziehe die mit zahlreichen Rast- und Futtergebieten übersäte vorpommersche Boddenregion jährlich tausende Kraniche an, die an einigen Orten besonders gut beobachtet werden könnten. Im Müritz-Nationalpark in der mecklenburgischen Seenplatte könne der abendliche Flug zu den Schlafplätzen bei Kranichführungen erlebt werden. Im Unesco-Biosphärenreservat Schaalsee im Westen von MV könnten sich Gäste mit einer Kranich-Schutz-Aktie aktiv am Schutz der Vögel und an der Wiedervernässung des Schönwolder Moores beteiligen.

Hautnah erlebt werden könnten Kraniche von der Beobachtungsplattform "Kranichkieker" aus oder von einem Beobachtungsstand in Zarrentin. Jedes Jahr werde die Rast der Großvögel in MV durch zahlreiche Veranstaltungen während der Woche des Kranichs in den Fokus gerückt, informiert der Tourismusverband. Die 27. Auflage der Aktionswoche finde in diesem Jahr vom 21. bis zum 28. September statt.