Als Kurkantor:in in die Berge oder ans Meer

Foto auf Alpenpanorama und Berchtesgaden mit drei Kirchen.
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Orgel spielen mit Blick auf den Watzmann in den Berchtesgadener Alpen, das kann Organistin Ina Rößler als Kurkantorin in der Christuskirche.
Orgeln, predigen und urlauben
Als Kurkantor:in in die Berge oder ans Meer
Es ist Urlaubszeit, Hochsaison in den Ferienregionen der Republik. Die vielen Gäste hat auch die Kirche als besondere Zielgruppe erkannt: Seit den 1970er Jahren tun Urlaubsseelsorger ihren Dienst. In der Kirchenmusik hat sich noch der etwas altertümliche Begriff des Kurkantors gehalten.

Die Pfarrer:innen und Musiker:innen sollen die Arbeit der Gemeinden vor Ort durch spezielle, auf den Tourismus zugeschnittene Angebote ergänzen. Sie bewerben sich meist für einige Wochen auf eine der ausgeschriebenen Stellen.

So wie Ina Rößler. Die 57-jährige studierte Pianistin arbeitet seit rund 30 Jahren als Klavierlehrerin und musikalische Unterstützerin für andere Künstler:innen in der Nähe von München. Sie hat auch die C-Prüfung als nebenamtliche Organistin abgelegt. Von der Möglichkeit eines Einsatzes als Kurkantorin hat sie von Kollegen erfahren. "Die hatten das auf Amrum gemacht und davon erzählt."

Nun wird sie im August drei Wochen lang in Berchtesgaden, direkt an der deutsch-österreichischen Grenze Musik machen. Was motiviert sie dazu? "Ich will das einfach mal ausprobieren", sagt sie. Die Kirche, in der sie spielen wird, hat sie sich schon angeguckt, die gute Akustik festgestellt und auch zum Pfarrer Kontakt geknüpft. In der Gemeinde würden besondere Lieder gesungen. "Es ist immer interessant, über den Tellerrand zu blicken." Nicht zuletzt hofft die passionierte Wandererin natürlich auch auf ein paar entspannende Tage in den Bergen.

Kurkantorin Ina Rößler an der Orgel der Christuskirche in Berchtesgaden.

Der Dienst sei eine gute Gelegenheit, günstigen Urlaub mit dem zu verbinden, was man auch sonst gern macht, sagt Kirchenrat Karsten Schaller vom Referat für Kirche in Tourismus und Sport der bayerischen Landeskirche. Mit 41 Einsatzorten für Kurkantor:innen und 80 Stellen in der Urlaubsseelsorge ist Bayern der Spitzenreiter. Orte im Alpenraum wie Garmisch oder Oberstdorf seien besonders beliebt, auf andere müsse man die Interessent:innen erst stoßen. "Zum Beispiel Bad Kötzting im Bayerischen Wald – auch ein wunderbarer Einsatzort."

Die Ausschreibung der Stellen erfolgt jeweils im Herbst im Amtsblatt der Landeskirche. Bewerbungen laufen anschließend über Schallers Schreibtisch. Jeweils drei Wunschorte können angegeben werden, die Verteilung der Stellen erfolgt ohne ein eigentliches Auswahlverfahren. Die Musikerstellen sind sehr unterschiedlich zugeschnitten. Neben Großkirchen wie Lorenz- und Sebalduskirche Nürnberg, St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber oder St. Anna in Augsburg gibt es viele sehr kleine Gemeinden. Die Stellen sind deshalb nach Qualifikation (A, B oder C-Prüfung) sortiert. Bei der Auswahl hilft der Landeskirchenmusikdirektor. "Der kennt die meisten Leute und kann das gut einschätzen", sagt Schaller. Es könne gut sein, dass eine kleine Gemeinde wie Hirscheck im Kleinwalsertal auf diese Weise einen hochqualifizierten Musiker bekomme.

500 Gemeindemitglieder, 1,5 Millionen Touristen

Die Gemeinde auf Langeoog hat gerade 500 Mitglieder. Dagegen gibt es jährlich rund 1,5 Millionen Übernachtungen und 130.000 Tagesgäste. Die Nordseeinsel ist einer von 15 Orten zwischen Harz und Küste, die die Landeskirche Hannovers im Rahmen der Urlauberseelsorge mit zusätzlichen Kräften versorgt. In Tourismus-Hotspots wie den ostfriesischen Inseln oder den Seebädern in Cuxhaven sogar das ganze Jahr über. Etwa 95 bis 100 Personen pro Jahr würden so offiziell beauftragt, sagt Klaus Stemmann von der Service Agentur Spiritualität der Landeskirche.

Pfarrerinnen und Pfarrer bewerben sich in Hannover über den Dienstweg und werden dann für den Einsatz als Urlaubsseelsorger freigestellt. Aber auch viele Ruheständler übernehmen die Dienste, die zwischen zwei und vier Wochen dauern. Etwa die Hälfte der Bewerber:innen kommt aus anderen Landeskirchen. Offiziell bestellt wird pro Standort jeweils ein Theologe/eine Theologin oder ein:e Musiker:in. Teilweise würden von den Gemeinden selbst weitere Kräfte angeheuert, weiß Stemmann. "Manche Urlaubsgäste machen selbst Musik und wollen etwas anbieten - das ergänzt sich dann sehr gut." 

Regelmäßig volle Kirchen sind ein Phänomen, das man aus dem Gemeindealltag kaum mehr kennt. "Der Einsatz in den Urlaubsorten ist deshalb attraktiv und macht Spaß", sagt Stemmann. Eigene Ideen – etwa Vorträge zu spirituellen Themen, offene Singen oder Konzerte – ließen sich gut umsetzen. "Man kann viel ausprobieren." Wichtig sei, dass es zusätzliche Angebote sind – also keine Vertretungsdienste. Insgesamt sieht Stemmann die Urlaubsseelsorge in ihrer fließenden, zeitlich befristeten Struktur sogar in einer Vorreiterrolle für künftige Entwicklungen in den Gemeinden. "Da kann getestet werden, was später vielleicht auch für die Arbeit zu Hause nutzbar ist."

 

Neben der Freistellung für den Dienst übernimmt Hannover auch die Fahrt- und Unterkunftskosten. "Häufig haben die Gemeinden selbst Wohnraum, den sie zur Verfügung stellen können", sagt Stemmann. In Bayern gibt es neben der Fahrtkostenerstattung dagegen lediglich einen Zuschuss für die Wohnung und ein Tagegeld. Und der Einsatz gilt als Urlaubszeit, nicht als Dienst. Etwa 1000 Euro würden im Schnitt pro Einsatz gezahlt, rechnet Schaller vor. Das sei bei allen gleich – ob Pfarrerin, C- oder A-Kirchenmusiker.

"Am Ende werde ich schon draufzahlen", sagt Ina Rößler, die sich ihre Unterkunft in Berchtesgaden gleich nach der Zusage aus München besorgt hat. Sie ist aber gespannt und freut sich auf ihre Einsätze in den drei Kirchen der Gemeinde und besonders auf die beiden Berggottesdienste, die sie mitgestalten wird. Daran nehmen teilweise mehrere hundert Menschen teil – ein Highlight in jeder Hinsicht.