Seelsorger für Fluggäste und Personal

Matthias Hiller und Mechthild Foldenauer vom Seelsorgeteam am Flughafen Stuttgart.
epd-Südwest/Flughafen Stuttgart
Matthias Hiller und seine Kollegin Mechthild Foldenauer am Stuttgarter Flughafen.
Einsatz am Flughafen Stuttgart
Seelsorger für Fluggäste und Personal
Auf dem Flughafen Stuttgart landen Erntehelfer, Mallorca-Touristen und Geflüchtete. Für sie und noch viele andere will Flughafenseelsorger Matthias Hiller mit seiner katholischen Kollegin und einem Team von Ehrenamtlichen ansprechbar sein. Im Interview spricht er über Notlandungen, Käse am Zoll und gute Gespräche bei einer Tasse Kaffee.

Herr Hiller, die Sommerferien in Baden-Württemberg beginnen und viele verreisen. Damit ist für Sie als Flughafenseelsorger sicherlich nun auch Hauptsaison, oder?

Matthias Hiller: Nicht unbedingt. Erstens ist der Flughafen am Anfang und Ende der Pfingstferien sogar noch mehr ausgelastet, weil manche Familien in den Pfingstferien ihren vorgezogenen Sommerurlaub machen, und deshalb dann sehr viel los ist. In den Sommerferien verteilt sich das alles ein wenig mehr.

Außerdem sind wir als Flughafenseelsorge nicht nur für Passagiere, sondern auch für die rund 10.000 Beschäftigten des Flughafens und für rund 700 Blaulichtkräfte hier zuständig. Und die brauchen uns vielleicht an ganz anderen Tagen intensiver als am Sommerferienanfang.

Haben Sie Beispiele, wie Sie als Flughafenseelsorge Passagieren konkret helfen konnten?

Hiller: Das fängt am Zoll an, wo ein älterer Herr verzweifelt ist, dass er seinen gekauften Käse, der von außerhalb der EU stammt, nicht mit nach Hause nehmen kann, weil er ihn nicht einführen darf. Wir versuchen, ihn dann zu beruhigen und die Situation zu erklären.

Auch die Polizei wendet sich an uns, wenn etwa ein Mann völlig außer sich ist, weil die Beamten ihn mit Verdacht auf Drogenschmuggel durchsuchen und kontrollieren. Dann kann es sein, dass es hilft, die Situation etwas zu deeskalieren, wenn mal jemand ohne Uniform sich ihm zuwendet.

Flughafenseelsorger Matthias Hiller schätzt die vielen Begegnungen, die seine Aufgabe mit sich bringt

Im Frühjahr kam eine große Zahl von Erntehelfern aus Georgien, der Türkei und anderen Ländern in Stuttgart an, um Spargel zu stechen und Obst zu ernten. Da helfen wir oft aus, wenn es mit dem Anschluss nicht funktioniert und zum Beispiel der Sprinter von der Kirschplantage nicht rechtzeitig kommt, um sie vom Flughafen abzuholen. Denn oft können diese Erntehelfer nicht telefonieren, wenn bei ihren Handys das Roaming nicht funktioniert.

Sie haben ein Team von 35 Ehrenamtlichen, die Sie und Ihre katholische Kollegin am Flughafen Stuttgart unterstützen, was sind deren Aufgaben?

Hiller: Unsere Ehrenamtlichen haben ein hohes Fachwissen, was alle Probleme angeht, die es auf dem Flughafen schon einmal gab. In der Regel finden sie eine Lösung. Sie werden unter anderem vom Flughafenpersonal angerufen, wenn beim Check-in jemand seinen Pass nicht mehr findet. Um ihn kümmert sich dann jemand der Ehrenamtlichen, weil das Personal ein ganzes Flugzeug voller Menschen mit Boarding-Pässen versorgen muss und keine Zeit hat, sich ausgiebig mit dieser einen Person zu befassen.

Wir möchten dem Miteinander im Flughafen guttun, aber auch die Menschen spüren lassen: Wir sind für euch da. Unsere Motivation ist: Wir behandeln alle Menschen so, dass sie spüren könnten, dass Gott sie mag - unabhängig von Hautfarbe, Aufenthaltsstatus, Religion oder was auch immer.

"Wir springen als Kirche ein und helfen denen, die Hilfe brauchen:"

Was war eine ihrer kuriosesten Geschichten, die Sie mit Fluggästen bisher hatten?

Hiller: Einmal kam ein junger Mann völlig alkoholisiert von einem Junggesellenabschied auf Mallorca zurück - und trug nur noch Boxershorts und einen einzelnen Flip-Flop. Geld, Handy, ja selbst der Pass fehlte. Wir haben dann schließlich die Nummer seiner Mutter ausfindig gemacht und diese angerufen und versucht, für den jungen Mann möglichst weitere Peinlichkeiten zu vermeiden.

Was ist eigentlich mit Menschen, die im Flieger sitzen, weil sie geflüchtet sind?

Hiller: Geflüchtete mit Asylwunsch werden bei ihrer Ankunft zuerst von der Bundespolizei erkennungsdienstlich behandelt und dann zur Landeserstaufnahmestelle (LEA) nach Karlsruhe geschickt. Das Problem ist nur, dass es nicht einfach ist, vom Stuttgarter Flughafen zur LEA zu kommen - vor allem wenn man sich nicht auskennt und die Sprache nicht spricht.

So kamen neulich an einem Sonntag 13 Personen aus Afghanistan an, von denen nur ein achtjähriger Junge etwas Englisch sprach. Solche Gruppen scheitern am lückenhaften System. Deshalb springen wir als Kirche ein und helfen diesen Menschen, nach Karlsruhe zu kommen - aber auch allen anderen, die Hilfe brauchen.

"Wir werden als Teil der Einsatzkräfte wahrgenommen."

Gibt es eigentlich auch Notlandungen und sind Sie da als Seelsorger involviert?

Hiller: Technische Notlandungen größeren Ausmaßes gab es schon länger nicht mehr. Aber was öfter vorkommt, sind sogenannte medizinische Notlandungen bei gesundheitlichen Notfällen. Da treffen wir uns dann direkt am Flugzeug mit den Rettungs- und Notfallsanitätern der Flughafenfeuerwehr.

Unsere Rolle als Flughafenseelsorge ist, Mitreisende und Partner zu beruhigen und ihnen Orientierung zu geben, wenn sie den Flug abbrechen wollen. Dann geht es um Fragen wie: In welches Krankenhaus kommt der Patient? Welche Angehörigen sollen informiert werden? Wir sind aber auch für die Blaulichtkräfte da, wenn sie nach schwierigen Einsätzen ein Gespräch brauchen.

Sie sind auch Seelsorger für das Personal des Flughafens. Wie sieht das konkret aus?

Hiller: Meine Kollegin und ich haben Zeit für Gespräche mit den Angestellten. Wir sind Teil der Flughafen-Community, da gibt es keine große Distanz. Wie alle anderen, die hier arbeiten, sind wir mit der vorgeschriebenen Sicherheits- und Schutzausrüstung unterwegs. Wir werden also eher selten als "Kirche" wahrgenommen, eher als Teil der Einsatzkräfte, die nun mal zu einem Flughafen gehören. Und hier auf dem Flughafen duzt man sich im Einsatz sowieso - da sind die Wege ins Gespräch meist kurz. Unsere Dienstzimmer sind aber auch in einem Nebengang der Terminals. Da kann man immer mal kurz abbiegen und bei der Flughafenseelsorge einen Kaffee trinken, reden, durchatmen.