Junge Menschen leben "Freestyle-Religiosität"

Junges Mädchen betet mit geschlossenen Augen und mit Rosenkranz
Getty Images/iStockphoto/D-Keine
Unter jungen Menschen wird oft am Glauben gebastelt.
Persönliches Glaubensmosaik
Junge Menschen leben "Freestyle-Religiosität"
Der Sozialwissenschaftler Kurt Möller beobachtet, dass viele junge Menschen ein ganz persönliches Glaubensmosaik aus Elementen unterschiedlicher religiöser und spiritueller Traditionen bauen.

Dabei griffen sie beispielsweise auf Meditation, Yoga oder esoterische Praktiken zurück, sagt der emeritierte Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Esslingen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese "Bastelmentalität", also dass Zugehörigkeiten, Glaubenselemente und Praktiken individuell kombiniert werden, nehme zu.

In seinem Lehrforschungsprojekt mit dem provokanten Titel "Holy Shit?!", bei dem rund 100 Menschen nach ihrem Glauben gefragt worden seien, habe es zum Beispiel einen Atheisten gegeben, der sich auch als Satanist verstand, ebenso eine Katholikin, die in einem buddhistischen Kloster Kurse gibt und dies problemlos miteinander verbinde, erzählte der habilitierte Pädagoge.

Grund für diese Entwicklung der "Freestyle-Religiosität" sei unter anderem, dass christliche Kirchen einen Bedeutungsverlust erleiden, der nicht nur zu weniger Mitgliedern führe, sondern auch zu einem Verlust von Glaubenspraktiken, Ritualen und Dogmatiken sowie traditionellen Glaubensformen. Hinzukomme der Trend zur Individualisierung und Singularisierung, also der Wunsch, sich immer authentischer fühlen und darstellen zu wollen.

So scheine bedeutsamer als religiöse Zugehörigkeit eine Religiosität zu sein, die auf die drei zentralen Fragen des Lebens eine Antwort gibt: "Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Und: Welchen Sinn macht das dazwischen?" Antworten auf diese Frage fänden viele in den Sozialen Medien, wie Studien zeigten.

Den Kirchen empfiehlt Möller, an den existenziellen Sinnfragen von jungen Leuten anzusetzen, das Gespräch mit ihnen zu suchen und ihnen Räume und Zugänge anzubieten, ihren Glauben zu reflektieren und auch emotional zu erfahren. Denn: "Jugendliche suchen keine fertigen Antworten, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Fragen", so Möller.