"Wer soll zur Versöhnung rufen, wenn nicht wir?", so Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, in einem Podiumsgespräch in Wuppertal. Bischof Kramer, seit 2022 auch Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland, sprach im Audimax der Kirchlichen Hochschule Wuppertal vor Superintendent:innen der rheinischen und der mitteldeutschen Kirche davon, der Verteidigungskampf der Ukraine sei "ein legaler Krieg, aber kein gerechter Krieg".
Angesichts der tödlichen Konsequenzen bis nach Afrika durch ausbleibende Nahrungsmittellieferungen steht für ihn fest: "Es gibt keinen gerechten Krieg." Präses Latzel widersprach nicht, wandte aber ein: "In einer unerlösten Welt ist auch die Eindämmung des Bösen legitim. Der Krieg wäre sofort beendet, wenn Russland Schluss macht." Auch Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, forderte zur "Entfeindung" auf, warnte aber zugleich vor einem "Sofa-Pazifismus": "Ich halte es für schwierig, wenn wir der Ukraine von außen sagen, wie sie sich verhalten soll."
Unterschiedlich bewerten die beiden leitenden Geistlichen die derzeitigen Aufrüstungsbemühungen. Für Kramer sind sie nicht notwendig, sondern könnten sogar die gewünschte Abschreckungswirkung in ihr Gegenteil verkehren. Latzel hält eine Stärkung der Verteidigungsbereitschaft dagegen für ein "notwendiges Instrument". Kirche müsse aber immer "an der Seite der von Gewalt Betroffenen stehen". "Wir befinden uns nicht in der Vorkriegszeit, sondern in der Vorfriedenszeit", so der EKD-Friedensbeauftragte. "Denn am Ende steht immer der Frieden."
Ost-West-Begegnung auf dem Heiligen Berg
Das friedensethische Podiumsgespräch war Teil einer mehrtägigen Ost-West-Begegnung. Sowohl die rheinischen als auch die mitteldeutschen Superintendent:innen hatten sich zu Tagungen auf dem Heiligen Berg verabredet und immer wieder auch gemeinsame Programmpunkte vereinbart. Einer davon: die paarweise Freizeitgestaltung.
Für Jens Sannig, Superintendent im Kirchenkreis Jülich, eine vertraute Übung: Schon 2022 beim ersten Treffen in Erfurt hatte er dabei seinen Jenaer Amtskollegen Sebastian Neuß näher kennengelernt. "Die befinden sich dort als Kirche längst in Transformationsprozessen, zu denen wir noch kommen werden", erzählt er. Nicht die einzige Erkenntnis, von denen man am Niederrhein profitieren wollte. Vor zwei Jahren reiste der gesamte Pfarrkonvent nach Jena, im vergangenen Jahr gab es den Gegenbesuch.
Sannig beeindruckt an seinen Thüringer Pfarrkolleginnen und -kollegen vor allem, "mit welcher Fröhlichkeit dort Kirche gestaltet wird". Sie fragten nicht, "was wir verlieren, sondern was wir gewinnen können". Eine weitere Anregung, die er aus den Begegnungen mitnimmt: "Wir müssen lernen, dass wir nicht mehr der Mittelpunkt sind, aber in Netzwerken weiter stark sein können." Und auch im Denken über die Gemeindegrenzen hinaus sei man im Osten weiter. Das sei auch notwendig bei nur noch rund 17.000 Gemeindegliedern im Kirchenkreis Jena. Die Haltung dort nach Sannigs Worten: "Wir sind so wenige, dass wir fast schon wieder sexy sind."