TV-Tipp: "Ku’damm 63"

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18. Juli, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ku’damm 63"
Es ist schon erstaunlich und eindrucksvoll genug, dass es dem ZDF und der Produktionsfirma UFA Fiction gelungen ist, mit "Ku’damm 56" und der Fortsetzung "Ku’damm 59" zwei Trilogien auf höchstem Niveau zu erzählen.

Die erste Staffel (2016) verknüpfte auf kongeniale Weise die Zeit des Wirtschaftswunders mit dem Erwachsenwerden dreier Schwestern, deren Rollen mit Sonja Gerhardt, Maria Ehrich und Emilia Schüle glänzend besetzt waren. Staffel zwei (2018) war trotz diverser Dramen und Tragödien große Unterhaltung. Die drei Schöllack-Töchter schienen ihren Platz im Leben gefunden zu haben; eine Gewissheit, die sich in der dritten Staffel als trügerisch erweist. 

Trotzdem konnten die 2021 ausgestrahlten Filme sieben bis neun die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen, was womöglich auch mit einem Wechsel hinter der Kamera zu tun hat: Die Drehbücher stammen nicht mehr von Grimme-Preisträgerin Annette Hess ("Weissensee"), die das Projekt aber noch als "Creative Producer" begleitete. Die Verantwortung lag nun bei "Danni Lowinski"-Schöpfer Marc Terjung als Chef eines Autorenteams. Regie führte nach Sven Bohse Sabine Bernardi; sie hatte zuvor neben zwei sehenswerten Episoden für die ZDF-Reihe "Kommissarin Lucas" die überraschend bissige Urlaubskomödie "Ein Ferienhaus auf Teneriffa" (ein Freitagsfilm im "Ersten", 2019) sowie einen sehenswerten NDR-Tatort" über Fracking ("Böser Broden", 2017) gedreht. 

Inhaltlich hat sich hingegen zunächst nicht sonderlich viel geändert, zumal die drei jungen Frauen ihre Sturm-und-Drang-Phase hinter sich haben. Daran ändert auch der Schock zum Auftakt nichts, als Mutter Schöllack (Claudia Michelsen) an Heiligabend von einem Bus erfasst wird und ihre Tanzschule wegen eines Wirbelbruchs vorerst nicht weiterführen kann. Tochter Helga (Ehrich) tritt in ihre Fußstapfen. Eva (Schüle) hat einen cleveren Weg gefunden, sich mit dem Despotismus ihres Gatten Jürgen (Heino Ferch) zu arrangieren, und findet Erfüllung in ihrer Kunstgalerie; bis Jürgen dafür sorgt, dass sich das Blatt wendet. Einzig Monika (Gerhardt) ist zunächst mit ihrem Mann (Sabin Ambrea) glücklich; das ändert sich, als sie eine Fehlgeburt hat. 

Diesen vorgegebenen Rahmen füllt das Autorentrio mit vielen kleinen und großen Geschichten, die zum dritten Mal eine Garantie für Kurzweiligkeit sind. Einziges Manko ist der fehlende Fluss: Weil die Handlung nun auf noch mehr Figuren verteilt ist, wirkt Bernardis Erzählweise oft episodisch und sprunghaft

"Es liegt was in der Luft", heißt es mal, und mitunter hat es den Anschein, als solle dieses Versprechen etwas atemlos immer und immer wieder eingelöst werden. Die einzelnen Stränge sind allerdings fesselnd. Monika zum Beispiel bekommt die Chance, ein Lied für die Zwanziger-Jahre-Größe Hannelore Ley (Helen Schneider) zu schreiben, die damit beim Grand Prix de la Chanson antreten soll. Trotzdem steht Gerhardts Rolle nicht mehr so im Vordergrund wie in den ersten beiden Staffeln. Zum Ausgleich rücken nun die fast ausnahmslos in irgendeiner Form beschädigten männlichen Figuren stärker ins Zentrum. Davon profitiert neben Sabin Tambrea vor allem August Wittgenstein: Helgas Mann ist ein Staatsanwalt, der seine Homosexualität unterdrückt und schwule Männer mit unnachgiebiger Härte verfolgt. Die Gattin lebt derweil ihre unbefriedigte Leidenschaft mit einem Tango-Lehrer (Giovanni Funiati) aus. Die beste und vor allem coolste Rolle hat allerdings Trystan Pütter als Monikas musikalischer Partner und Exfreund Freddy, zumal seine Auftritte stets für Rock’n’Roll stehen. 

Auch die politischen Zeitläufte tauchen schlaglichtartig auf: In Frankfurt werden die Auschwitz-Prozesse vorbereitet, Freddys Lokal wird verwüstet, weil er Jude ist, Kennedy bekennt "Ich bin ein Berliner", und Helga will ihrer Mutter die Zeit mit einem Fernseher vertreiben, zumal doch demnächst ein zweites Programm starte. "Als ob eines nicht genug wäre", findet Caterina Schöllack und fürchtet, dass sich ihr Gehirn durch zu viel TV-Konsum in "willenlose Puddingmasse" verwandle, während die Töchter aus der Tanzschule "ein Bumslokal" machen.

Die Filme haben zwar immer noch den Schwung der ersten beiden Staffeln, zumal Karim Sebastian Elias für eine große Kinomusik gesorgt hat, aber es fehlt das gewisse Etwas. Kostüm und Ausstattung sind dagegen wieder ein Augenschmaus. Der Aufwand ist ohnehin erneut enorm; fast alle Außenaufnahmen sind, wenn auch unmerklich, digital bearbeitet worden. 3sat zeigt heute den Abschluss der dritten Trilogie; sie steht ebenso wie eine Dokumentation über den Zeitgeist der früheren Sechzigerjahre komplett in der ZDF-Mediathek.